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Die Linie der ÖVP nach außen hin ist eindeutig: Mehr Kinder! Innen schwelt ein Konflikt zwischen jungen, erfolgreichen Frauen und konservativen männlichen Parteigranden.

Foto: APA/BERNHARD J. HOLZNER
"Familie ist, wo Kinder sind. Was zählt: Kinder. Mütter. Väter. Ihre Lebenswelten und Perspektiven". Auf der Homepage der ÖVP wird unter diesem Motto an einem Strang gezogen. Der politische Gegner, die SPÖ, "kann mit Familie an sich nicht so viel anfangen wie die ÖVP", heißt es weiter.

Gratisparken zum Kinderkriegen

Im Rahmen eines Familienschwerpunkts wird aktuell eine ganze Armada von Vorschlägen auf die Öffentlichkeit abgeschossen: Teilweise schon bekannte aus den Perspektivengruppen, teilweise neue oder erweiterte christlichsoziale Modelle. Die Empörung folgte auf den Fuß: Grüne und SPÖ lehnten vor allem das Familiensplitting ab, es begünstige "Karrierevater-Hausfraumutter-Kinder"-Familien. Die weniger ideologisch belasteten, teilweise skurrilen Vorschläge - Gratis-Liftkarten für Kinder, Gratisparken für junge Mütter und Gratis-Kindergarten am Vormittag für Vierjährige – wurden von der SPÖ als "diskutabel" eingestuft.

Wie sehr der Begriff Familie innerhalb der ÖVP selbst für Diskussionen sorgt, gerät dabei leicht in Vergessenheit. Nirgends zeigt sich das besser als bei öffentlichen Veranstaltungen zum Thema, wo auch Schwarze abseits der Regierungsspitze mitreden.

Parteizugehörigkeitsraten

Etwa die als Auftakt ihres Familienschwerpunktes organisierte Podiumsdiskussion "Kinder - Bereicherung oder Belastung" im ÖVP-Parlamentsklub. Die niederösterreichische Landesrätin Mikl-Leitner, der Grazer Stadtrat Werner Miedl, die Bundesgeschäftsführerin des Familienbundes Alice Pitzinger-Ryba und der Religionslehrer Paul Mazal – Vater mit zweifacher Karenzerfahrung – diskutierten über Kinder, Karriere und Familie.

Es wäre ein amüsantes Ratespiel gewesen, hätte man die Parteizugehörigkeit der DiskussionsteilnehmerInnen nicht vorher gekannt: Da war alles dabei, von "Mut zum Kind" über die "Selbstbestimmung der Frau" bis zur "Diskriminierung der Hausfrauen". Mit anderen Worten: Gerade junge, berufstätige Frauen in der Volkspartei (und deren Männer) ringen mit dem teilweise angestaubten Familienbegriff. Zwar herrscht Einigkeit über den Wunsch nach einer höheren Geburtenrate – aber wie die erreicht werden soll, darüber wird auch innerhalb der ÖVP mit Herzblut gestritten.

Kinder unter drei Jahren

Hauptdiskussionspunkt: Sind Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren böse, weil sie "Abschiebungen" begünstigen und dementsprechend nicht einzurichten? Oder sind sie gut, weil ohnehin niemand sein zweijähriges Kind freiwillig in eine Krippe gibt und man denen, die es aus Geld- oder Zeitnot doch tun, wenigstens die Wahl lassen sollte?

Familienbund-Chefin Pitzinger gehört zu den familienpolitischen Hardlinern: "Zuhause ist die beste Betreuung für Kinder unter drei Jahren". Probleme hätten daheim bleibende Frauen nur damit, dass ihre Hausarbeit von der Gesellschaft nicht wertgeschätzt würde und sie Diskriminierungen ausgesetzt seien. Werner Miedl, der neben seiner Stadtratstätigkeit ein großes Netz steirischer Kinderbetreuungseinrichtungen ins Leben gerufen hat, ist auch schwarz, aber liberaler: "Es bringt nichts, eine ideologische Einheit anzubieten, die nicht immer funktioniert – wir müssen alle möglichen Angebote schaffen, damit sich Frauen frei entscheiden können".

Landesrätin Mikl-Leitner wiederum liegen zwar die Geburtenraten am Herzen, aber auch die Frauen: "Wir alle hängen noch viel zu sehr einem überkommenen tradierten Rollenbild an". Dass eine Frau, die trotz Kind arbeiten gehe, als "Rabenmutter" beschimpft werde, sei untragbar. Drei ÖVP-PolitikerInnen, drei Meinungen. Da hilft nur: Einschwören auf die Leitbilder und die Werbesprüche – und möglichst wenig Äußerungen mit Streitpotenzial nach außen dringen lassen.

Auf Linie

Wie wichtig diese "offizielle Linie" für die ÖVP ist, zeigte das Abschlusstatement von Karenz-Vater Paul Mazal: Einen verpflichtenden Papa-Monat stelle er sich sehr sinnvoll vor. Prompt folgte ein Rüffel von Moderatorin Gertrude Aubauer für das Verlassen der Parteilinie: "Die SPÖ verlangt das, aber ich glaube nicht, dass das in unser Weltbild passt, oder?" Mazal lenkte ein und zog den Vorschlag zurück. Ob es auch andere abtrünnige Schwarze tun, wird die Zeit zeigen. (Anita Zielina, derStandard.at, 23.10.2007)