Susan Kohn mit einem Bild des kurz vor 1900 errichteten Wohnhauses in der Linken Wienzeile 38.

Foto: Regine Hendrich
Stolz ist Susan Kohn darauf, "dass das Haus in so einem guten Zustand ist". Und: "Es ist völlig unbelastet." Es sei nicht immer leicht gewesen, die nötigen Reparaturen zu finanzieren, "und reparieren haben wir immer müssen". Aber, auch mit Unterstützung des Denkmalamtes, habe man stets einen Weg gefunden. Die Herausgabe einer Münze sieht Kohn daher auch als Ehrung. Denn, so die rüstige, elegante, alte Dame, "wo sonst sind denn solche Häuser noch in Privatbesitz?"

Ab Mittwoch, sind die 100-Euro-Goldmünzen erhältlich, welche die Münze Österreich vom Haus an der Linken Wienzeile 38 geprägt hat. Das Haus wurde von Otto Wagner entworfen und kurz vor 1900 errichtet. Die Münze zeigt die markante Fassade mit den von Koloman Moser gestalteten Gold-Ornamenten, und den prächtigen Jugendstillift im Inneren des Hauses. Sie bildet den Abschluss der vierteiligen Serie "Wiener Jugendstil", die Auflage beträgt 30.000 Stück.

Der Jugendstil ist auch in Kohns Wohnung in Hietzing allgegenwärtig. Im Schlafzimmer hängt ein für die Zeit typischer Luster, hier stehen Nippes, dort ein Silberkännchen. Aber auch frühere und spätere Kunstepochen sind präsent. Kohn wohnt in einem von drei nebeneinander erbauten Adolf-Loos-Häusern – sie befinden sich ebenfalls in ihrem Besitz. Ob sie eine Sammlerin sei? Kohn lacht und verneint. Aber ihre Schwiegermutter sei "sehr kunstsinnig" gewesen. "Und sie hat alles gesammelt: Silber, Porzellan, Teppiche, Bilder." Das Wagner-Haus an der Wienzeile habe Cornelia Kohn, die ein Ledergeschäft führte, "1914 gekauft, vom Presseclub Concordia". 1916 mietete sich der Wiener Bank-Verein ein, der 1934 mit der Credit-Anstalt fusionierte. Diese wurde 2002 in die Bank Austria integriert, die bis heute eine Filiale in dem Haus führt. Während der Nazi-Zeit war im Erdgeschoß auch ein "Vegetarisches Speisehaus" zu finden, dokumentiert auf einer Fotografie, die Kohn aus einer Kommode fischt.

Flucht vor den Nazis

Wer zwischen 1938 und 1945 in ihren Häusern ein- und ausgegangen ist, haben die Kohns nicht miterlebt. Im Gegensatz zu anderen jüdischen Familien haben sie die Zeichen der Zeit erkannt und sind noch 1938 aus Wien weggegangen – die Schwieger-_eltern nach Südamerika, ihr Mann Alexander Kohn nach Amerika. Das Mobiliar, das Porzellan, alles habe man auf Reisen geschickt. Ein Teil sei beim Einpacken zerbrochen – "da soll meine Schwiegermutter gesagt haben, ‚Gott sei Dank, bevor wir alles mit einpacken müssen‘". Vieles hat die turbulenten Jahre aber unbeschadet überstanden.

Die Eltern von Alexander Kohn kehrten 1947 wieder nach Österreich zurück, die Immobilien wurden rückgestellt. Das Wagner-Haus sei "zwischenzeitlich von einem Nazi verwaltet worden, der der Familie aber schon vorher sehr zugetan war". Sie selbst – Susan Kohn wuchs in Wien-Alsergrund auf, ging 1938 zu einer Tante nach England und lernte ihren zukünftigen Mann in den USA kennen – hätten die Umstände erst 1970 wieder in die Heimat gebracht. Ihr Mann habe Probleme mit dem Herz gehabt, in Wien gab es die Häuser, und so seien sie zurückgekehrt. "Ich wollte ja nicht nach Wien. Aber ich habe dann Leute kennengelernt, über die American Women's Association, über die Hakoah." 1979 starb ihr Mann, und auch ihr zweiter Mann ist inzwischen verstorben. Ihre beiden Kinder und die Enkeln leben in den USA.

Und wie fühle sie sich heute hier? "Ich fühle mich wohl in Wien, sonst würde ich ja nicht dableiben." Zum Thema Entschädigungszahlungen meint Kohn: "Gott sei Dank, dass sie stattgefunden haben." Sie selbst habe keinen Antrag gestellt: "Ich muss nicht, und ich wollte nicht mehr daran rühren. Aber ich verstehe jeden, der es tut – ich habe auch für Freunde eingereicht."(Alexia Weiss/DER STANDARD – Printausgabe, 6.11.2007)