Jede Pose braucht einen Adressaten: der wunderbar überspannt agierende Benoît Magimel als Paul und seine Herzensdame Gabrielle (Ludovine Sagnier).

Foto: Viennale

Ein Schriftsteller verführt mit Worten. Diesem Klischee entspricht Charles Saint-Denis (François Berléand) auch in seinem Privatleben. Auf einer Signierstunde in einem Buchladen in seiner Heimatstadt Lyon - hier, abseits von Paris, lässt es sich als Intellektueller nämlich trefflich vom Ruhm allein leben - fällt ihm Gabrielle (Ludivine Sagnier) auf, eine schlagfertige Blondine, die im lokalen Fernsehen die Wetternachrichten spricht. Die Gelegenheit zum Flirt lässt er nicht aus. Charles lässt sich nicht nur gern bewundern, er weiß auch, wie man daraus noch mehr macht.

La fille coupée en deux (Das zweigeteilte Mädchen), der neue Film von Claude Chabrol, bezieht seine Dynamik aus einer explosiven Mischung von Affekten. Charles geht mit Gabrielle eine seiner schlecht getarnten Liebschaften mit Sicherheitsgurt ein - er ist verheiratet und keinesfalls gewillt, seine Ehe aufs Spiel zu setzen. Die junge Frau verfällt ihm, obwohl er sie nach Strich und Faden ausnützt. Einmal begehrt er sie und führt sie in seine libertinären Kreise ein, dann zeigt er ihr wieder brüsk die kalte Schulter und will von ihren Liebesschwüren nichts mehr wissen.

Das Missverhältnis der Liaison zwischen dem weißhaarigen Schriftsteller und der Frau, die seine Tochter sein könnte, ist - irgendwann müsste es sich eigentlich erübrigen, das noch zu schreiben - für Chabrol nur ein Mittel, um Hypokrisie und Standesdünkel im bourgeoisen Milieu aufzufächern, in diesem Fall in besonders grellen Farben. In La fille coupée en deux sind die meisten Figuren ins Archetypische überhöht, und entsprechend überzogen wirkt das Spiel.

Wie etwa auch bei Paul, dem nägelbeißenden Millionärserben und dritten Glied dieses angespannten Trios: Der Intimfeind von Charles meint Gabrielle aufrichtig zu lieben, findet aber mit seiner wenig männlichen Offensivtaktik bei ihr keinen rechten Widerhall. Benoît Magimel legt hier als verwöhnter Dandy mit aufbrausendem Temperament eine großartige Darstellung hin. Wie ein Stalker heftet er sich auf die Spur des Paares, immerzu bereit, mit pathetischen Posen und Worten die Etikette öffentlicher Zusammenkünfte zu sprengen, indem er seine Meinung über Charles kundtut - und damit dem Ansehen seiner Familie schadet.

Chabrol, einer der arbeitswütigsten unter den verbliebenen Nouvelle-Vague-Regisseuren, zeigt in La fille coupée en deux wieder einmal stärker seine komödiantische Seite. Er verhandelt hier große Gefühle, indem er sich von ihnen distanziert. Die Bausteine des boulevardesken Spiels aus Verführung und Abstoßung sind durchaus genreüblich, der Witz liegt ganz im überspitzten Tonfall, in neurotischen Gesten und heuchlerischen Taten, mit denen Chabrol diese künstliche Welt versieht. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.10.2007)