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Bei dieser außerordentlichen Hauptversammlung der VA Tech im September 2004 konnten nur die Aktionäre, die im Saal vertreten waren, mitstimmen. In Zukunft soll dies auch aus der Ferne möglich sein.

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Bequem von der Couch aus kann heute jedermann Aktien weltweit erwerben und verkaufen. Um jedoch in diesen Gesellschaften auch die Gesellschafterrechte auszuüben, bedarf es eines gehörigen Mehraufwandes. Schon dadurch abgeschreckt, üben in der Praxis viele Aktionäre ihre Rechte nicht aus.

Dabei stellen Informationen die Grundlage jeder unternehmerischen Tätigkeit dar. Zentraler Regelungsbereich des Gesellschaftsrechts ist daher der Informationsfluss innerhalb der Gesellschaft und von der Gesellschaft nach außen. Der Gesetzgeber sollte bestrebt sein, die damit verbundenen Transaktionskosten möglichst gering zu halten. Dieser Verpflichtung kann durch die Anpassung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften an neue Technologien und den Trend zu elektronischem Rechtsverkehr entsprochen werden.

Ungeregelt

Die Kommunikation zwischen Gesellschaft und gesellschaftsfremden Entitäten wurde bereits früh an den elektronischen Schriftverkehr angepasst: So ist es beispielsweise seit 2001 möglich, Jahresabschlüsse in elektronischer Form an das Firmenbuchgericht zu übermitteln. Trotz der Gesellschaftsrechtsänderungsgesetze 2004 und 2005 blieb die elektronische Kommunikation zwischen Organen und Gesellschaftern österreichischer Kapitalgesellschaften jedoch weitgehend ungeregelt.

Jüngste Schritte auf europäischer Ebene sollen dieses Manko ausgleichen: So wurden im Juli dieses Jahres durch die Richtlinie über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Unternehmen ("Aktionärsrichtlinie") Konsequenzen aus dem Bericht einer hochrangigen Expertengruppe sowie dem Aktionsplan der Europäischen Kommission gezogen.

Grundsätzlich sollen durch die Richtlinie Aktionärsrechte in börsennotierten Aktiengesellschaften durch bestimmte Maßnahmen - insbesondere grenzüberschreitende Informationsrechte über Veröffentlichungen auf der Website der Gesellschaft und ausreichend lange Vorbereitungsfristen - gestärkt werden und Probleme bei der Stimmrechtsausübung durch Vertreter und Intermediäre gelöst werden.

Das Kernstück der durch die Richtlinie bewirkten Änderungen stellt der Abschnitt über die Online-Hauptversammlung dar. Diese ist nicht mit der virtuellen Hauptversammlung zu verwechseln, von der auch die Richtlinie noch nicht ausgeht: Weiterhin ist die physische Zusammenkunft von Personen an einem realen Ort notwendig.

Direktverbindung

Die Mitgliedstaaten müssen gestatten, dass Gesellschafter auf elektronischem Weg an Hauptversammlungen teilnehmen und ihre Stimme abgeben können, etwa über eine Direktübertragung oder Zweiweg-Direktverbindung. Bisher war in Österreich bloß eine Übertragung der HV gesetzlich gestattet und wurde bereits durchgeführt; die Anpassungen müssen innerhalb der Umsetzungsfrist bis 2009 vorgenommen werden.

Eine gewisse Technologieneutralität wird erreicht, indem die Stimmabgabe per Brief ebenfalls für zulässig erklärt wird, was in Österreich bisher nicht möglich war.

Die Aktionärsrichtlinie stellt damit einen wichtigen Schritt zur Anpassung des Gesellschaftsrechts an moderne Kommunikationsformen dar; der durch die Richtlinie erreichte Fortschritt darf jedoch nicht überbewertet werden: Die Richtlinie lässt in wesentlichen Punkten - insbesondere zu den Rechtsfolgen für Verstöße gegen einzelne Bestimmungen - entscheidenden Gestaltungsspielraum. Dadurch ist eine Intensivierung des Standortwettbewerbs unter den Mitgliedstaaten anstelle der angestrebten Harmonisierung zu befürchten.

Wie die Richtlinie in österreichisches Recht umgesetzt wird und ob dabei bereits auf "virtuelle Hauptversammlungen" oder gar "virtuelle Unternehmen" Rücksicht genommen wird, bleibt abzuwarten. Die Suche nach geeigneten rechtlichen Vehikeln und praktischen Möglichkeiten obliegt jedoch auch nach der Umsetzung der Richtlinie den Unternehmen selbst. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.10.2007)