Sigmar Polke ist nur einer der deutschen Maler, denen sich die Albertina mit mehreren Werken verschrieben hat: "Ohne Titel", 1998.

Foto: Albertina
Dass Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Sigmar Polke und Gerhard Richter in Ausstellungen selten gemeinsam auftauchen, hat einen Grund: Sie haben außer der gemeinsamen Sozialisation im Nachkriegsdeutschland und der jeweiligen spezifischen Auseinandersetzungen mit der deutschen Geschichte im Grunde nicht sehr viel gemein.

Die Ausstellung "Kunst nach 1970" in der Albertina zeigt die verschiedenen Werkblöcke der Künstler deswegen auch nicht in einer dialogischen Form, sondern in eigenen Künstlerräumen, die die individuellen Ausdrucksweisen und künstlerischen Konzepte der Maler unterstreichen sollen. Georg Baselitz, der sich durch das Auf-den-Kopf-Stellen der Bildmotive in die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts eingeschrieben hat, ist in der Ausstellung mit seinen "Typen" und "Neuen Helden" präsent. Als Hirten, Arbeiter oder Rebellen stellen sie die Fragen seiner Generation, und Anfang der 1990er- Jahre widmete er sich in einer umfangreichen Serie mythischen Heldengestalten wie etwa "Lena" (1992), "Ede" oder "Hage" (beide 1993).

Expressiv-figurativ

Ähnlich wie Baselitz hat sich auch Markus Lüpertz mit der deutschen Geschichte befasst: Bis 1977 malte er im Gegensatz zu den abstrakten malerischen Tendenzen seiner Zeit vorwiegend martialische "deutsche Motive" wie etwa Stahlhelme, Ähren oder Uniformen, um diese im Bewusstsein um ihre symbolische Wirkung zu neutralisieren.

Während Lüpertz 1966 sein "Dithyrambisches Manifest" entwirft, das sich eines Begriffs von Nietzsche bedient, widmeten sich Gerhard Richter und Sigmar Polke ab 1963 den Mythen des Nachkriegsalltags: Als ironischer Gegenpol zum Sozialistischen Realismus gedacht, versuchten sie unter dem Label "Kapitalistischer Realismus" den von Konsum und Freizeit gekennzeichneten westdeutschen "realen" Kapitalismus der 50er- und 60er-Jahre zu reflektieren.

Nach einer Phase, in der sich Gerhard Richter hauptsächlich fotografischer Vorlagen bediente, wendete er sich ab Mitte der 70er-Jahre verstärkt der abstrakten Malerei zu. Die in der Ausstellung "Kunst nach 1970" präsentierten Arbeiten gehören dieser Schaffensphase an: Präsentiert werden dort das "Abstrakte Bild, Nr. 611-1" (1986) und "EL-Z" aus dem Jahr 1984, das die atmosphärische Wirkung der luziden Farben ins Zentrum rückt.

Last, but not least sind in der Ausstellung auch frühe Arbeiten von Sigmar Polke zu sehen, der sein Schaffen in einem seiner berühmtesten Bilder, "Höhere Wesen befah- len ...", als eine "Verfügung aus dem Reich des Außerirdischen" erklärt.

Dass der Künstler in Wirklichkeit sehr genau um die ideologischen Grundlagen seiner gesellschaftskritischen Bildfindungen wusste, stellen in der Schau "Kunst nach 1970" seine frühen Ironisierungen der Spektakelgesellschaft unter Beweis. (Christa Benzer /SPEZIAL / DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2007)