Die höhen Räume mit den großen Fenstern in Fritz Oettls Dachwohnung ermöglichen, dass die Wohnung bis Mitte November nicht geheizt werden muss.

Foto: pos Architekten
Foto: pos Architekten

"Eine ökologische Stadt ist für mich vor allem eine Stadt, die Lebensqualität hat. Wenn man das hat, besteht kaum noch Bedarf ein Auto zu haben, oder große Fernreisen zu tätigen, weil die Qualität vor Ort stimmt", erklärt der Architekt Fritz Oettl, Senior Partner der pos architekten. Dabei müsse aber keineswegs etwas Neues geschaffen werden, sondern vielmehr die vorhandenen stadtlichen Strukturen voll ausgeschöpft werden.

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Richard Stiles, Vorstand des Instituts für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen der Technischen Universität Wien meint dazu: "Mein Credo ist, die vorhandenen baulichen Strukturen so unmittelbar wie es nur geht zu recyceln und da gibt es ein paar Aspekte, die von zentraler Bedeutung sind: Zum einen die Bebauungsdichte. Eine dichte kompakte Stadt hat grundsätzlich ein höheres ökologisches Potential, als eine noch so durchgrünte, flächenintensive Siedlung. Wobei man natürlich nie verallgemeinern kann."

Kurze Wege

Die zweite Sache sei eine nutzungsdurchmischte Stadt, wie die Wiener Altstadt, in der die Leute leben, wohnen und kulturelle Angebote haben: "Wo Menschen kurze Wegen bewältigen: Die berühmte Stadt der kurzen Wege."

"Die ökologische Stadt ist ein Stadt, die schon dasteht und es im Sinne von ökologischem Bauen eine Katastrophe wäre, diese vergammeln zu lassen und im Gegenzug auf die grüne Wiese die super-energiesparende Stadt zu bauen. Durch das Schaffen von ausreichenden Dichten wird auch das Verkehrsaufkommen reduziert", so Stiles.

"Das ist meiner Meinung nach wichtiger als die Frage, wie viel Wärmedämmung man auf Häuser draufgibt. Das ist zwar auch nicht unwichtig, aber ich glaube, wenn gesamtheitlich bilanziert wird, man draufkommen, dass das wahrscheinlich der zukunftsweisende Weg ist", meint Stiles.

Durchgerechnet

Fritz Oettl erzählt seine eigene Geschichte, nicht nur als Architekt, sondern auch als Bewohner der Stadt. Vor zehn Jahren stand er vor der Entscheidung mit seiner wachsenden Familie an den Stadtrand zu ziehen, denn sie wohnten schlecht, mit wenig Freiraum. "Dann haben wir einmal gerechnet, wie viel Autos wir bräuchten, um unser normales Familien- und Arbeitsleben aufrecht zu erhalten, wie viele Fahrtstunden drauf gingen und wie viel das kostet, auch wenn man es in Arbeitszeit umrechnet", so Oettl. Schnell seien sie draufgekommen, dass die Rechnung eindeutig für einen Innenstadt-Standpunkt ausgeht. "Nur einmal von den Zahlen gerechnet, noch gar nicht die Lebens- und Familienqualität einberechnet", so Oettl.

Hohe Lebensqualität, kein Auto mehr

Dann ergab sich zufällig die Möglichkeit eines Dachausbaus im achten Bezirk und die Familie hatte die Möglichkeit ein nachhaltiges Konzept des urbanen Lebensstils umzusetzen: "Das Büro befindet sich neben unserer Wohnung und die Eltern meiner Frau wohnen visavis. Wir haben eine große Terrasse, hohe, helle Zimmer und gleichzeitig noch das ökologische Gewissen mit Wärmedämmung und Solarnutzung beruhigt", berichtet Oettl.

Das wichtigste sei aber die Lebensqualität, das hänge mit allem anderen zusammen: "Das lässt sich in einer einfachen Zahl ausdrücken: Vorher hatten wir 30.000 Jahreskilometer mit dem Auto, also möglichst jede Woche raus ins Grüne. Und seit wir hier wohnen, hatten wir jährlich 10.000 Kilometer und seit rund drei Monaten haben wir null, weil wir das Auto verkauft haben. Also innerhalb von zehn Jahren haben wir 200.000 Kilometer eingespart, nur durch Wohnqualität. Wieviel CO2 das ist, kann man sich ausrechnen."

Innere, robuste Struktur und Entwicklungsfähigkeit

"Es ist wichtig bei der Architektur mit dem Credo zu bauen, dass das Haus ein paar Generationen steht und die Struktur entwicklungsfähig zu halten", so Stiles. Wichtig sei eine innere robuste Struktur. "Eine Stadt wird nicht mehr in Prozessen, sondern in Projekten gedacht. Für die Gesamtbilanz wäre es unter umstände jedoch besser, viele Häuser in einem Detail zu verbessern und das Niveau schrittweise anzuheben." (jus, derStandard.at, 2008)