Wien - Pokern - online wie im richtigen Leben - ist derzeit der Boom im Glücksspielsektor. Allerdings bestreiten die Poker-Kasinobetreiber das. Nicht den Boom, von diesem leben sie. Vielmehr, dass dieser dem Bereich Glücksspiel zuzurechnen wäre. Pokern sei ein Geschicklichkeitsspiel, argumentieren Kartenkasinobetreiber.

Fakt ist, dass die Sache nicht eindeutig rechtlich geregelt ist. Im Glücksspielgesetz ist Poker nicht explizit genannt, auch in der Neufassung fehlt die Definition. Ursprünglich hätte das Finanzministerium Poker gerne vom Monopol erfasst, in der Novelle zum Glücksspielgesetz findet sich das Kartenspiel aber nun nicht mehr angesprochen. Bei den Casinos Austria beklagt man, dass gegen die private Konkurrenz - sehr große Pokerhallen stehen hierzulande beispielsweise in Wien oder Wiener Neustadt - nicht behördlich vorgegangen werde und beruft sich auf diverse Verwaltungsgerichtshofssprüche (Verstöße gegen das Glücksspielgesetz sind Verwaltungsvergehen).

Der Wiener Rechtsprofessor Heinz Mayer und der Anwalt Walter Schwartz haben zuletzt ein Gutachten im Auftrag des Wiener Kartenkasinobetreibers Peter Zanoni erstellt. In diesem argumentieren sie, dass Erfolg im Pokerspiel - es gibt Varianten wie "Texas Hold 'em" oder "7-Card Stud" - erstens hauptsächlich von der Geschicklichkeit der Spieler abhänge. Zweitens entspreche Poker dem im Gesetz verwendeten Begriff der "Ausspielung", weil es keinen "Bankhalter" gibt, gegen den Spieler spielen, sondern Spieler gegeneinander antreten.

Geschätzt 25.000 Menschen in Österreich spielen in ihrer Freizeit regelmäßig Poker, geschätzte zwei Dutzend betreiben es professionell. Fragt man passionierte Pokerspieler nach der Natur ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung (oder ihres Berufes) dann sagen viele: Es ist eine Mischung aus Glück und Geschicklichkeit. Gute Spieler "lesen" das Verhalten ihrer Gegner und wissen außerdem über die mathematischen Wahrscheinlichkeiten der diversen Blatt- und Spielkombinationen genauestens Bescheid. Denn wäre Glück maßgeblich, würden nicht immer dieselben Leute die großen Turniere gewinnen. Glück trete erst dann in den Vordergrund, wenn am Tisch gleich erfahrene Pokerspieler sitzen.

Einer der Shootingstars in der internationalen Pokerszene ist übrigens ein Österreicher: Niki Jedlicka, Anfang zwanzig, auch bekannt unter dem Nom de guerre "KaiBuxxe", spielt um die höchsten Einsätze weltweit mit. Er habe online Abermillionen Dollar beim Pokern gewonnen, heißt es in der Szene.

In der Pokerwelt höchste Anerkennung genießt übrigens eine junge Dame aus Norwegen, die bis vor kurzem in ein heimisches Kasino nicht einmal hineingelassen worden wäre: Die 19jährige Annette Obrestad (im Internet: "Annette_15") gewann als erste Frau und jüngste Spielerin überhaupt ein World-Series-Turnier im September in London. Sie verblüffte die Fachwelt, indem sie im Juli 2007 in einem Online-Turnier 180 Gegner besiegte, nur durch Gegnerbeobachtung. Sie blickte ein einziges Mal auf ihre eigenen Karten. (szem, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.11.2007)