Der Vorbeter Önder Hayta, der im Zivilberuf Tischler ist, hat nicht viel Zeit: Sein Kollege, der gerade die ca. 150 Gläubigen auf die Andacht vorbereitet, ist nicht mehr der Jüngste, erklärt er uns. Alles, was er für seine Aufgabe braucht, hat er hier im Gebetsraum gelernt, Koranschulen wie in der Türkei gibt es in Österreich nicht. Seine Frau, die ebenfalls in einem Gebetshaus aktiv ist, hat eine solche Schule besucht. "Drei Jahre dauert das, genauso wie meine Tischler-Ausbildung", meint er lächelnd. Dann muss er sein schwarzes Sakko gegen den Umhang tauschen und in den Nebenraum wechseln, wo die Stimme aus dem Lautsprecher mittlerweile verstummt ist.

foto: paul sturm

Im Ramadan, wenn sich die Gläubigen allabendlich im Vereinslokal treffen, um nach dem Abendgebet gemeinsam zu essen, gastieren die Vorbeter manchmal in anderen Gebetsräumen, um dem Publikum etwas Abwechslung zu bieten. Jeden Abend wird in der Küche des Lokals neben der Moschee groß aufgekocht, die Kosten für das Festmahl übernehmen Spender, die dafür auf der Anschlagtafel des Vereins erwähnt werden. Nach der Andacht werden die Gebetsbänke beiseite geräumt und Tische aufgestellt.

foto: paul sturm

Murat Arslan ist Obmann-Stellvertreter und Jugendbeauftragter der Union Islamischer Kulturzentren in Österreich, Zweigstelle Leopoldstadt. Das Vereinslokal, in welchem sich auch ein typisch türkischer Greißler-Laden eingemietet hat, gibt es seit 1993, die Union schon seit 1980. Die Leute, die das Kulturzentrum, in dem Alkohol- und Rauchverbot herrscht, besuchen sind mehrheitlich aus der Türkei. Darunter auch sehr viele Kinder. Nur vereinzelt kämen "Bosnier oder Schwarze". "Ich könnte heute gar nicht mehr in der Türkei leben", meint Arslan. In türkischer Kultur sei er selbst "eher schwoch", räumt er auf Wienerisch ein. Nachhilfe holt er sich vom Vorbeter.

foto: paul sturm

Der junge Vize-Obmann ist ziemlich erledigt, weil er als Billa-Angestellter schon länger "quasi durchg’hackelt" hat. Der Name "Kulturverein" beziehe sich rein auf Religiöses. Probleme wie in der Dammstraße im benachbarten 20. Bezirk (STANDARD-Nachlese: Kulturkampf in der Brigittenau) habe es hier nie gegeben, versichert Arslan. Ganz im Gegenteil: Einmal im Jahr veranstalte man ein viertägiges Straßenfest mit Tag der offenen Tür, das von den Leuten aus dem Grätzel, darunter auch viele Österreicher, sehr angenommen werde.

foto: paul sturm

Stammgast in der Springergasse ist auch Fahrettin Petzel, Physiotherapeut, auch aus dem Grätzel. Er vermutet, dass die Demonstrationen in der Dammstraße von politischer Seite inszeniert worden seien. Er selbst kommt aus Myra (heute Kale), jenem türkischen Dorf, in dem der Nikolo geboren wurde. Petzel: "Der Islam akzeptiert alle anderen Religionen, wieso ist das umgekehrt nicht möglich?"

foto: paul sturm

Die Schuld an bestehenden Integrationsproblemen ortet Petzel in Brüssel: "Die EU hat kein Integrationskonzept." Ein "bisserl Schuld" sieht er auch bei den islamischen Vereinen selbst, die sich nicht richtig vorgestellt hätten. Da wirft der Vize-Obmann jedoch ein, dass das doch eh – wie mit dem Straßenfest – ständig versucht werde. Was die Moschee-Besucher von "Terror"-Schlagzeilen über "radikale Moslems" halten? Terror habe nichts mit dem Islam zu tun, ist die einstimmige Antwort.

foto: paul sturm

Das Kulturzentrum hat zwei getrennte Eingänge: Links für Herren, rechts für Damen. Die Männer sind im Obergeschoß, die Frauen im Keller. "Kopftuch ist normal", beschreibt Arslan die Bekleidungsvorschriften für die Frauen. Petzel wirft ein: "Die Inder tragen auch Turban, darüber redet niemand!" Der Vorbeter von oben wird per Bild und Ton zu den Frauen nach unten übertragen. Von unten nach oben gibt es keine Übertragung. (Rainer Schüller/Berthold Eder/derStandard.at, 19.10.2007/Fotos: Paul Sturm)

Union Islamischer Kulturzentren in Österreich, Springergasse, 2. Bezirk.

foto: paul sturm