Der Historiker Steven Beller, geboren in England, lebt derzeit in Washington. Zu seinen Werken gehören eine Biografie Franz Josephs, eine Geschichte der Juden in Wien und eine 2007 erschienene "Geschichte Österreichs" (Böhlau-Verlag).

Beller über eine Gesamtwertung Otto von Habsburgs im Standard-Gespräch: "Ich denke, Otto hat das Beste aus seiner Situation gemacht. Insgesamt war er erfolgreich, indem er das tat, was die Habsburger vor ihm tun hätten sollen und die Einigung Europas förderte. Wahrscheinlich übertreibt er seinen Beitrag dazu, aber er war nicht ganz ohne Einfluss. Er hat außerdem zu einem gewissen Grad zum Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa beigetragen. Er war ebenso ein Verfechter der Osterweiterung der EU und auch da sehr erfolgreich.

"Die Tatsache, dass er nicht Kaiser wurde - das ist etwas, worüber wir uns keine Sorgen machen sollten. Ich glaube aber, dass er sich da auch keine Sorgen macht, denn er hat die Lektionen der Geschichte verstanden."

Tatsächlich gäbe es "manchmal sehr intelligente Habsburger und ich denke, Otto ist einer von ihnen. Ich unterstütze nicht seine politischen Positionen. Er ist sehr, sehr konservativ. Bei aller seiner Leistung für die europäische Einigung würde ich politisch nicht sehr mit ihm übereinstimmen. Sogar Leute auf der linken und liberalen Seite müssen vernünftige Politik anerkennen, auch wenn sie von Konservativen kommt. Otto hat sehr gut gelernt, dass das imperiale Modell im modernen Zeitalter nicht sehr gut funktioniert. Aber das übernationale Staatsmodell ist immer noch gültig als ein potenzielles Modell aus dem Erbe der Habsburger." Das habe Otto mit seiner Propagierung der EU-Erweiterung gezeigt.

Das Habsburgerreich - ein potenziell gutes Modell, das verspielt wurde? Beller: "Um aus dem alten Habsburgischen Reich im Zeitalter des Nationalismus einen funktionierenden multinationalen Staat zu machen - hätte man einen wirklich intelligenten Mann mit einer intellektuellen Breite gebraucht." Einer der großen Ursachen für die Tragödie Zentraleuropas sei gewesen, dass Franz Joseph es nicht verstand, durch Liberalisierung und andere Machtverteilung den wachsenden Nationalismus aufzufangen.

Die Entscheidung, Serbien 1914 den Krieg zu erklären, erinnere an die Aktionen der USA nach 9/11: "Natürlich hat Serbien provoziert, aber manchmal macht es Sinn, auf so etwas nicht auf eine gewaltsame Art zu reagieren. Österreich hätte sich zurückhalten können. Die Entscheidung war auf Ehre und Prestige gegründet. Das war Franz Josephs Ethos." (rau/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.11.2007).