Die Meinungen der LehrerInnen sind gespalten, der Nachwuchs ist sich allerdings einig: Die geplanten Schulversuche werden so nicht funktionieren, meinen Lehramtsstudierende im Gespräch mit derStandard.at. Dennoch würden sowohl die zukünftigen Pflichtschul- als auch AHS-LehrerInnen daran teilnehmen.

Auf Wien vergessen

Die jetzige Regelung sei schwer umsetzbar und hindere den Reformprozess, befürchtet Susanne Thoma, Studierende und ÖH-Vorsitzende an der Pädagogischen Hochschule Wien. Was für sie an der Einigung überhaupt nicht nachvollziehbar ist: "Bei den Modellregionen wurde auf Wien vergessen. Dabei wäre gerade in einem Ballungszentrum die Gesamtschule wichtig."

Der Meinung ist auch ihr Kollege Viktor Jugovic: "Hier treffen alle Bildungsschichten aufeinander. Wien ist ja geradezu prädestiniert für einen Gesamtschulversuch." Aus diesem Grund versage das jetzige Modell, das nur Versuche für Burgenland, Kärnten, Steiermark und Salzburg vorsieht, komplett. Außerdem versteht er die Angst der AHS-LehrerInnen vor der Gesamtschule nicht: "Die sind die letzten, die sich beschweren sollten. Wenn die von pädagogischer Vernunft sprechen, muss ich lachen", ist Jugovic verärgert.

"Bananenrepublik" Österreich

Dass über die Einführung der Gesamtschule überhaupt noch diskutiert wird, und diese noch jahrelang getestet wird, ist für ihn nicht verständlich: "In ganz Europa ist die Gesamtschule schon etabliert und etliche Studien bestätigen uns ein schlechtes Schulsystem. Wieso überlegen wir dann in Österreich noch?" In Sachen Bildung sei Österreich eine "Bananenrepublik".

Als kontraproduktiv bezeichnet die Vorsitzende Thoma die personalpolitischen Argumente der AHS-LehrerInnen: "Hier geht es nicht ums Gehalt, sondern úm die Bildung der Kinder." Jugovic weist daraufhin, dass PflichtschullehrerInnen nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch erziehen: "Warum sollten wir dann so viel weniger verdienen?" Die Personalpolitik solle jedenfalls außen vor gelassen werden.

Endlose Projektphase

Dass es den AHS-LehrerInnen ums Geld geht, glaubt Christian, Lehramtsstudent an der Uni Wien, nicht: "Die Befürchtung, die ich unter meinen KollegInnen wahr genommen habe, ist, dass wir in der Gesamtschule dann mehr Fächer unterrichten müssen, als wir eigentlich absolviert haben", so der Geschichte- und PP-Student.

Den AHS-LehrerInnen, die sich vor der Gesamtschule verschließen, kann er sich nicht anschließen. "Dass es Schulversuche geben wird, ist zwar eine gute Entwicklung. Allerdings besteht die Gefahr, dass man in der Projektphase stecken bleibt und die Gesamtschule nie umgesetzt wird", so Christian. Dennoch würde er gerne an einem dieser Schulversuche unterrichten, wenn er sein Studium abgeschlossen hat.

Auch die PH-Studierenden Thoma und Jugovic wären bei einem Schulversuch dabei: "Das ist unsere Chance, etwas zu verbessern!" Beide hoffen, dass die "Neue Mittelschule" doch noch in Wien getestet wird. Wie es nach der Testphase weitergehen wird, kann niemand der drei künftigen LehrerInnen sagen. Für unwahrscheinlich halten jedoch alle, dass die Gesamtschule danach gleich eingeführt wird. (lis/derStandard.at, 7. November 2007)