Otto von Habsburg, Sohn des letzten Kaisers von Österreich, demnächst 95, ersetzte den Traum vom Kaiserreich durch den Traum von Europa und blieb dabei (trotz teilweise recht reaktionärer Ansichten) letztlich auf der richtigen Seite der Geschichte.

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Wien - Am 20. November, seinem 95. Geburtstag, wird sich Otto von Habsburg im bosnischen Banja Luka aufhalten, mit Anreise über Sarajewo, wo 1914 alles begann. Vorher wird der Jubilar mit in Wien beim Bundespräsidenten Heinz Fischer zu Kaffee und Kuchen in der Hofburg sein. Als in Österreich Anfang der Sechzigerjahre der Kampf um die "Verzichtserklärung" Habsburgs und seine Einreise tobte, war Fischer sozialistischer Studentenfunktionär. Die Republik hat ihren Frieden geschlossen mit Habsburg. Einigen Anteil daran hat auch Otto von Habsburg selbst, der es im Zuge eines langen, langen Lebens von einer Hassfigur der Linken zu einer nicht nur in erzkonservativen, reaktionären Kreisen anerkannten Persönlichkeit gebracht hat.

Der Sohn Kaiser Karls I. (politisch des "Letzten") und Großneffe von Franz Joseph wurde von seiner Mutter Zita im Exil für den Thron vorbereitet. Briefe seines Adjutanten (etwa an den großen Schriftsteller Josef Roth, dem er im Exil persönlich zuredete, mit dem Trinken aufzuhören) beginnen mit: "Seine Majestät, der Kaiser ..."

In einem Interview mit dem Autor sagte er einmal, bis 1938, bis zur Okkupation Österreichs durch die Nazis, habe er Kaiser werden wollen. Danach nicht mehr. Otto versuchte aber trotzdem, intensiv in die Politik einzugreifen. Angesichts der Bedrohung durch Hitler forderte er (vergeblich) Kanzler Schuschnigg auf, ihm als Regierungschef Platz zu machen. Im Exil benutzte er seine persönlichen Begegnungen mit US-Präsident Roosevelt und dem britischen Premier Churchill, um für Österreich einen Sonderstatus herauszuholen. Dass Österreich als "erstes Opfer Hitlers" anerkannt wurde, entsprang aber sicher auch dem Wunsch der Alliierten, das Land von Deutschland zu trennen.

Von Anfang an setzte sich Habsburg für die Einigung Europas und für die Osterweiterung ein. Der Traum vom Kaiserreich wurde sozusagen durch den Traum von Europa abgelöst. Der aus der Monarchie stammende übernationale Gedanke war dabei sicher der Motor.

Echte politische Wirkung hatte Habsburg im Sommer 1989, als er mit einem geschickt eingefädelten "Paneuropa-Picknick" an der Grenze einen Strom von DDR-Bürgern aus Ungarn nach Österreich und damit den Zusammenbruch der DDR (mit-)auslöste.

Kein Zweifel, dass Otto Habsburg sehr, sehr konservative, ja fast reaktionäre politische Ansichten hat und zu, gelinde gesagt, missverständlichen Aussprüchen neigt. Aber in der großen Linie - der Einigung Europas unter der Einbeziehung Osteuropas - ist er auf der richtigen Seite der Geschichte geblieben.

Otto von Habsburg ist im Gespräch sehr optimistisch, dass sein ältester Sohn Karl sein politisches Vermächtnis fortführen wird: "Er wird das sehr gut machen." Karl wurde von Otto zu Jahresanfang offiziell zum "Chef des Hauses" ernannt. Kenner setzen aber eher auf seine in Schweden verheiratete und politisch tätige Tochter Walpurga.

Bleiben wird jedenfalls eine differenziertere Betrachtungsweise der Habsburger insgesamt. "Die kalte Sonne der Habsburger erlosch, aber es war eine Sonne gewesen", schrieb Josef Roth. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.11.2007)