Karin Hammer (OMD), Präsidentin des IAB (Internet Advertising Bureau) Austria - Verein zur Förderung der Online Werbung.

Karin Hammer (OMD), Präsidentin des Internet Advertising Bureau (IAB) Austria, im Interview mit etat.at über die "Komplexität des Mediums Internet", zu wenige Experten in Österreich, zu hohe Erwartungen für den Bereich Video-Werbung, das Potenzial von Mobile Marketing, störende Overlay-Formate und die definierten Ziele des IAB. Die Fragen stellte Oliver Mark.

etat.at: Wie erklären Sie sich die Diskrepanz, dass ca. zwanzig Prozent der Mediennutzungszeit aufs Internet entfällt, aber nur zwei bis drei Prozent der Werbespendings? Wie kann diese Kluft verringert werden?

Hammer: Wenn Sie heute einem Kunden oder einem strategischen Planer die Frage stellen, aufgrund welcher Parameter der Onlineanteil des verfügbaren Budgets definiert wird, gibt es äußerst selten eine klare Antwort. Für die klassischen Medienkanäle gibt es gelernte Anforderungen hinsichtlich GRPs für jedes Kommunikationsziel, das ist über viele Jahre so praktiziert worden und wird wenig in Frage gestellt. Während sich das Medienverhalten in den letzten 10 Jahren durch das Internet rasant verändert hat, wurden diese Anforderungen nicht adaptiert – da müssen wir ansetzen, nicht als "Onliner", sondern im Sinne einer strategischen Planung, die Marketingziele bestmöglich erfüllt. Das Internet als Werbemedium ist vom Fair Share noch weit entfernt und so gesehen nach wie vor schwer unterschätzt.

Das hat aus meiner Sicht verschiedenste Gründe, einer ist die Komplexität des Mediums und die Vielfalt der Maßnahmen der Onlinewerbung, ein anderer ist die Tatsache, dass es in Österreich zu wenige Experten gibt, die diese vollständig konzertieren können. Es wurde in den letzten Jahren derart restriktiv mit Ressourcen für Onlineplanung umgegangen, dass Kunden oftmals allein aus Zeitmangel nicht optimal betreut werden konnten. Aber das ändert sich rasant, die großen Agenturnetzwerke haben auf internationalem Level die Bedeutung des Internets als Werbemedium erkannt, jetzt wird aufgerüstet. Wir haben das schon 2007 stark in den Spendings gespürt, 2008 wird sich dieser Trend entsprechend fortsetzen, so viel ist sicher.

etat.at: Österreich schneidet im internationalen Vergleich bei den Werbeausgaben, die ins Internet fließen, eher mäßig ab. Was sind die Ursachen?

Hammer: Wenn man sich genauer anschaut, was unsere Onlinespendings antreibt, sind das überwiegend internationale Kunden und wenige besonders onlineaffine Branchen. Das heißt die Forderung, mehr Werbebudget im Internet und anderen digitalen Kanälen zu investieren, kommt zur Zeit eher von Kundenseite aufgrund internationaler Strategien.

Aus meiner Sicht gibt es zwei Hauptgründe für die mäßige Entwicklung in Österreich: Den ersten können Sie in der letzten Frage nachlesen – die Ressourcenfrage. Das wird am deutlichsten im Bereich der KMU, die in Österreich ein sehr wichtiges Kundensegment sind und das Internet als Werbemedium bislang nur wenig wahrnehmen bis gar nicht einsetzen. Der zweite Grund ist mangelhaftes Schulungsangebot: Es gibt noch keine Fachausbildung, das vorhandene Angebot deckt die Bedürfnisse nur in Teilbereichen ab. Wir haben als Verband in den letzten Monaten mit Schulungsanbietern Gespräche geführt, um eine Verbesserung zu erreichen, das braucht Zeit, wir bleiben dran.

etat.at: Wie definieren Sie die Ziele des IAB für die nächste Periode und welchen Beitrag kann der IAB Austria für ein stärkeres Wachstum der Online-Werbung in Österreich leisten?

Hammer: Es wird in diesem Jahr eine bereits überfällige Erweiterung der Werbemittelstandards geben, das wird den Workflow vereinfachen. Die AG Research nimmt am 5.11. ihre Arbeit auf und wird Studien und nutzbare Services für den Arbeitsalltag als Thema haben, auch da werden wir einiges liefern was die Wichtigkeit des Internets als Werbemedium unterstreicht und die Planung vereinfacht.

Unser wichtigstes Vorhaben im Vereinsjahr 2008 ist die Organisation eines Onlinemarketing-Kongress als Leistungsschau der österreichischen Onlinewerbetreibenden. Wir wollen eine Plattform zum Wissensaustausch schaffen und werden dazu neben Österreichs Onlinewerbe-Profis auch renommierte internationale Keynote Speaker einladen. Den 29.05. sollten sich daher alle an digitalem Marketing Interessierten am besten gleich reservieren, am selben Abend werden die Web Ads im Rahmen einer Galaveranstaltung vergeben.

Mit all diesen Maßnahmen kann der IAB einen wichtigen Beitrag für ein stärkeres Wachstum der Onlinespendings leisten, zumal ja nach wie vor der Vorwurf "Online ist so kompliziert…" in den Köpfen der Entscheider existiert – das ist falsch, und wir müssen das laut kommunizieren.

etat.at: Welche Impulse erwarten Sie sich von der ÖWA Plus, wenn der Regelbetrieb dann im Gange ist und es valide Vergleichswerte der einzelnen Websites gibt?

Hammer: ÖWA Plus war ein wichtiger Schritt für die österreichische Onlinewerbung, eine einheitliche Planungswährung hat bisher in allen Märkten bei der Einführung für mehr Investitionsbereitschaft gesorgt. Wir hatten am 4.9. zu diesem Thema eine gemeinsame Podiumsdiskussion IAB und FMP, auf dieser Veranstaltung wurde sehr deutlich, was die letzte Hürde zum Tagesgeschäft mit ÖWA Plus Zahlen sein wird – die Anzahl der erfassten Medien. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das gemeinsames Projekt (--> siehe Artikel) von IAB Europe und EIAA – MIA (Measurement of Interactive Audience Project) mit dem Ziel valide und verlässliche Messmethoden auf lokaler und internationaler Ebene zu liefern.

etat.at: Der IAB setzt sich für standardisierte Werbeformate (IAB-Formate) ein. Halten sich die Medien daran, oder gibt es in diesem Bereich "großen Spielraum" für Sonderwerbeformate?

Hammer: Wie schon zu Anfang erwähnt, ist eine Erweiterung unserer Standards in Bearbeitung. Die Medien halten sich an unsere Standards, das ist ja kein auferlegter Zwang, sondern eine Vereinfachung für alle. Und natürlich gibt es Spielraum, das soll auch so sein und ist einer der großen Vorteile der Onlinewerbung in den kreativen Möglichkeiten.

etat.at: Crossmediale Werbekampagnen gelten als Erfolgsrezept. Welche Medien harmonieren ihrer Meinung nach besonders gut mit Online-Werbung?

Hammer: Das kommt natürlich auf die Kampagnenziele an, hinsichtlich Parallelnutzung zum Internet sind Hörfunk und TV Top. Das mobile Internet wird spannende Konzepte hervorbringen, man hat es schließlich immer dabei. Wenn dann noch eine Tarifentwicklung stattfindet, die die Nutzung von mobilen Portalen nicht mit Datenvolumskosten bestraft, wird Mobile Marketing als "Crossmedia-Wunderformel" boomen.

etat.at: Welche Werbeformate werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen? Wird Video-Werbung als Wachstumsmotor für die Online-Werbebranche fungieren?

Hammer: Es gibt erste Piloten, die die Effizienz einer Videoad-Kampagne im Web mit TV-Werbung vergleichen, Online schneidet in Sachen Impact nicht so gut, overall aber durch das Preis-Leistungsverhältnis sehr gut ab. Ich denke Video-Werbung im Web ist ein guter Einstieg in Internetwerbung für den "klassischen Werber", in Österreich hinkt das Angebot für multimedialen Content auf Medienseite noch etwas hinterher, aber auch da geht die Entwicklung rasant voran. Ich persönlich glaube nicht daran, dass Video Werbung "der große" Wachstumsmotor für die Online-Werbebranche ist, es ist ein Faktor, nicht mehr und nicht weniger.

etat.at: Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten für Handy-Werbung ein? Ist das technologisch schon so ausgereift, dass es funktioniert?

Hammer: Mobile Marketing wird das gleiche "Jammertal" durchwandern müssen wie Online Marketing das musste, vor allem in Österreich. Über welchen Teil der Handy Werbung reden wir? Über SMS Kampagnen oder die Auslieferung von Rich Media Formaten in Mobilen Portalen? Über die Möglichkeiten das Mobile als verbindendes Medium mittels Mehrwertnummern oder in Form von 2D Codes zu nutzen? Über werbliche Applikationen für das Handy? Ein breites und sehr spannendes Spektrum mit tollem werblichen Potential. Und ja, es ist ausgereift und funktioniert – was zum breitenwirksamen Einsatz der Handywerbung fehlt sind Zahlen, Standards und ausreichend Know How in Produktion und Maßnahmenplanung.

etat.at: Es ist ja ein schmaler Grat für Websites, sich auf der einen Seite rein über Werbung zu finanzieren und auf der anderen Seite User nicht zu "verärgern": Gibt es da ein Patentrezept? (Z.B. keine Pop-Ups oder Overlay-Formate)

Hammer: Das einzige Patentrezept, das mir einfällt, ist die Einhaltung der Richtlinien in Kombination mit der optimalen Nutzung der Targetinmöglichkeiten. Je genauer Werbung gesteuert wird, desto weniger wird sie UserInnen verärgern. Frequency Capping sollte für Overlay Formate generell Standard sein, es ist in Niemandens Interesse, ein Pop Up innerhalb eines Visits 10 mal zu sehen.

etat.at: Was erwarten/erhoffen Sie sich für die Online-Werbungsbranche durch die Fußball-EM und dem damit verbundenen Ansteigen der Werbeausgaben?

Hammer: Wir werden die Fußball-EM in den Onlinespendings sehr stark spüren, ich rechne mit einem enormen Wachstum für 2008. Meine Prognose – 4% Display only. SEM, E-Mail, Virale Kampagnen und Classifieds werden auch 2008 nicht durch Focus ausgewiesen und kommen damit für das Gros der Werbewirtschaft nicht vor.

etat.at: Welches Werbeformat ist Ihnen persönlich am liebsten und welches nervt Sie am meisten?

Hammer: Am meisten stören mich Overlays, die nicht den vom IAB definierten Spezifikationen entsprechen (funktionierender Schließen Button!) und ohne Frequency Capping ausgeliefert werden. Ich würde mir da von den Medien mehr Intervention wünschen, ein nicht den Spezifikationen entsprechendes Overlay Format sollte nicht On Air geschickt werden. (derStandard.at, 4.11.2007)