Edwyn Collins: "Home Again" (Heavenly/EMI)

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Nach den Jubelberichten in der britischen Musikpresse über das neue Album von Edwyn Collins hielten sich Skepsis und Vorfreude die Waage. Die Skepsis nährte der Verdacht, dass sich das tragische Schicksal Collins' auf das Urteilsvermögen so manchen Kritikers ausgewirkt haben könnte. Und wer wollte es ihnen in diesem Fall auch verdenken - zählt der Schotte, der 2005 fast einer Hirnblutung erlag, doch zu den sympathischsten Underdogs des britischen Pop. Die Vorfreude wiederum bestand darin, dass dieses Album als Zeichen zu werten war, dass es Collins wieder besser geht.

Der "reality check" zeigt: Home Again ist ein großes Album! Das Wort Meisterwerk möchte man nur deshalb nicht verwenden, weil es für Collins' Mikrokosmos, in den sich mit einer Ausnahme immer nur wenige verirrt haben, zu marktschreierisch erscheint. Das eine Mal, als plötzlich sehr viele das beseelte Pop-Universum Collins' bevölkerten, war 1994/1995, als sich der Ohrwurm A Girl Like You über eineinhalb Jahre hinweg zu einem Welthit des damals nicht einmal einen Plattenvertrag habenden Künstlers auswuchs und ihm plötzlich - und eben ohne eine Plattenfirma beteiligen zu müssen - das Konto für den Rest dieses Lebens füllte. Es folgte 1997 noch The Magic Piper für den Austin Powers-Soundtrack, dann wurde es wieder ruhiger um Collins. Er kaufte sich ein Studio, in das sich auch Robbie Williams einmietete, und wurde 2004, als der Franz-Ferdinand-Hype ausbrach, als einer der Ideengeber seiner Landsleute genannt - wegen seiner Band Orange Juice, mit der er in den frühen 80ern bereits kurzfristig reüssieren konnte.

Nun ist Home Again erschienen, jenes Album, das der Mann mit der glänzenden Unterlippe 2004 begonnen hatte und das weitgehend eingespielt war, als ihn der Schlag traf. Nach langer Rekonvaleszenz ging Collins im Frühjahr ins Studio, um das Album fertig zu stellen. Home Again, sein sechstes seit 1989, ist in seiner Geschlossenheit Collins' bestes. Seinen instinktsicheren Pop-Appeal versüßt er in der Single You'll Never Know (My Love) mit der Soulstimme von Luca Santucci, die der Low-Fi-Ästhetik des Songs eine herzerwärmende Prächtigkeit verleiht. In The 7th Son erweist er sich als gelehriger Blues-Popper, der hier neben einer solide gespielten Gitarre auch seine Liebe für alte Synthies auslebt - ohne es zu übertreiben. Superstar Talking Blues wiederum ist eine lässige, im Zug-Rhythmus gehaltene Rockabilly-Nummer, in der Collins sich über hohle Nüsse im Pop auslässt: "With your death metal laugh / and your cobwebbed lace shoes / and your moldy old taste in bad rhythm and blues."

Natürlich kommt man angesichts Collins' Krankheit nicht umhin, manche der Songs dahingehend zu deuten. Beginnend beim Albumtitel über Lieder wie Written In Stone bis zu Zeilen im Schlusssong, die sich wie eine Ahnung der bevorstehenden Katastrophe lesen.

Collins selbst erwähnt seine Krankheit mit keinem Wort, und das Wissen darum ist auch keine Voraussetzung für den Genuss des Albums.

Für diesen sorgt Collins mit begnadetem Songwriting, souveräner Instrumentierung, seiner charismatischen Popstimme und kredenzt so ein stimmiges Werk mit einer Hand voll potenzieller Hits für eine bessere Welt. Man höre nur das göttliche One Track Mind mit Sex Pistol Paul Cook am Schlagzeug! Wen das nicht überzeugt ... (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.10.2007)