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EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ...

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... der Ansturm deutscher Numerus-clausus-Flüchtlinge auf die österreichischen Medizin-Universitäten ...

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... und Wissenschaftsminister Johannes Hahn: Bundeskanzler Alfred Gusenbauer schaffte es, gleich zwei Seiten im Streit um den österreichischen Unizugang vor den Kopf zu stoßen - die EU und die ÖVP.

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Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat den nahenden EU-Reformvertrags-Gipfel zu einem Ultimatum für die Beendigung des Uni-Quoten-Konflikts benutzt. Koalitionspartner und EU-Kommission reagierten sehr gereizt.

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(li.), der Ansturm deutscher Numerus-clausus-Flüchtlinge auf die österreichischen Medizin-Universitäten und Wissenschaftsminister Johannes Hahn: Bundeskanzler Alfred Gusenbauer schaffte es, gleich zwei Seiten im Streit um den österreichischen Unizugang vor den Kopf zu stoßen - die EU und die ÖVP. Fotos: Reuters, Cremer, Newald

Birgit Baumann Michael Moravec Lisa Nimmervoll Johannes Hahn wählte das Bild vom Marathonläufer, der sich schon in Zielnähe wähnt, "ins Oval einläuft - und auf einmal stehen da Hürden, die es dort gar nicht geben dürfte." Die Rolle des Hürdenaufstellers in dieser Szenerie hat Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der Marathon steht für den Kampf Österreichs um den Erhalt seines quotierten Unizugangs für Medizin, und derjenige, der den Marathon eigentlich bestreiten muss, ist Wissenschaftsminister Hahn.

Dieser reagierte am Freitag sichtlich verärgert über Gusenbauers unabgesprochenen Alleingang samt Quasi-Ultimatum an die EU-Kommission in Sachen Unizugang. Er sei "überrascht, enttäuscht und irritiert", sagte Hahn bei einem eilig einberufenen Hintergrundgespräch mit Medien.

Gusenbauer hatte Donnerstagnachmittag gefordert, die EuGH-Klage gegen Österreich wegen der Medizin-Quoten müsse bis zum Beginn des EU-Gipfels kommende Woche in Lissabon fallengelassen werden, anderenfalls werde er das Thema beim Gipfel "aufs Tapet bringen". Im Gegenzug hatte der Kanzler deponiert, dass Österreich das Ziel, seinen Unizugang im EU-Reformvertrag zu verankern, mangels breiter Unterstützerfront wohl aufgebe.

Blech reden

Das überstrapazierte dann aber den im Allgemeinen besonnen und zurückhaltend agierenden Wissenschaftsminister doch sehr, und er verbarg diesen Unmut nur vage hinter diplomatischen Formulierungen: "Es war nicht gerade eine Arbeitserleichterung, was der Bundeskanzler da gemacht hat. Es gibt Situationen, wo Schweigen Gold ist und Reden hoffentlich nicht Blech. Primärziel ist nach wie vor die Verankerung der Speziallösung für den österreichischen Unizugang zur Medizin im Primärrecht. Das ist die beste Lösung", sagte Hahn.

Diese Lösung hatte Außenministerin Ursula Plassnik anvisiert, diese werde sie "am Montag beim Außenminister auch auf die Agenda hieven", und diese strebt Hahn weiterhin in seinem "strukturierten Masterplan" an. Diesen hat Gusenbauer auch gekannt: "Natürlich war der Bundeskanzler über alle Schritte informiert, und er hatte die Aufgabe, die Dinge auf Ebene Barroso auf die Reihe zu kriegen", umschrieb Hahn die regierungsinterne Arbeitsteilung, aus der Gusenbauer nun aber öffentlichkeitswirksam ausgebrochen ist. "Ich weiß nicht, warum er das jetzt gesagt hat", wunderte sich Hahn und warnte vor voreiliger Freude: "Wir haben die Sache noch nicht unter Dach und Fach."

Für Hahn wäre eine aus EU-Kreisen angedeutete Ruhendstellung des Verfahrens nur die "drittbeste Lösung", vor der er aber "keine Angst hätte, wenn nach fünf Jahren geprüft wird, denn unsere Daten für die Notwendigkeit der Unizugangsregelung sind gut belegt". Als "zweitbeste Lösung" nannte Hahn die Schließung des Verfahrens.

Deutsche gegen Vertrag

Noch hält Hahn die Causa Unizugang aber nicht für verloren, obwohl sich Brüsseler Kreise bei ihm not amused gezeigt hätten über Gusenbauers Aktion. Immerhin habe man in den "Deutschen unsere wichtigsten Freunde", die abzuwehren es der Quote ja vorrangig bedarf. "Deutschland hat ja auch kein Interesse an einer Diskussion ,Die Deutschen überrennen uns'."

Tatsächlich hat die deutsche Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) zwar Verständnis für Österreichs Position, doch eine Aufnahme der Thematik in den EU-Reformvertrag "würden wir nicht unterstützen wollen", sagt Schavans Sprecherin Katrin Hagedorn zum Standard. Denn: "Sonderregelungen im Vertrag sind immer ein bisschen schwierig." Ministerin Schavan ist der Meinung, man solle dieses Problem "auf einem anderen Weg lösen". Der Idee, das EU-Verfahren auszusetzen, kann man in Berlin einiges abgewinnen. Das brächte Zeit, "um eine gemeinsame, gute Lösung langfristig für beide Seiten" zu finden.

Der Sprecher von Kommissionspräsident José Manuel Barroso wollte am Freitag die rechtlichen und politischen Ergebnisse der Prüfung durch die Kommission "nicht präjudizieren" und keinen Kommentar zu einem etwaigen Angebot an Österreich abgeben. Aus dem Büro von Bildungskommissar Ján Figel' hieß es: "Es wird vor Jahresende etwas Neues geben." Inoffiziell war man in Brüssel aber "sehr verwundert und verärgert" über den Vorstoß des Bundeskanzlers. "Das war nicht gerade sehr freundlich", hieß es in der Kommission. Eine Einstellung des Verfahrens wird es nicht geben, wurde aus dem Umfeld von Bildungskommissar Ján Figel' mitgeteilt. Eine neue Frist für Österreich, um weitere Date zu liefern, sei "schon eher denkbar." Figel' war von der Initiative Gusenbauers ebenso "überrumpelt" worden wie Hahn, so ein Diplomat in Brüssel.