Bei Frankfurtern, Wurst- und Käsesemmeln wurde der Evaluierungsbericht über die Zugangsbeschränkungen diskutiert.

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Wien - Dienstag, fünf vor zwölf im Vorzimmer des Lokal Vier im Parlament. Für zwölf Uhr ist der Wissenschaftsausschuss angesagt. Die Damen und die Herren sind noch nicht eingetroffen. Dafür sorgen Frankfurter, Wurst- und Käsesemmeln für Ratlosigkeit. Ein Mitarbeiter des Parlaments möchte sie gerade in den Sitzungsraum bringen, ein anderer rätselt noch, ob der Snack denn für den Wissenschaftsausschuss vorgesehen ist. Ein kurzes Telefongespräch sorgt für Klärung – also rein mit den Würsten.

Langsam treffen auch die Mitglieder des Wissenschaftsausschuss ein. SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser ist einer der ersten: Ein freudiges "Tun wir jetzt zuerst essen – das ist eine gescheite Idee", kommt ihm über die Lippen, als er die kulinarische Aufwartung erblickt. Auf Punkt eins der Tagesordnung steht der Evaluierungsbericht über die Auswirkungen der Zugangsbeschränkungen und der Quotenregelung für das Medizinstudium. Um die 25 Mitglieder des Ausschuss haben an einem langen Tisch Platz genommen. Fernab von koalitionären Zwistigkeiten herrscht hier eine gemütlich-freundliche Atmosphäre. Und die Opposition ist in ihrem Element.

Mängel, Mängel, Mängel

Martin Graf (FPÖ), Obmann des Wissenschaftsausschusses, eröffnet die Debatte – und damit scheint auch das Eis für die hungrigsten Ausschuss-Mitglieder gebrochen zu sein. Die Frankfurter werden genüsslich verzehrt, währenddessen vermisst Niederwieser sozioökonomisch Aspekte im Bildungsbericht. Ihn würde etwa interessieren, wie sich die Vorbildung der Studierenden auf den Studienerfolg auswirkt und ob Kinder aus schwächeren sozialen Schichten benachteiligt werden. Der grüne Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald findet den Bericht "extrem peinlich". Die daraus gewonnenen Erkenntnisse seien ihm "zu wenig". Weshalb Frauen bei den Eignungstests für Medizin benachteiligt würden, gehöre noch genauer hinterfragt, moniert Grünewald. Die Evaluierung habe nichts mit Wissenschaft zu tun. Dass nur 16 StudentInnen befragt wurden - davon zehn männliche und sechs weibliche – sei nicht repräsentativ. Die teilweise stark reduzierten Studienanfängerzahlen seien ebenfalls ungenügend analysiert worden, wettert Grünewald weiter.

MitarbeiterInnen der PolitikerInnen haben auf Bänken, die rund um die "Diskussions-Tafel" angeordnet sind, Platz genommen. Geschäftig tippen sie in ihre Laptops und lassen ihre Mobiltelefone nicht aus den Augen. Die Frankfurter bleiben ihnen nicht verwehrt. Auch die einzige anwesende Journalistin darf das Geschehen von den Bänken aus betrachtetn.

Chaos an den Unis

Melitta Trunk, SPÖ-Abgeordnete, kritisiert die mangelnde Qualität von Lehrveranstaltungen und das Chaos an manchen Universitäten. Dass ein Evaluierungsbericht immer verbesserungswürdig sei, sagt die ÖVP Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek. Dass Chaos an den Universitäten herrscht, weist sie jedoch scharf zurück.

Dass so viele österreichische Studierende vom Medizinstudium abgehalten würden, obwohl sie die Voraussetzungen dafür erfüllen – nämlich die Matura – kritisiert Graf. Auch ihm scheint der Evaluationsbericht nicht besonders zu gefallen: "mangelhaft und daher nicht aussagekräftig", sei dieser.

Während der Debatte sucht der Wissenschaftsminister Blickkontakt zu einem seiner Mitarbeiter. Dieser kommt sogleich unauffällig zum Tisch, lässt sich etwas ins Ohr flüstern und nimmt dann wieder Platz.

Herr/Frau Oberhauser

Schließlich erteilt der Obmann Graf einen Herrn "Oberhauser" das Wort. Es meldet sich die Abgeordnete Sabine Oberhauser von der SPÖ. Der Fauxpas sorgt kurz für Gelächter, und weiter geht's.

Oberhauser weist darauf hin, dass viele ausgebildete Ärzte nicht mehr ans Krankenbett gehen wollen, sondern sich lieber anderen Tätigkeiten, etwa im Wellnessbereich, zuwenden. Es sei schwierig den tatsächlichen Ärztebedarf abzuschätzen.

Ohne Quote gäbe es 8.000 StudienanfängerInnen in Medizin, wovon 6.000 aus Deutschland kämen, verteidigt Wissenschaftsminister Johannes Hahn die Quotenregelung. Informationen über die sozioökonomischen Hintergründe erwartet sich Hahn von einer Studie die er bei der Bildungspsychologin Christiane Spiel in Auftrag gegeben hat. Vor allem soll bei Spiels Untersuchung dem Phänomen des Geschlechterungleichgewichts bei den Eignungstests für Medizin (EMS-Test) auf den Grund gegangen werden.

Frauenfeindlicher EMS-Test

Für diese Problematik hat BZÖ-Wissenschaftssprecher Gernot Darmann scheinbar weniger Verständnis, schließlich würden ja auch die Frauen in Ländern wie der Schweiz, wo der EMS-Test entwickelt wurde, nicht schlechter gestellt. "Den EMS anzuwenden, wissend dass er frauenfeindlich ist, wäre ein schwerer Fehler", kontert Grünewald.

Nach langer Debatte kommt von Niederwieser doch noch Lob für den Bericht, "in dem viel drinnen steht". Dass nur 16 Interviews durchgeführt wurden – könne unter bestimmter Zielsetzung durchaus legitim sein – dann wenn etwa längere, in die Tiefe gehende Gespräche durchgeführt werden.

Der Evaluationsbericht wird vom Ausschuss letztendlich angenommen. Und der Duft von Frankfurtern ist aus dem Lokal Vier im Parlament mittlerweile kaum mehr wegzudenken. Die weitere Tagesordnungspunkte - etwa die Verlängerung der Zugangsbeschränkungen - werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert. Die Journalistin muss die illustre Runde nach eineinhalb Stunden wieder verlassen. (Katrin Burgstaller, 31. Oktober 2007,derStandard.at)