Washington/Wien - Die Legitimationskrise des Internationalen Währungsfonds sei weniger die Schuld der Organisation als der großen Kapitaleigner USA und Europa. Diese Einschätzung äußerte der im Finanzministerium für die Bretton-Woods-Einrichtungen zuständige Gruppenleiter Kurt Bayer gegenüber dem STANDARD am Freitag - einen Tag vor Beginn der traditionellen Herbsttagung von Weltbank und IWF.

Reform

Bayer sprach sich vehement für eine Reform der Stimmgewichtung im Fonds aus, in dem Europa und die USA die Mehrheit haben. Parallel sollten sich die EU-Länder aus zentralen Funktionen zugunsten der Entwicklungs- und Schwellenländer zurückziehen. Allerdings, so Bayer, habe sich der österreichische Vorstoß in Europa nicht durchgesetzt. Darin sieht der Experte auch den Grund, dass die Union innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft an Akzeptanz verliere.

"Europa bewegt sich nur, wenn sich die USA bewegen. Somit dreht sich die Diskussion endlos im Kreis", sagte der Beamte. Der derzeitige IWF-Chef Rodrigo Rato werde vor seinem vorzeitigen Ausscheiden Ende des Monats keinen Durchbruch mehr erzielen. Unter seinem Nachfolger, dem französischem Ex-Finanzminister Dominique Strauss-Kahn, bewertet Bayer die Chancen auf eine Reform des Stimmrechtssystems höher.

Auch um die Funktionsfähigkeit der Weltbank, deren Vizegouverneur Bayer ist, sei es schlecht bestellt. Die Initiativen von sieben Ländern zur Gründung einer eigenständigen Entwicklungsbank in Südamerika seien "Gift für die Weltbank, weil bald jeder seine eigene Lösung sucht".

Ausweg

Als Ausweg aus der Krise ist jetzt eine Erhöhung der Basisstimmen im IWF in Diskussion. Diese schaffen einen Ausgleich, weil jedes Land einen Sockel an Stimmrechten hat. Allerdings ist die Bedeutung dieses Mechanismus massiv geschrumpft: Machten die Grundstimmen im Jahr 1945 noch 15,6 Prozent der Gesamtheit aus, beläuft sich der Anteil heute nur noch auf zwei Prozent. An Gewicht gewonnen haben dafür die Stimmen der einzelnen Länder.

Die von Rato vorgeschlagene Verdoppelung der Basisstimmen ist den Entwicklungs- und Schwellenländern viel zu wenig. Selbst Großbritannien plädiert für eine Verdreifachung. NGOs wie Oxfam halten eine tiefergehende Reform für unabdingbar und fordern das System der doppelten Mehrheit (ähnlich dem künftigen Modell im Rat der EU-Staaten): Demnach wäre für Entscheidungen im Fonds die Mehrheit der Stimmen als auch die der Länder Voraussetzung.

Dem IWF ist die Problematik bewusst. Rato sagte zuletzt, es gebe einen "wachsenden Konsens unter den Mitgliedsländern", den Abstimmungsmodus zu ändern. Entschieden werden soll die Frage einer Neuordnung des IWF-Quotensystems bis in einem Jahr. Vorerst muss der Fonds angesichts ungelöster Finanzprobleme zum Rotstift greifen. Rato sprach von einer Ausgabenkürzung von sechs Prozent in den nächsten Jahren. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.10.2007)