"Hauptsache, man macht verrückte Dinge": Christine Gallagher

Foto: Privat
Wer Hochzeiten feiert, soll auch Scheidungen feiern, meint Christine Gallagher. Die Autorin des Ratgebers "The Divorce Party Planner" im Gespräch mit Maria Sterkl über Scheidungstorten, Schwiegermütter und die Frage, ob Hirschgeweihe brennen sollen.

* * *

derStandard.at: Was macht man auf einer Scheidungsfeier - Scheidungstorten anschneiden?

Gallagher: Ja, solche Torten gibt es tatsächlich! Man kann sie bei einer Frau in New York bestellen, sie heißt Silvia Weinstock. Die Torten sehen fast wie Hochzeitstorten aus – nur, dass die Bräutigam-Figur keinen Kopf hat oder gerade die Tortentreppe hinabstürzt, während die Braut oben steht und lächelt. Es ist großartig, so eine Torte zu haben.

derStandard.at: Sind Scheidungsfeiern ein Trend in den USA?

Gallagher: Ja. Es gibt ja auch mehr Scheidungen, und die dauern oft Monate, sogar Jahre lang. Eine Scheidungsparty gibt Gelegenheit, zu sagen: Okay, das ist jetzt vorbei, ich bewege mich weiter. Für alles Wichtige im Leben – Geburt, Hochzeit, Tod – gibt es Rituale, aber für Scheidungen nicht. Viele werden danach depressiv. Eine Scheidungsfeier kann ein großartiges Mittel sein, um von Freunden Unterstützung zu erhalten, um zu spüren, dass alles gut ist, wie es ist.

derStandard.at: Jemand, der gerade verlassen worden ist, wird wohl kaum in Partylaune sein.

Gallagher: So eine Feier muss ja keine Party sein, sondern einfach eine Gelegenheit, Dampf abzulassen, mit Freunden zu weinen, zu lachen und irgendwelche unverschämten Dinge zu tun.

derStandard.at: Zum Beispiel?

Gallagher: Eine Frau, die ich interviewt habe, wurde von ihrem Mann wegen einer Chilenin aus dem Frauenkatalog verlassen. Sie war am Boden zerstört. Dann gaben Freunde dieses Fest für sie, und das Partymotto war Chile. Mit chilenischem Essen, chilenischen Lampen und so weiter. Die haben den Spieß umgedreht und diese schmerzvolle Angelegenheit zu etwas gemacht, wo man einfach drüber lacht. So ein Fest kann wirklich helfen - vor allem, wenn man Familie und Freunde hat, die einen dabei unterstützen.

derStandard.at: Was, wenn die Freundeskreise der Ex-Partner eng verschmolzen sind? Da kann die Party-Einladung ja zur Frage werden, welcher Streitpartei gegenüber man sich loyal zeigt.

Gallagher: Oh ja, das ist immer hart. Die Leute glauben immer, sie müssen sich entscheiden, mit wem sie befreundet bleiben. Das ist das Traurige an einer Trennung. Man verliert Menschen.

derStandard.at: Was unterscheidet Scheidungspartys von anderen Festen?

Gallagher: Wir empfehlen den Leuten, sich ein Partymotto zu überlegen. Ich war zum Beispiel einmal bei einer Survivor-Party – nach dem Vorbild dieser TV-Serie. Da wurde dann "Einsame Insel" gespielt, mit Kokosnüssen, Fisch und Bikinis und diesem ganzen Zeug, das hat Spaß gemacht. Und der Vergleich mit dem Überlebenstraining passt: Man hat ja auch diese Beziehung überlebt. Andere verwenden zum Beispiel die Golfschläger des Ex-Manns zum Grillen. Es ist ganz egal – Hauptsache, man macht verrückte Dinge. Aber noch einmal: Die Feiern sind nicht immer lustig. Sie können auch ganz ernst sein.

derStandard.at: Wie sehen ernste Feiern aus?

Gallagher: Man nimmt zum Beispiel den Ring ab und legt ihn ins Feuer, als symbolischer Akt, um die Beziehung zu beenden. Sind Sie verheiratet?

derStandard.at: Nein. Muss man denn verheiratet sein, um so eine Party zu feiern?

Gallagher: Nein, man feiert dann eben eine Trennungsparty. Trennungen können ja genauso traumatisch sein wie Scheidungen.

derStandard.at: Was wäre denn ein typischer Scheidungsparty-Song?

Gallagher: Zum Beispiel "Hit the road, Jack" oder "I will survive". Aber auch "Burning down the house".

derStandard.at: Sind Scheidungsfeste gleichzeitig Singlepartys, bei denen der oder die frisch Geschiedene neu verkuppelt werden soll?

Gallagher: Wenn man das tut, sollte man vielleicht unter Freunden starten und sich die Singles für einen späteren Zeitpunkt bestellen. Ein Beispiel: Die Geschiedene feiert mit Freundinnen, und jede dieser Frauen darf einen Single-Bekannten einladen. Und dann wird getanzt, oder was auch immer. Und dann weiß man nie, was passiert (lacht).

derStandard.at: Was schenkt man einem Scheidungspartygeber?

Gallagher: Die Gäste sollten schon vorher darüber informiert werden, was die Partyveranstalterin sich wünscht – ob sie zum Beispiel Haushaltsgeräte braucht, weil der Ex-Mann die Hälfte mitgenommen hat, oder eine Schönheitskur, eine Reise, neue Unterwäsche oder Leintücher.

derStandard.at: Sie sprechen nur von Frauen. Feiern Männer keine Scheidungspartys?

Gallagher: Die meisten Männer tendieren zu kleinen, weniger ausgeklügelten Feiern direkt am Tag der Scheidung, mit ein paar Freunden und viel Bier. Aber es gibt auch andere. Ich kenne zum Beispiel einen Uni-Professor, der eine Scheidungsparty feierte, und zwar im selben Lokal, wo auch seine Hochzeit stattgefunden hatte. Er litt damals sehr unter der Trennung und wollte es als Ritual erleben, sich im selben Lokal zu "ent-heiraten". Das war interessant.

derStandard.at: Gibt es Ex-Paare, die ihre Scheidung gemeinsam feiern?

Gallagher: Ja, das ist aber extrem selten. Man muss wohl sehr ausgeglichen sein, um dem anderen bei einer Scheidung keine Vorwürfe zu machen. Aber ich glaube, das wäre eine wunderbare Sache.

derStandard.at: Sollte man die Schwiegermutter einladen?

Gallagher: Ja.

derStandard.at: Wirklich?

Gallagher: Na gut, vielleicht wirklich nur in ganz speziellen Fällen - wenn man eine sehr gute Beziehung zu ihr hatte.

derStandard.at: Ihre skurrilste Scheidungsparty bis jetzt?

Gallagher: Das war eine Frau, die sehr unter ihrer Trennung litt und für einige Zeit nach Kalifornien kam, um das zu verarbeiten. Wir organisierten eine Party für sie, mit einem riesigen Feuer im Garten. Diese Frau hat tatsächlich die Lieblings-Hirschtrophäe ihres Mannes mitgenommen – es war der erste Hirsch, den er geschossen hatte, und er hatte ihn über ihrem Ehebett montiert. Die Frau wusste, dass dieser Hirschschädel das Einzige war, was ihrem Ex-Mann etwas bedeutete. Und bei der Party schmiss sie ihn ins Feuer. Das war einfach nur primitiv – mit all den Frauen, die herumstanden und dem Schädel beim Brennen zuschauten.

derStandard.at: Das ist wohl nicht Ihr Stil?

Gallagher: Wissen Sie, für diese Frau war das genau richtig, eine Erleichterung. Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob man die Dinge des Ex-Manns verbrennen sollte.

derStandard.at: Vielleicht kann man sie ja noch selbst gebrauchen.

Gallagher: Richtig!

derStandard.at: Sind Sie verheiratet?

Gallagher: Ja, seit langer Zeit. 18 Jahre - das ist doch eine Menge, oder?
(Interview: Maria Sterkl)