Wien - Zurzeit geben sich Skandinaviens Sängerinnen im Porgy & Bess die Klinke in die Hand: Auf die Dänin Caecilie Norby folgte die Norwegerin Kristin Asbjornsen, auf diese nun Landsfrau Solveig Slettahjell (sprich: "Schlettajell"). Der Boom nordischer Stimmen im Jazz ist ungebrochen, wobei bekanntlich nicht alles aus diesem Chor der Folk-inspirierten, Pop-affinen, sich gemeinhin durch kindhafte Klarheit und Direktheit auszeichnenden Stimmen auch Substanz besitzt.

Slettahjell hingegen, an der Musikhochschule in Oslo bei Sidsel Endresen ausgebildet, hat sich als Musikerin profiliert, die mehr zu bieten hat als ein hörerfreundlich-harmloses Organ und ein gut vermarktbaren Gesicht.

Mit ihrem am Dienstag im Porgy & Bess und also erstmals in Wien präsentierten "Slow Motion Quintet" zelebriert die 36-Jährige die Kunst entschleunigter Intimität, weltentrückter Nachdenklichkeit. Ein paar verhaltene Klaviertupfer (Andreas Ulvo Langnes), ein ebenso diskret die harmonischen Eckpunkte markierender Bass (Jo Berger Myhre), zarte Jazzbesen-Arbeit und sanft knuspernde Elektronik (Per Oddvar Johansen), eine gehauchte Jon-Hassell-Trompete (Sjur Miljeteig), wie sie seit Nils Petter Molvaer so gefragt ist - und darüber die warme, charismatische Altstimme Slettahjells: Beinahe jede Phrase wirkt an diesen reduzierten, FM4-tauglichen Kammerpop-Environments (deren Vermarktung als "Vokaljazz" fragwürdig ist) assoziationsbeladen, geborgt, und doch findet die Musik in der Ökonomie, im Nachdruck, mit dem vor allem Slettahjell jeden einzelnen Ton mit Bedeutung auflädt, mit dem sie Geschichten über Zwischenmenschliches erzählt, Selbstgespräche über das Existenzielle im Alltäglichen pflegt, zu eigener Qualität, zu einem Mehrwert gegenüber der bloßen Summe ihrer Teile.

Während die Solo-Nummern aus dem aktuellen Akustik-Album Domestic Songs, mit Slettahjell als eigener Piano-Begleiterin, doch etwas handgestrickt anmuteten, entfaltete ihre Stimme in den ausgezeichneten Arbeiten Pixiedust und Good Rain (alle: ACT Music/Edel) entnommenen Song-Miniaturen wie "Milo" oder "Don't Look Back" betörende Wirkung. Die nächste Skandinavierin, bitte! (Andreas Felber / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2007)