Vielleicht sind sie nicht besonders ehrgeizig, vielleicht ist es ihnen aber einfach auch nicht so wichtig, wenn im Zeugnis ein Vierer steht. Weil das Locken und Strafen aus Brüssel ihr Problem nicht löst. Einige Westbalkanstaaten haben von der EU-Kommission ziemlich kritische Fortschrittsberichte überreicht bekommen. So hat etwa Mazedonien - die größte albanische Partei boykottierte heuer monatelang das Parlament - keinen Termin für den Start der Beitrittsverhandlungen bekommen und bleibt trotz Kandidatenstatus mit Albanien, Montenegro, Serbien und Bosnien in der Warteschleife.

Mazedonien, Serbien und Bosnien sind paralysiert durch die Krise um den ungelösten Kosovo-Status, weil in diesen Ländern ethnische Kriterien die politische Identitätsbildung noch immer dominieren und die Kosovo-Diskussion diese Ethnifizierung noch schürt. Deshalb gehen die Reformen nur schleppend weiter. Nur Kroatien hat es geschafft, sich aus diesem Post-Kriegs-Komplex zu emanzipieren, obwohl die Situation der Minderheiten dort auch nicht rosig ist und die eigene Vergangenheit auch geschönt wird. "Jetzt muss Serbien auch noch den letzten Kilometer zurücklegen", sagte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn aufmunternd. Für eine Unterschrift unter das fertige EU-Abkommen fehle nur noch die Auslieferung von vier Kriegsverbrechern. Nur noch. Die Hürden auf dem letzten Kilometer sind so hoch, dass das Ziel kaum zu sehen ist.

Denn erstens ist es - erst recht nach einer Unabhängigkeit des Kosovo - sehr unwahrscheinlich, dass unter Premier Vojislav Kostunica der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic nach Den Haag ausgeliefert wird. Und zweitens ist es möglich, dass bei den Präsidentschaftswahlen, die bis März nächsten Jahres über die Bühne gehen sollen, der Ultranationalist Tomislav Nikolic gegen Präsident Boris Tadic gewinnen wird. In dem Fall würde sich Serbien im Eilzugstempo von Europa entfernen. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2007)