Ich besuchte Pakistan während einer etwas turbulenteren Woche. Der im Exil lebende ehemalige Ministerpräsident Nawaz Sharif versuchte in dieser Zeit seine Rückkehr, wurde jedoch umgehend wieder ins Exil verfrachtet. Die Welt rechnete mit einem politischen Erdbeben, aber das Leben im Land ging ruhig weiter.

Das politische Erdbeben blieb aus, weil sich die pakistanische Elite der Modernisierung verschrieben hat. Unter der Führung von Ministerpräsident Shaukat Aziz, einem ehemaligen Mitarbeiter der Citibank, kam es in Pakistan zu dramatischen Strukturreformen, wodurch man an den Erfolg der führenden Schwellenökonomien anschließen konnte. Dies erklärt das hohe Wirtschaftswachstum.

Pakistan ist für Außenhandel und ausländische Investitionen offen. Und ebenso wie der Erfolg ausgewanderter Inder in Amerika deren Landsleute in Indien beflügelte, zieht auch Pakistan Nutzen aus seinen erfolgreichen im Ausland lebenden Bürgern.

Diese Öffnung gegenüber der Modernität geht allerdings über die Bereiche Wirtschaft und Finanzen hinaus. Obwohl in tausenden Koranschulen immer noch unterrichtet wird und der islamische Fundamentalismus eine starke Basis hat, ist es ihm nicht gelungen, die grundlegende Struktur der pakistanischen Gesellschaft zu verändern.

Eine Beobachtung an der LUMS, der führenden Privatuniversität in Lahore, machte mir Mut: die Kleidung der Frauen. Als ich als junger Mann in den 1960er-Jahren Universitäten in Malaysia besuchte, trugen nur wenige malaysische Frauen den Hidschab. An genau diesen Universitäten tragen ihn heute fast alle. Im Gegensatz dazu waren an der LUMS (die von der Atmosphäre her etwa der Harvard Business School entspricht) nur etwa fünf Prozent der weiblichen Studenten mit dem Hidschab bekleidet. Ein bemerkenswerter Ausdruck sozialer Freiheit.

In Pakistan explodierte auch die Zahl freier Medien. In erstaunlich vielen pakistanischen Fernsehsendern wird offen über die Aktivitäten Sharifs und der früheren Ministerpräsidentin Benazir Bhutto berichtet. Zahlreiche Elemente einer offenen Gesellschaft haben sich also etabliert, einschließlich einer unabhängigen Justiz - wovon sich die Welt im März dieses Jahres überzeugen konnte. Die Wiedereinsetzung eines von den Generälen gefeuerten Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, wie dies Pervez Musharraf damals verfügte, wäre in Myanmar völlig undenkbar. Ganz zu schweigen von Demonstrationen zugunsten des Gerichtspräsidenten.

Natürlich herrscht in Pakistan auch viel stillschweigender Unmut über den breiten Raum, den das pakistanische Militär in Politik und Wirtschaft einnimmt. Und es besteht die Gefahr eines Rückschlags, wenn das Militär nicht bereit ist, der Zivilgesellschaft mehr Raum zuzugestehen. Ich traf zahlreiche pensionierte Armeegeneräle, die Spitzenpositionen bekleiden. Glücklicherweise schienen sie mir allerdings vom Naturell her eher wie Colin Powell zu sein und weniger wie Than Shwe oder Maung Aye, die beiden stramm militaristischen Machthaber Myanmars, die das Land von der Außenwelt abgeschnitten haben.

Auch die amerikanische Entscheidung, Pakistan nicht zu isolieren, sondern einzubinden, war hilfreich. Ich zweifle nicht daran, dass das erneute und intensivere amerikanische Engagement dazu beitrug, Pakistan in die richtige Richtung zu bewegen. Viele Mitglieder der pakistanischen Elite wurden an amerikanischen Universitäten ausgebildet - ein weiterer wichtiger Hinweis auf die allgemeine Ausrichtung des Landes. Man stelle sich vor, wie anders sich die internationalen Beziehungen gestalten würden, wenn hochrangige Vertreter Amerikas Burma/Myanmar (oder sogar den Iran) ebenso einfach besuchen und dort freundliche Gespräche über Übereinstimmungen und Widersprüche führen könnten ... (DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2007)