Benke über den Entwurf: "Er ist von der Absicht getragen, möglichst keine Konkurrenzfigur zur Ehe zu schaffen, sondern die Ehe als die primäre und optimale Organisations- und Legitimationsform partnerschaftlichen Zusammenlebens bestehen zu lassen".

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Justizministerin Maria Bergers Entwurf für ein "Lebenspartnerschaftsgesetz" soll - ausschließlich - gleichgeschlechtlichen Partnern eine eigens definierte, an die Ehe angelehnte standesamtliche Bindung ermöglichen. Von einer "Ehe" ist nicht die Rede - was Konservative erfreut und Liberale erzürnt. Warum der Text von der Absicht getragen ist, möglichst keine Konkurrenzfigur zur Ehe zu schaffen, in welchen Bereichen in Österreich Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften bestehen und wieso Bergers Vorstoß ein wichtiger Impuls für die weitere Enttabuisierung von Homosexualität ist, darüber sprach Nikolaus Benke mit derStandard.at. Die Fragen stellte Anita Zielina.

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derStandard.at: Ist es sinnvoll, ein "Sondergesetz" für homosexuelle Partnerschaften zu erlassen – hätte man den Entwurf nicht besser ohne Hinweis auf das Geschlecht der Partner formulieren sollen?

Benke: Frankreich hat 1999 mit dem Pacte civil de solidarité (PACS) eine Form der PartnerInnenschaft eingerichtet, die auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen steht. Im Sinne gesellschaftspolitischer Vielfalt, individueller Wahlfreiheit und vor allem auch der Gleichbehandlung von homosexuellen und heterosexuellen Menschen überzeugt das PACS-Konzept mehr als die nun in Österreich angepeilte Lösung.

derStandard.at: "Ehe" wird das Modell wieder nicht heißen – ein Wermutstropfen?

Benke: Gewiss ist nicht gleichgültig, welchen Namen solch ein Institut trägt, denn Sprache schafft Welt. Sollte es tatsächlich Ehe heißen, dann müsste man wohl das bestehende Institut der Ehe für PartnerInnen gleichen Geschlechts öffnen – womit das jetzt vorgeschlagene Gesetz aber obsolet wäre.

Der vorliegende Gesetzesentwurf zeigt einen klaren Abstand zum Ehegesetz. Er ist von der Absicht getragen, möglichst keine Konkurrenzfigur zur Ehe zu schaffen, sondern die Ehe als die primäre und optimale Organisations- und Legitimationsform partnerschaftlichen Zusammenlebens bestehen zu lassen.

derStandard.at: Auch ein Adoptionsrecht ist im Entwurf nicht vorgesehen. Wie ist das zu bewerten?

Benke: In vielen Ländern, die eine eingetragene PartnerInnenschaft debattiert und gesetzlich verankert haben, ist das Adoptionsrecht die schwierigste Hürde gewesen. Dass die Justizministerin einen konsensorientierten Vorschlag macht, verstehe ich ebenso wie den Ärger der homosexuellen Paare, denen gesagt wird, ein von gleichgeschlechtlichen PartnerInnen adoptiertes Kind wäre benachteiligt oder gefährdet.

derStandard.at: Laut Ministerin Berger sollen "in sämtlichen Justizgesetzen" die Rechte der gleichgeschlechtlichen Paare angepasst werden. In welchen Gesetzen gibt es da Handlungsbedarf?

Benke: Die Anpassungen finden sich im Anschluss an den Gesetzesentwurf und betreffen einzelne Veränderungen, etwa zivilrechtlicher, strafrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art.

Ein Beispiel dafür bietet etwa die Bigamie. Derzeit ist nach § 24 Ehegesetz (EheG) eine Ehe nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in gültiger Ehe lebte. Dies wird erweitert zu: "mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder in gültiger Lebenspartnerschaft lebte". § 192 Strafgesetzbuch (StGB) stellt unter Strafe, wenn jemand eine neue Ehe schließt, obwohl er verheiratet ist, oder wenn jemand mit einer verheirateten Person eine Ehe schließt. In Abstimmung mit dem neuen Gesetz wird hier das Schließen eine Ehe um das Schließen einer Lebenspartnerschaft erweitert sowie der Umstand, verheiratet zu sein, um den Umstand, eine Lebenspartnerschaft zu führen.

derStandard.at: Wie wichtig ist etwa das Eintrittsrecht in den Mietvertrag oder die gegenseitige Unterhaltspflicht, die im Entwurf vorgesehen ist?

Benke: Das Eintrittsrecht in den Mietvertrag wird seit einer 2003 gefällten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Österreich judiziert. Hingegen sieht der Gesetzesentwurf Unterhaltspflichten zwischen gleichgeschlechtlichen LebenspartnerInnen vor. Bis dato gibt es für nichteheliche LebenspartnerInnen einen Unterhaltsanspruch nur auf der Basis eines Unterhaltsvertrages.

derStandard.at: Verglichen mit anderen Ländern, wie steht Österreich im Bereich Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare da?

Benke: Zwar sind es in jüngerer Vergangenheit einige rechtliche Ungleichbehandlungen beseitigt worden, doch erscheint Österreich im internationalen Vergleich als Nachzügler. Das liegt vor allem am Fehlen einer rechtlich anerkannten Form der PartnerInnenschaft.

derStandard.at: Wäre das Gesetz ein großer Wurf oder eher ein kleiner Schritt für die Gleichstellung?

Benke: Da sind zwei Ebenen zu unterscheiden: Wer erst in der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche PartnerInnen den großen Wurf sieht, die/der wird diesen gesetzlichen Schritt für unzureichend halten. Anderseits ist nicht zu unterschätzen, dass das Gesetz gleichgeschlechtliche PartnerInnen offizielle Legitimation verschafft und sie damit ins Establishment holt. Auf einer ideellen Ebene wird das wohl ein wichtiger Impuls für die weitere Enttabuisierung von Homosexualität sein.

derStandard.at: Welche Ungleichbehandlungen wären dann noch übrig?

Benke: Abgesehen von den rechtlichen Differenzen gegenüber der Ehe fällt auf, dass auch heute viele Menschen gleichgeschlechtliche Lebensweisen als fremd und irritierend empfinden. Solche gesellschaftliche Ungleichbehandlungen bestehen, und es wäre ein Irrtum, etwa eine urbane Mittelschicht, die Homosexuelle weitgehend akzeptiert, für repräsentativ zu halten.

derStandard.at: Denken Sie, dass die Vorschläge auch Chance auf Verwirklichung mit einem Koalitionspartner ÖVP haben?

Benke: Was die politische Debatte um das Gesetz bringen wird, kann ich schwer abschätzen. Nach dem Signal der ÖVP-Perspektivengruppe rechne ich doch damit, dass das Gesetz kommt – und ich traue der ÖVP auch eine weltläufige Gestaltung des Gesetzes zu, mit der sich Österreich nicht so ungünstig exponiert wie mit dem jahrelangen Aufrechterhalten des § 209 StGB. (derStandard.at, 25.10.2007)