Peter Warta: Warum nicht die mögliche Gefahr in einen Kostenfaktor verwandeln?

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Zur Debatte um die Grüne Gentechnik: Wie sinnvoll sind staatliche Regulierungsbemühungen? Zur Erinnerung: Kommende Woche, am 21. November, tritt das WTO-Abkommen in Kraft, das Genmais-exportierenden Staaten das Recht zuspricht, Importe aus Ländern, die sich der Einfuhr genmanipulierter Produkte verweigern, mit Strafzöllen zu belegen. Österreichs Versuch, sich auf EU-Ebene gegen die teilweise Zulassung der Genmaissorten Mon810 und T25 zu wehren, ist Anfang des Monats in Brüssel gescheitert. Was jetzt?

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Das demnächst in Kraft tretende Strafzoll-Abkommen der Welthandelsorganisation WTO will seine Mitgliedstaaten zwar nicht hindern, Leben, Gesundheit und Umwelt zu schützen. Solche Schutzmaßnahmen dürfen aber nicht zur willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung anderer Länder dienen, in denen die gleichen Verhältnisse bestehen. Die Frage ist: Wer muss im Streitfall was beweisen?

Besonders heikel wird es dann, wenn die Gefährdung von Gesundheit und Umwelt nicht auf der Hand liegt, sondern nur nicht ausgeschlossen werden kann. Das ist nämlich bei Genmais der Fall. Er wird etwa in den USA seit vielen Jahren eingesetzt, ohne dass bisher Schädigungen bekannt geworden wären, die auf die genetische Veränderung der Pflanze zurückgeführt hätten werden können.

Da es sich bei den zulässigen Schutzmaßnahmen für Gesundheit und Umwelt um eine Ausnahme von der Regel des freien Warenverkehrs handelt, verlangte die WTO von den Ländern, die Einfuhrbeschränkungen für Genmais verfügten, zu beweisen, dass Genmais die Gesundheit tatsächlich gefährdet. Der Beweis konnte nicht gelingen. Die Gefahr besteht ja darin, dass man sie nur ahnt, aber nicht kennt. Da hängt natürlich leicht der Vorwurf in der Luft, dass Politiker irrationale Ängste hochspielen, die dazu missbraucht werden, den heimischen Bauern die Konkurrenz des billigeren Genmaises (der keine Schädlingsbekämpfungsmittel braucht, weil er resistent ist) und die Abhängigkeit von Lizenzverträgen zu ersparen. Genmais ist nämlich patentiert.

Solange Bewilligung oder Verbot der Einfuhr eine staatliche Angelegenheit sind und es genügend andere Beispiele speziell in Österreich dafür gibt, wie irrationale Ängste politisch instrumentalisiert werden, ist es schwer, dagegen zu argumentieren. Daher sollte man überlegen, ob sich die Beantwortung der Frage, wie gefährliche Genmais wirklich ist, nicht privatisieren ließe. Anstelle die Gefahr zum Anlass eines Verbotes zu machen, könnte man sie in einen Kostenfaktor verwandeln.

Wer sein Geld damit verdient, Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen, mit denen möglicherweise eine Gefahr verbunden ist, kann bei entsprechender gesetzlicher Regelung für Schäden, die aus dieser Gefahr entstehen, haftbar gemacht werden, auch wenn ihn kein Verschulden trifft. § 3 des Atomhaftpflichtgesetzes sieht z.B. eine solche "Erfolgshaftung" vor. Um sicher zu stellen, dass dieser Haftpflicht im Schadensfall auch entsprochen werden wird, wäre eine obligatorische Haftpflichtversicherung einzuführen, wie sie zum Beispiel bei Autos und Motorrädern selbstverständlich ist.

Das könnte auch mit gentechnisch veränderten Produkten funktionieren. Wenn der Importeur solcher Produkte verpflichtet wird, eine Haftpflichtversicherung über eine entsprechende Summe nachzuweisen, wäre nicht nur gewährleistet, dass, falls ein Schaden eintritt, auch Ersatz geleistet wird; wichtiger ist noch, dass das Problem des Beweises und der Bewertung des Risikos entpolitisiert und zu einer Angelegenheit zwischen Importeur und Versicherung würde. Die Kosten des Risikos würden vom Konsumenten (mögliche Gefährdung der Gesundheit) auf das Produkt (Versicherungsprämie) überwälzt. Der Preisvorteil des riskanten Produktes würde um diese Kosten vermindert. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die wirtschaftlichen Interessen von Versicherung und Importeur zu einer Prämie führen würden, die der Höhe eines möglichen Schadens und der Wahrscheinlichkeit seines Eintritts am ehesten entspricht. Deshalb könnte eine solche obligatorische Haftpflichtversicherung auch nicht so ohne Weiteres als willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung des Exportlandes und damit als unzulässiges Handelshemmnis angesehen werden. Freilich bleibt eine Reihe von technischen Fragen offen, die von Fachleuten beantwortet werden müssten. So vor allem die Ermittlung einer dem theoretischen Gefahrenpotenzial angemessenen Mindestversicherungssumme, die ja zusammen mit der Haftpflichtversicherung vorgeschrieben werden müsste; oder die Frist, nach deren Ablauf ein durch Genmais verursachter Gesundheitsschaden fairer Weise ausgeschlossen und die Versicherungspflicht daher aufgehoben werden kann. Aber das müsste machbar sein.

§ 1269 ABGB bezeichnet den Versicherungsvertrag als einen Glücksvertrag. Wir könnten unser Glück wenigstens versuchen. (Peter Warta, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.11.2007)