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Deutsche-Bahn- Chef Hartmut Mehdorn fürchtet zwei herbe Niederlagen.

Foto: AP/Knippertz
Den Mantelkragen hochgeschlagen, die Schritte energisch - so eilt Hartmut Mehdorn dieser Tage nächtens zwischen dem Bahn-Tower am Potsdamer Platz in Berlin und seiner nahegelegenen Wohnung im Bezirk Tiergarten hin- und her. Denn wenn der Chef der Deutschen Bahn viel zu denken und verarbeiten hat, geht er gern zu Fuß.

65 Jahre alt ist er nun, seit 1999 Chef der Deutschen Bahn, aber so hart wie derzeit war sein Job noch nie. Weil Mehdorn bei den Tarifgesprächen nicht nachgeben will, drohen die Lokführer nun mit unbefristeten Streiks. Und die Fahrt der Deutschen Bahn an die Börse - Mehdorns größtes und wichtigstes Projekt - steht wegen des Widerstands der deutschen Sozialdemokraten praktisch vor dem Aus.

Eiserner Besen

Dabei hat die Privatisierung eines deutschen Traditionsunternehmens unter Mehdorns Führung schon einmal geklappt: 1997, nachdem er bei Airbus und Aerospace tätig war, brachte Mehdorn die Heidelberger Druckmaschinen, den Weltmarktführer im Bogenoffsetdruck, an die Börse. Auch für die Deutsche Bahn, den letzten Staatskonzern, hat Mehdorn stets Superlative parat: "Klassenbester" sei sie und "Logistik-Weltmeister" für Pakete ab 50 Kilogramm Gewicht. Unausgesprochen schwingt dabei stets mit, dass er es war, der der verschnarchten Bundesbahn im Eiltempo und mit eisernem Besen Beine gemacht hat.

100.000 Jobs wurden gestrichen, Kosten gedrückt, immer hatte Mehdorn den Börsengang fest im Blick, noch im März präsentierte er stolz das beste Jahresergebnis in der Geschichte der Deutschen Bahn.

Jetzt knabbert der hemdsärmelige Topmanager (3,1 Millionen Euro Jahresgehalt) an den Tiefschlägen der vergangenen Monate. Nur selten tritt der Bahn-Chef vor die Kameras, er lässt lieber seine Vorstände aufmarschieren. Er selbst geht aber mit GDL-Chef Manfred Schell geheim essen, um die vertrackte Lage zu sondieren.

"Ruf nach Mama"

Vor zwei Wochen zeigte sich, wie dünn das Nervenkostüm jenes Mannes ist, dessen Biografie "Diplomat wollte ich nie werden" heißt. Er bat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in einem Brief um Vermittlung im Streit mit den Lokführern. "Mehdorn ruft nach Mama Merkel", lauteten die höhnischen Kommentare, und die zweite Demütigung folgte auf den Fuß: Merkel lehnte eine Schlichtung ab.

Bis 2011 läuft sein Vertrag noch, ob Mehdorn bis dahin durchhält oder durchgehalten wird, ist nicht absehbar. Ein Denkmal hat er sich jedenfalls schon gesetzt: Den gigantisch-gläsernen Berliner Hauptbahnhof, auf den er oft mit dem Fernglas von seinem Büro blickt. Friktionsfrei lief auch dessen Bau nicht ab. Architekt Meinhard von Gerkan klagte die Bahn, weil Mehdorn - um Geld zu sparen - kurzerhand dessen Entwurf veränderte und billigere Flach- statt Gewölbedecken einziehen ließ. (Birgit Baumann, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.11.2007)