Ein Schritt näher am Abgrund, ein Schritt näher an der Lösung: Pakistans gefährliche Regimekrise ist mit dem von Pervez Musharraf organisierten Urteil des Verfassungsgerichts an einem Scheidepunkt angelangt. Der seit acht Jahren regierende Staats- und Armeechef kann nun "legal" eine zweite Amtszeit antreten - dieses Mal als ziviler Präsident. Denn von seiner in der Vergangenheit schon mehrfach angekündigten Selbstpensionierung als General kann er nun schwer wieder abrücken. Musharraf wird bald nur noch ein öffentliches Amt ausüben, wie es die Verfassung des Landes vorschreibt. Eine Forderung der Opposition ist damit erfüllt, der Weg zu einer Lösung der seit Monaten dauernden Krise frei. Theoretisch.

Viel hängt nun von Benazir Bhutto ab, der derzeit wohl stärksten Figur unter den Oppositionsführern. Boykottiert sie mit ihrer Pakistan People's Party die Parlamentswahlen im Jänner, gar noch im Verein mit der Muslim-Partei des mit ihr lange rivalisierenden früheren Regierungschefs Nawaz Sharif, ist Pakistans politischer Prozess am Ende. Ein neuer Putsch der Armee, vielleicht die Absetzung Musharrafs durch seine eigenen Generäle und die Einsetzung einer Junta wären denkbar.

Bhutto wird Musharraf als Präsidenten akzeptieren müssen, damit das Spiel weitergeht. Das ist eine schwierige, undankbare Aufgabe. Denn schließlich dehnt Musharraf, der Militärherrscher, der im Westen immer noch schulterklopfend als eine Art aufgeklärter Autokrat gebilligt wird, das Recht wie andere einen Expander im Fitnesssalon: Mit einer Verfassungsänderung verfügte der Präsidentengeneral, dass der von ihm verhängte Ausnahmezustand "von keinem Gericht infrage gestellt werden kann". Wie unter diesen Umständen ein ungehinderter Wahlkampf und schließlich freie Wahlen stattfinden sollen, ist schwer vorstellbar. Doch Bhutto hat einen Trumpf: Musharraf ist ein Auslaufmodell geworden, ein Präsident ohne Zukunft. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2007)