Das Mädchen Arigona hält seit zwei Wochen die Öffentlichkeit und die Politik in Atem - der Fall ist am Mittwoch auf Initiative der Grünen auch im Parlament angelangt: Sondersitzung und Misstrauensantrag gegen Günther Platter, der vom Boulevard bereits als "Minister Gnadenlos" tituliert wird. Vor zwei Wochen noch hat die SPÖ geglaubt, sich zurücklehnen und die ÖVP die Suppe auslöffeln lassen zu können. Heute hat sie diesen Suppenteller selbst am Kopf.

Zwei Wochen lang kamen alle Vorschläge aus der SPÖ: Von einem generellen Bleiberecht, wie es die roten Landesorganisationen zum Teil schon in Landtagsbeschlüssen unterstützt hatten, bis hin zu einer Änderung des Fremdenrechts oder auch Einzelfallaktionismus, nämlich eine Rückholaktion für die Familie des Mädchens aus dem Kosovo. Böse, böse war der Innenminister. Ein feiner Reibebaum, an dem kaum ein SPÖ-Politiker vorbeigehen konnte.

Heute schaut es anders aus und das lässt sich recht einfach am roten Bundesgeschäftsführer festmachen, der zwei Wochen lang Innenminister Günther Platter vor sich hergewatscht hatte. Josef Kalina ist gegen jede Gesetzesänderung und dezidiert auch gegen einen Abschiebestopp.

Nach zwei Wochen ist die SPÖ an einem Punkt angelangt: an jenem der ÖVP. Die SPÖ vertritt in der Abschiebedebatte die Position der ÖVP. Und Kalina kann Platter wieder die Hand geben.

Einziger Unterschied: die Position im Fall Arigona. Die ÖVP beharrt auf deren Abschiebung und will schon gar nicht deren Familie zurückholen lassen, die SPÖ will in diesem einen Fall Gnade walten lassen. Die eine Position ist völlig unverständlich, die andere schlicht populistisch.

Keine Frage: Dem Mädchen - und seiner Familie - muss geholfen werden. Das muss man sich einmal vorstellen: Arigona war gerade in der Fahrschule für den Mopedführerschein, als die Busse der Polizei vorfuhren, um die Familie abzuholen. Der Vater und die Geschwister sitzen heute in einer Ruine im Kosovo. Kein Haus, keine Arbeit, keine Ausbildung, keine Freunde. Weil der Innenminister und die anderen "Prätorianer" in der ÖVP Haltung beweisen wollen. Es ist die falsche.

Oder die Familie Zeqai, ebenfalls aus dem Kosovo. Die Mutter und die beiden Buben leben aus Angst vor der Polizei, die sie abschieben soll, seit zwei Wochen im Untergrund. Der zwölfjährige Haxhi kann nicht mehr in die Schule gehen, wird also vermutlich den Abschluss nicht schaffen. Der 16-jährige Denis kann die Lehre nicht machen. Sie haben nichts angestellt.

Die vielbeschworene Integration scheint hier nichts wert zu sein. Ab in die "Heimat", die andere Heimat, die, die sie nicht kennen. Und zwar nicht, weil Österreich sich deren Aufenthalt nicht leisten oder diese Menschen nicht brauchen könnte. Sondern weil das Gesetz so angewandt werden kann.

Ist das Haltung? Die falsche.

Und was macht die SPÖ? Sie will Arigona helfen. Vielleicht auch, weil sogar die Kronen Zeitung das will. Das ist zwar prinzipiell ehrenwert, greift aber zu kurz. Und die politische Absicht, das Thema so rasch als möglich wieder aus den Schlagzeilen zu bringen, ist äußerst durchsichtig.

Gerade der Fall des 15-jährigen Mädchens hat aber die Schwachstellen der Fremdengesetze und die Unmenschlichkeit ihrer Handhabung, aufgezeigt. Solche Härtefälle, die ein unbescholtenes, gut integriertes 15-jähriges Mädchen in die Verzweiflung und den Untergrund zwingen, sollten erst gar nicht entstehen. Und da gehört sehr wohl über die aktuelle Gesetzeslage und über ein Bleiberecht diskutiert. Das lehnt die Parteispitze der SPÖ (nicht deren Funktionäre) derzeit kategorisch ab. Weil die SPÖ 2005 diesem umstrittenen Gesetz zugestimmt hat. Für die Parteistrategen offensichtlich eine schwierige Lage. Aber: Kann man Fehler nicht eingestehen? Kann ein Gesetz nach drei Jahren nicht evaluiert werden?

Für die SPÖ wäre es jetzt Zeit, sich nicht länger hinter Sprechblasen zu verstecken. Sondern Haltung zu zeigen. Eine andere Haltung. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 11.10.2007)