Gernot Kulis
Spaßvogel bei Ö3

Sie werden sich jetzt wundern: Obwohl ich ein passionierter Brettspieler bin, kenne ich das Spiel Scrabble erst seit drei Jahren. Heute hilft Scrabble mir, Flüge zu überleben. Und das kam so: Ich war bei Freunden eingeladen, ging an ihrem Regal mit Spielen vorbei. Dort blieb mein Blick am Scrabble-Karton hängen. "Musst spielen, ist lustig", sagten meine Freunde und gaben es mir gleich mit. Seitdem bin ich angefixt. Auf Flugreisen kann ich es mit meinen 1,86 Meter nicht leiden, stundenlang herumzusitzen.

Foto: Aleksandra Pawloff

Schlafen geht nicht, und auf ein Buch konzentrieren funktioniert nur eine Stunde lang. Scrabble aber kann ich drei bis vier Stunden spielen! Beim Scrabble im Flieger lassen meine Freundin und ich uns richtig viel Zeit zum Überlegen. Verschoben wird nichts. So kann es schon einmal vorkommen, dass einer 20 Minuten lang nachdenkt, bis er das nächste Wort findet. Für die Flugreisen habe ich mir natürlich eine Miniaturausgabe gekauft. Doch das Ur-Scrabble von meinen Freunden gebe ich nie wieder her. Wenn die mich heute anrufen und es zurückfordern würden, müsste ich sagen: "Ich kauf euch ein neues."

Foto: Aleksandra Pawloff

Gundula Schatz
Begründerin des Waldzell Instituts

Ich habe noch nie ein Ding gefunden wie andere Leute zum Beispiel eine schöne Muschel. Was ich aber wirklich unverhofft gefunden habe, ist mein Lebenssinn. Klar, der beginnt sich jedem Menschen ständig zu erschließen. Und auch ich steckte schon länger in einer Sinnkrise, deshalb hatte ich mich an das Esalen-Institut in Kalifornien zurückgezogen, ein Zentrum für holistisches Lernen, an dem bedeutende spirituelle Lehrer wie David Steindl-Rast gelehrt haben. Dort kam mein Sinn tatsächlich mit einem Mal:

Foto: Aleksandra Pawloff

Ich saß auf einer Bank am Strand von Big Sur, blickte aufs Meer und - wumm! - war der Lebenssinn da. Es war wie eine tiefe Intuition, ein sehr wohlwollendes Gefühl. Plötzlich wusste ich: Mein Sinn im Leben ist es, nach diesem Sinn zu fragen und ihn in jeder Situation zu suchen. Und mir war klar: Ich würde meine viel versprechende Laufbahn als Biotechnologin aufgeben. Glasklar stand mir dieses Ziel vor Augen, ich fühlte mich total aufgehoben und sicher. Die Angst, alles aufzugeben, ohne zu wissen wofür, war verschwunden.

Foto: Aleksandra Pawloff

Markus Tüchler
Geschäftsführer des Möbelladens "mood"

Während einer Schulung der Firma Edra in Pisa - ich war gerade neu in der Möbelbranche - besuchte ich in einer Pause einen Flohmarkt. Viel Klumpert gab's dort, doch an einem kleinen Standl standen zwei schöne Stühle. Sie stammten von Vico Magistretti, den man heute ja eher als Lampendesigner kennt. 1971 aber hat er für Artemide diesen einfachen, stapelbaren Plastikstuhl entworfen. "Den brauch ich", dachte ich sofort. Dabei passten die Umstände gar nicht:

Foto: Aleksandra Pawloff

Ich war vor Kurzem in eine winzige Garconniere eingezogen, wollte mich nicht neu einrichten. Leisten konnte ich mir den Stuhl eigentlich auch nicht. Aber: Ich musste ihn unbedingt haben. Dem Händler handelte ich ihn noch von 2000 auf 1500 Schilling herunter, auf der Rückreise im Auto mussten es dann meine drei Mitreisenden aushalten, dass ich den Stuhl zwischen ihre vielen Koffer hineingewuzelt hab. Als ich später von Salzburg nach Wien umgezogen bin, war das Möbel das einzige, das mitkam. Ich bin kein Mensch, der an Dingen hängt. Aber diesen Stuhl würde ich nicht mehr hergeben. Ob ich nicht auch gern den zweiten gehabt hätte? Nein. Der eine kommt alleine viel besser zur Geltung.

Foto: Aleksandra Pawloff

Sandra Gilles
Modedesignerin, "la petite boutique"

Für mich ist das Kaputte, Verblichene immer schöner als das Perfekte, Heile. So wie bei meinem Spielzeugauto, das ich in Korsika am Strand gefunden habe. Es blinkte mich aus dem Sand an, ich griff nach diesem Etwas, das nur noch die Hülle eines Autos ist. Die Reifen sind weg, das Innere auch, und bei der ehemals weißen Außenhaut kommt schon das blanke Metall durch.

Foto: Aleksandra Pawloff

Einen besonderen Wert hat das Auto auch durch seinen Fundort: Korsika ist für mich magisch. Inzwischen nutze ich mein Fundstück als Schlüsselanhänger für meinen Autoschlüssel. Das passt gut, denn mein Wagen schaut fast genauso abgenutzt aus. Autos als Statussymbol sind mir völlig unwichtig. Ein Auto soll einfach nur fahren können und keinen Luxus ausdrücken.

Foto: Aleksandra Pawloff

Alison J. Clarke
Professorin für Designgeschichte an der Universität für angewandte Kunst Wien

Es war 1979, ich besuchte mit meinem Freund aus Kindertagen einen Kirtag. Dort gewann er drei Goldfische für mich, die ich nach den Mitgliedern meiner Lieblingsband "The Buzzcocks" benannte. Prompt entbrannte eine hitzige Diskussion. Ich hielt die Fahne der Punkmusik hoch, er schwärmte für Funk. Tja, damit war unsere Freundschaft am Ende. Was mir von der Beziehung blieb, außer den soeben gewonnenen Fischen, war sein Taschenrechner, ein Casio fx-39.

Foto: Aleksandra Pawloff

Irgendwann hatte der seinen Weg zu mir gefunden, keine Ahnung, wie. Es ist das einzige technische Objekt, das ich wirklich vergöttere. Weil es so sinnlich ist. Die Proportionen: perfekt, das Gewicht: eine Wonne, der Tastendruck: begeisternd! Ein wunderbar massives Objekt wie aus einer völlig anderen Zeit - als Dinge noch nicht virtuell, kurzlebig und "nano" waren. Sondern richtig angreifbar, schwer in der Hand lagen, nach langlebiger Wertarbeit aussahen. Mein Casio fx-39 hat mich überallhin begleitet. Eines Tages werde ich ihn vererben, in der Hoffnung, meine Nachkommen werden seinen Wert begreifen. Der Letzte der Goldfische starb übrigens vor ein paar Jahren, im biblischen Alter von 20 Jahren.

Foto: Aleksandra Pawloff

Helmut Gansterer
Journalist und Autor

Vor drei Jahren und fünf Monaten fand ich durch Zufall einen originalen Holzschnitt von Hokusai, den ich mir leisten konnte. Ich möchte ihn nicht mehr hergeben, was allerdings kein Maßstab für spezielle Zuneigung ist. Selbst im Falle bitterster Armut schiene es mir grundsätzlich anständiger, zuerst die eigene Schwester zu verkaufen, erst dann ein Werk der winzigen Kunstsammlung, die mir lieb wurde; eine unverzichtbare, stumme Energiequelle. Was war geschehen? In Ausübung meines eigentlichen Talents - summender Müßiggang durch Downtown Vienna - zog mich der Innenhof des Palais Esterházy an, den ich zuvor nie betreten hatte.

Foto: Aleksandra Pawloff

Dort lockte ein Plakat in die Galerie Zacke zu fernöstlicher Kunst. Glückliche Verblüffung: Man fand Originalabzüge berühmter Holzschneider wie Hiroshige, Koryusai, Harunobu und selbst des Großmeisters Hokusai. Hokusais Alterswerk "Unter der großen Woge bei Kanagawa" logisch unbezahlbar. Das Wunder lag in der Verfügbarkeit. Ich glaubte alle Vorräte ratzeputz aufgekauft von reichen, kunsthungrigen Japanern. Dann fand sich auch noch ein motivisch ideales Stück, unbunt, mit einer Brücke und dem Fuji-san, selige Erinnerung an Arbeitsreisen für die Magazine trend und profil. (Mareike Müller/Der Standard/rondo/12/10/2007)
Fotos: Aleksandra Pawloff

Foto: Aleksandra Pawloff