Migrationsforscher und Sozialwissenschafter Michael Jandl

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Pfusch ist, wie eine Umfrage der EU-Kommission jüngst zeigte, besonders in Österreich ein akzeptiertes Phänomen. Fast eine halbe Million Österreicher hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr schwarz gearbeitet. Dennoch soll der Pfusch heuer voraussichtlich von 21,2 Milliarden leicht auf 21 Milliarden Euro zurückgehen, hieß es in einer Studie des Linzer Volkswirtschaftsprofessors Friedrich Schneider zu Jahresbeginn. Die Zahl der "Vollzeit-Inlands-Schwarzarbeiter" ist seit 1995 kräftig angestiegen, ging seit letztem Jahr jedoch um 7000 zurück. Die Anzahl der illegalen ausländischen Beschäftigten erhöhte sich hingegen: Im selben Zeitraum stieg sie von 75.000 auf 97.000 Personen, geht aus der Schneider-Studie hervor.

 

Auch Migranten finden also ihr Auskommen in der Schattenwirtschaft. Wer kennt sie nicht, den polnischen Bautrupp, die slowakische Pflegerin, die rumänischen Erntehelfer, die bosnische Reinigungsdame, die Freunde und Bekannte weiterempfehlen. Der Migrationsforscher Michael Jandl befasst sich in einem vom FWF (Wissenschaftsfonds) finanzierten und vom ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) durchgeführten, kurz vor dem Abschluss stehenden Forschungsprojekt mit dem Thema "Migration und illegale Beschäftigung". Regina Bruckner erklärt er, warum illegale Beschäftigung nicht so leicht aus der Welt zu schaffen sein wird, in welchen Branchen sie sich vor allem abspielt und wieso die Akzeptanz sehr hoch ist.

derStandard.at: Sie beschäftigten sich in einer Studie mit dem Thema Migration und illegale Beschäftigung in Österreich. Welchen zentralen Fragen sind Sie nachgegangen?

Michael Jandl: Wir beschäftigen uns vor allem mit folgenden Fragen: Was sind die Gründe und Ursachen für "illegale Ausländerbeschäftigung" in Österreich? Wie ist der Umfang, die Natur und die Dynamik solcher verborgenden Aktivitäten, die so weit verbreitet und schädlich für Wirtschaft und Gesellschaft zu sein scheinen, von Politikern und Öffentlichkeit einhellig verurteilt werden und doch mitten unter uns munter florieren können? In welchen Sektoren und Branchen ist sie am meisten verbreitet und warum dort und nicht woanders? Wer sind die "illegalen Arbeiter", wie leben sie, was sind ihre Motive, Erfahrungen und Zukunftsperspektiven?

derStandard.at: In welchen Branchen "floriert" denn illegale Beschäftigung in Österreich am besten?

Jandl: Nachdem illegale Ausländerbeschäftigung im Verborgenen geschieht, gibt es dazu naturgemäß nur indirekte Hinweise. Hier haben wir einerseits eine sogenannte Delphi-Studie in der rund 35 Experten ihre Einblicke und Erfahrungen diskutieren und diese weist vor allem auf die Wirtschaftsbranchen Bau, Gastwirtschaft, Tourismus und Landwirtschaft hin, sowie vor allem die vielen Dienstleistungen in privaten Haushalten wie Kinder- und Altenbetreuung, Putzen, Renovieren oder Gartenarbeit. Diese Einschätzungen wurde auch in vielen Interviews mit illegal beschäftigten Migranten widergegeben.

derStandard.at: Warum genau in diesen Branchen?

Jandl: Branchen, die keine hochspezialisierten Arbeitskräfte brauchen und wo die Sprache nicht so wichtig ist, eignen sich besser. Gefragt sind diese Arbeitskräfte auch in den stark saisonal geprägten Branchen, oder dort, wo monotone, schwere Arbeit gefragt ist, etwa in der Landwirtschaft oder beim Garage ausräumen. Im Innenausbau ist dann zwar schon Spezialistentum nötig, aber keine formale Ausbildung.

derStandard.at: Ein Grund für irreguläre Arbeit ist vermutlich für die, die Produkte und Dienstleistungen daraus "konsumieren" der Kostenvorteil. Wie hoch ist das Ausmaß?

Jandl: Eine generelle Schlussfolgerung aus dem Forschungsprojekt besteht darin, dass es vor allem der Kostenvorteil durch Nichtabführen von Steuern und Abgaben ist, die den Hauptgrund für irreguläre Arbeit darstellt. Die Löhne variieren dabei sehr stark, je nach Qualifikation, Branche und Arbeit, zwischen fünf und 15 Euro, aber alles brutto für netto. Verglichen mit regulären Löhnen ist der Kostenvorteil also mindestens 50 Prozent.

derStandard.at: Vermutlich profitieren auch die Menschen, die aus den Nachbarländern kommen, um illegaler Beschäftigung nachzugehen, weil sie eben offizieller Beschäftigung nicht nachgehen dürfen. Welche Folgen hat das langfristig?

Jandl: Aufgrund des höheren Lohnniveaus in Österreich sind eben viele Migranten auch bereit die Nachteile der illegalen Beschäftigung auf sich zu nehmen – keinen Versicherungsschutz bei Krankheit oder Unfall, keinen arbeitsrechtlichen Schutz, keine Arbeitsplatzsicherheit und auch nur sehr beschränkte Aufstiegsmöglichkeiten. Viele wollen daher auch aus der Illegalität raus und in reguläre Beschäftigung wechseln, vor allem, wenn sie nicht mehr ganz so jung sind und an Kinder und die Pension denken.

derStandard.at: Wie stehen da die Chancen?

Jandl: Die meisten wissen, dass die Chancen gering sind, zum Beispiel bei Saisonarbeit oder am Bau. Aber wir haben sehr viele junge Leute gefragt. Da sind viele Studenten darunter. Diese haben oft starke Motive weiter zu kommen und machen nebenher einen Sprachkurs oder eine Ausbildung. Wenn sie im Pflegebereich oder in der Altenbetreuung tätig sind, möchten sie schon irgendwann in einem Krankenhaus arbeiten. Es kommt auf die Perspektive der Menschen an.

derStandard.at: Hat die Ostöffnung einen deutlichen Zuzug in diesem Segment aus den neuen Mitgliedsstaaten Polen, Ungarn, Slowakei, Tschechien gebracht?

Jandl: Die Ostöffnung Anfang der 1990er hatte einen deutlichen, wenn auch nicht überwältigenden Zuzug aus den mitteleuropäischen Nachbarländern gebracht, der großteils auf den irregulären Arbeitsmarkt drängte. Die EU-Erweiterung 2004 mit den Übergangsfristen am Arbeitsmarkt hat dann kaum mehr zu verstärktem Zuzug geführt, da die Nachfrage schon gut abgedeckt war.

derStandard.at: Stichwort Übergangsfristen: Sie sollen auf dem regulären Arbeitsmarkt Schutz bedeuten. Hat sich durch das Auseinanderklaffen von Niederlassungsfreiheit und Beschränkung auf dem Arbeitsmarkt die Grauzone auf dem irregulären Arbeitsmarkt erhöht?

Jandl: Ja, die Grauzone hat sich sicherlich erhöht. Heute reicht es nicht länger aus, die Ausländerbeschäftigung in "legale" und "illegale" Formen zu unterteilen, da sich in den letzten Jahren immer neue Formen von "halb-legalen", "quasi-legalen" und anderen Mischformen entwickelt haben, die im Widerspruch zu bestehenden Arbeits-, Steuer- oder Gewerberecht stehen. In unserem Forschungsprojekt nehmen wir daher auch eine empirische Klassifikation von "irregulärer Arbeit von Migranten" in insgesamt zehn Hauptformen vor – das reicht von "klassischer" Illegalität bis hin zu "Scheinselbständigkeit".

derStandard.at: Diese Grauzone ist bekannt. Ist sie auch akzeptiert?

Jandl: Naja, man weiß, wie das läuft und wo es läuft. Bei der Kiab (Kontrolle der illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung) und im Finanzministerium weiß man viel. Es ist dann halt die Frage, kann man damit leben? Das ist eine Frage des politischen Willens. Und es hängt auch mit der österreichischen Wirtschaftskultur zusammen. Man weiß ja, dass in Österreich viel an der Steuer vorbeigeht. Die Feigheit der Politik äußert sich etwa in der Pflegedebatte. 3.500 Euro pro Monat für einen Pfleger aufzubringen zum Beispiel, dafür muss man erst einmal Leute finden, die sich das leisten können. Die Scheinheiligkeit besteht darin, nach außen hin bekämpft man Dinge und nach innen lebt halb Österreich damit.

derStandard.at: Die Bluecard wurde dieser Tage vorgestellt. Ist sie die Lösung? Und wenn ja unter welchen Voraussetzungen?

Jandl: Nein, die sogenannte "Blue Card" zielt nur darauf ab, mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte nach Europa zu bringen, ist aber nicht für niedrigqualifizierte, schlecht bezahlte Arbeiten anwendbar. Letztendlich wird irreguläre Ausländerbeschäftigung sowohl von der Verfügbarkeit von irregulären Migranten, die bereit sind, schmutzige, anstrengende Jobs für wenig Geld zu leisten, determiniert, als auch durch die beträchtliche und anhaltende Nachfrage nach billigen irregulären Arbeitskräften in vielen Branchen. Das Angebot wird es immer geben, wenn nicht mehr aus Polen, dann aus der Ukraine oder Georgien. Es geht also um die anhaltende Nachfrage nach irregulären ausländischen Beschäftigten. Und hier wird man mit Strafen alleine auch nicht viel erreichen, sondern muss sich auch steuerlich etwas einfallen lassen um die richtigen Anreizsysteme zu setzen.(derStandard.at, 30.10.2007)