Wien – Die Liste der im Visier der Staatsanwaltschaft Wien stehenden Personen ist lang und brisant wie der Grund der Ermittlungen: Verdacht gemäß §153 Strafgesetzbuch, also Untreue. Selbige soll laut einer im Oktober im Auftrag der Austrian Research Centers (ARC) erstellten "Sachverhaltsbekanntgabe" (Aktenzahl 25St30/07x) im Zusammenhang mit der ARC-Tochter Funktionswerkstoffe Forschungs- und EntwicklungsgmbH passiert sein.

Im Visier der Staatsanwaltschaft stehen sechs Personen, darunter aktive und ehemalige Geschäftsführer der ARC-Gruppe. Staatsanwältin Sonja Riener muss herausfinden, ob die von Rechtsanwalt Wolfgang Leitner im Auftrag des ARC-Aufsichtsrats auf sechs Seiten aufgelisteten "kritikwürdigen Vorgänge" strafrechtliche Verfehlungen darstellen – oder nicht.

Im Zentrum steht die vor einem Jahr verkaufte ARC-Tochter Funktionswerkstoffe Forschungs- und EntwicklungsgmbH (FWG) und die mit der Verwertung ihrer wissenschaftlichen FWG-Ergebnisse und -Patente beauftragte EN-o-DE Energy on Demand Production and Sales GmbH.

Doppelt verschränkt

Das Pikante daran: An EN-o-DE war der damalige ARC-Geschäftsführer Helmut Krünes (über seine Krünes-Consulting GmbH) mit zehn Prozent beteiligt, FWG-Geschäftsführerin Martha Maly-Schreiber erst mit 60 Prozent, dann 90 und zuletzt mit 50. Sie war darüber hinaus auch EN-o-DE-Geschäftsführerin. Maly-Schreiber wollte zu den Vorwürfen ebenso wenig eine Stellungnahme abgeben wie Krünes. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Wiewohl vom ARC-Aufsichtsrat seinerzeit genehmigt, vermuten die Seibersdorfer nun genau hinter diesen Doppelfunktionen gravierende Interessenkonflikte, die sich nachteilig auf die FWG und damit die mehrheitlich im Bundesbesitz stehende ARC-Gruppe ausgewirkt hätten: "Es stellt sich die Frage, ob in den Geschäftsführerhandlungen auf der Seite der ARC und der FWG ... und der Gesellschafterfunktion auf der Seite des anderen Vertragspartners, ein unzulässiges Selbstkontrahieren zum Nachteil der ARC und der FWG, und damit Untreue, zu sehen ist", heißt es in der ARC-Darstellung wörtlich.

531.000 Euro weg

Das Ergebnis ist bekannt: Die Geschäftsbeziehung der FWG zur EN-o-DE entwickelte sich "höchst nachteilig", die FWG musste im Konkurs der EN-o-DE eine offene Forderung in Höhe von 531.000 Euro anmelden, wurde ein Sanierungsfall und am 29. November 2006 an die mittlerweile in Cellstrom umbenannte Smart Energy Solutions verkauft. An der verkauften FWG, die ihrerseits Patente, Anlage- und Umlaufvermögen der EN-o-DE aus der Konkursmasse kaufte, hat sich Maly-Schreiber mit rund 35 Prozent beteiligt, sie verfügt damit weiter über die "u. a. aus öffentlichen Mitteln geförderten Patente und des Know-how".

Bezweifelt wird von den ARC übrigens, ob des Ex-ARC-Geschäftsführers Nebentätigkeit vom damaligen ARC-Aufsichtsratspräsident Richard Schenz inhaltlich genehmigt wurde. Schenz habe nämlich mit dem Vorbehalt zugestimmt, dass kein Interessenkonflikt vorliegen dürfe. "Ein solcher wäre nur dann nicht gegeben, wenn im Einzelfall ein Geschäft eindeutig zum Vorteil des Vertretenen, also der FWG, oder zu objektiv nachvollziehbaren Marktbedingungen abgeschlossen wird ...", so die Argumentation der ARC-Anwälte. Aber: "Die vorliegende Beteiligung ist vom Grundsatz her nicht frei von Interessenkonflikten." (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.11.2007)