Die klassischen Treasury-Funktionen sind der Liquiditätsausgleich, das Funding sowie die Abwicklung von Geldmarkt-, Devisen-, Noten- und Edelmetallgeschäften.

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Bernd Fessler, Chef-Treasurer bei der Anglo Irish Bank Austria: "Die Vertrauenskrise unter den Banken besteht selbst zwei Monate nach Bekanntwerden der US-Hypothekenkrise immer noch. Der Markt hat sich nach wie vor nicht normalisiert.

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Derivative Geschäfte sind alles andere als eine moderne Erfindung experimentierfreudiger Bankfachleute. Bereits im zwölften Jahrhundert schlossen Bauern auf den mediterranen Frühjahrsmärkten Verträge über den Preis ab, zu welchem sie im Herbst ihre Ernte abliefern würden. Somit konnten sie das Risiko abtreten, ihre Kosten für Saatgut, Geräte und Arbeitskräfte infolge eines Preiszerfalls nicht begleichen zu können. Käufer dieser Verträge waren zumeist Bäckereien, Mühlen oder Städte, die sich - genau umgekehrt zu den Bauern - gegen das Risiko steigender Preise versichern wollten.

 

Heute präsentiert sich die Welt des Kreditrisiko-Managements als breit gestreute Produktpalette. Banken und Sparkassen verfolgen dabei zwei Hauptziele: Sie "verkaufen" Geld, um einen höchstmöglichen Preis (Zins) dafür zu erzielen, während sie gleichzeitig das Risiko für sich selbst und die Anleger so niedrig wie möglich halten. Die Kontrolle über die Geldströme liegt dabei in den Händen der Treasury-Abteilung: Sie kanalisiert Geldein- und -ausgänge und behält die Konzernfinanzen im Überblick. Dies betrifft sowohl Bargeld wie Buchgeld. Bernd Fessler, Head of Treasury der Anglo Irish Bank Austria: "Treasury ist die Nervenzentrale einer Bank, hier wird über Erfolg und Nicht-Erfolg eines Finanzhauses entschieden." Eine Strategie mit langer Geschichte. Fessler: "Das Urbusiness einer Bank ist seit dem Mittelalter die Kreditvergabe und dafür entsprechend Zinsen zu verlangen, um als Bank letztendlich profitabel zu agieren."

Gegenstand des Treasury sind

 

  • jedwede Liquiditäts- und Finanzplanung (kurz-, mittel- oder langfristig). die Zins- und Währungsrisiken der eigenen Geldanlagen,
  • erkannte Veränderungen in dem Risikobereich, insbesondere Ausfallrisiken bei Kreditnehmern, um etwaigen finanziellen Nachteilen rechtzeitig vorzubeugen und
  • Verbesserungen in der Bankbilanzstruktur.

     

    Die "Schatzmeister" untersuchen demnach permanent die Zahlungsströme, berechnen deren Barwert und versuchen, Optimierungen aufzuspüren, die in dem Zeitablauf den Gewinn erhöhen. Dazu gehört gegebenenfalls, dass der Treasurer auch außerbilanzielle Geschäfte in Derivaten tätigt. Diese müssen dennoch mit Eigenkapital in bestimmter Höhe unterlegt sein.

    Heiß umkämpfter Bankenmarkt

    Die heimische Banken-Landschaft teilen sich im Grunde drei Sektoren: Raiffeisen-, Volksbanken- und Sparkassen. "Der Markt in Österreich ist over-bankend. Jedes kleine Dorf hat seine eigenständig agierende Sparkasse oder Raika. Entsprechend heiß umkämpft ist der Markt", so Treasury-Experte Fessler. Banken buhlen um dieselben Kunden, indem sie möglichst hohe Zinsen für Spareinlagen bei gleichzeitig möglichst niedrigen Zinsen für Kredite versprechen. Kein Wunder daher, dass die Zinsspanne, aus der die Bank ihr Geld verdient, hier zu Lande im internationalen Vergleich sehr gering ist. Die Liquiditätsströme aus Aktivseite (Forderungen der Bank, sprich das gesamte Kreditportfolio) und Passivseite (Eigenmittel einer Bank, Rückstellungen, sowie Verbindlichkeiten auf eine Spareinlage) sollten sich im Optimalfall decken.

    Vergibt eine Bank beispielsweise ein auf fünf Jahre fix verzinstes Sparbuch, liegt für das Kreditinstitut ein offenes Zinsrisiko vor. Durch einen so genannten Zinsswap können Zinsänderungsrisiken aktiv gemanagt werden. Ein Zinsswap gehört zu den Zinsderivaten und ist eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien, Zinszahlungen unterschiedlicher Zinsfixierung untereinander auszutauschen. Bei der geläufigsten Form des Swaps wird ein variabler Zinssatz gegen einen fixen Zinssatz getauscht. Während der variable Zinssatz sich zum Beispiel an Indices wie dem 3-Monats-Euribor orientiert und sich über die Laufzeit des Swaps ändert, bleibt der fixe Zinssatz über die Laufzeit fest.

    Vertrauenskrise

    Bei den Banken untereinander sieht es derzeit wenig rosig aus: Zwei Monate nach Bekannt werden der US-Hypothekenkrise gelten plötzlich alle Kreditderivate als riskant. Zusätzlich verlangen Finanzhäuser bei Krediten untereinander einen sehr hohen Risikoaufschlag. Der Begriff "normale" Zinsstrukturkurve impliziert üblicherweise, dass festverzinsliche Wertpapiere mit einer längeren Laufzeit eine höhere Verzinsung aufweisen als Anleihen mit einer kürzeren Restlaufzeit. Liegt dagegen die Rendite kurzlaufender Anleihen oberhalb der länger laufenden, so zeigt sich eine "inverse" Zinsstruktur, ein Phänomen, wie es derzeit erkennbar ist.

    Fessler: "Der Drei-Monats-Referenzzinssatz der Europäischen Zentralbank liegt derzeit bei vier Prozent, der Euribor-Zinssatz für kurzfristige Ausleihungen, der vor der Krise bei rund 4,2 Prozent lag, beträgt 4,75 Prozent. Dass die kurzfristigen Zinsen heute höher sind als die Zehn-Jahres-Zinsen, deutet auf massive Vertrauensdefizite im Interbankenbereich hin. Die letzte inverse Zinskurve wurde durch die deutsche Wiedervereinigung und die dadurch hervorgerufene Liquiditätsnachfrage verursacht." (Sigrid Schamall)