Foto: GRG 3
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Diesmal wird nicht von der Liebe, sondern vom Tod gesungen- bis Mittwoch, 10. Oktober, wird die Oper über eines der dunkelsten Themen der Geschichte und Gegenwart der Menschheit, der Todesstrafe beziehungsweise des "legitimierten Tötens", am Theater an der Wien aufgeführt. Die zeitgenössische Oper von Jake Heggie wurde zum Diskussions- und Projektthema Nr.1 an Wiens Schulen, denn es ist nicht zuletzt die Jugend, welche die Welt verändern will. Amnesty International, der Wiener Stadtschulrat und das Theater an der Wien initiierten das Projekt, dessen Umsetzung der Kreativität der Schülergruppen anvertraut wurde.

Die Oper nach dem gleichnamigen - Oskar prämierten - Film von Tim Robbins handelt von der Ordensschwester Sister Helen, die mit dem , wegen Mordes an zwei Jugendlichen, zu Tode verurteilten Sträfling DeRocher eine Brieffreundschaft eingeht. Sister Helen möchte den Verurteilten dazu bringen, den Mord zu gestehen und damit erreichen, dass die Strafe revidiert und in lebenslange Haft umgewandelt wird. Erst angesichts der "lethal injection" gesteht DeRocher seine Schuld ein und bittet die Angehörigen der Opfer um Verzeihung. In diesem Moment wird das Absurde der Todesstrafe offensichtlich, denn eine Strafe soll ja zur Läuterung und Besserung führen. Die Kommentare des jugendlichen Publikums beim Verlassen der Oper sind daher bestürzte, sehr emotionale, vor allem, da "die Sänger sich am Ende gezielt zu uns wenden und die Todesstrafe in all ihrer Grausamkeit und Sinnlosigkeit dem Publikum näher bringen".

Der Vorstellung von den letzten Momenten des Lebens vor einem sicheren Tod erschreckten schon viele- so zum Beispiel auch Victor Hugo in dem prominenten Roman "Le dernier jour d’un condamné". Es ist vor allem der Angstzustand, den dieser Autor gekonnt festhält und damit das Erschreckende der Todesstrafe veranschaulicht.

Doch die Thematik ist noch viel älter: So widmet sich im Rahmen des Jugendprojekts die 7E und 8F des ORG Hegelgasse dem Prozess gegen Catilina, für dessen Hinrichtung Cicero eine flammende Rede hielt "Wie lange noch, Catilina, wirst du unsere Geduld missbrauchen?". Mit einer Reihe solcher rhetorischer Fragen begann Cicero seine legendären Reden gegen den Verschwörer Catilina, für dessen Begnadigung Caesar eintrat. Auch bei der Betrachtung der frühen Christenverfolgungen im römischen Reich, widmen sich die beiden Klassen der Hegelgasse der Problematik der Todesstrafe heute, verglichen mit antiken Rechtssystemen. "Does killing justify killing?"- diese Frage stellt sich die HTL Ettenreichgasse und veranschaulicht anhand eines Objekts mit Leuchtdioden den Vollzug der Todesstrafe durch Giftinjektion.

Dieselbe Frage stellten sich Schüler der Berufsschule für Informationstechnik Mollardgasse Passanten und erstellten daraus einen Film mit dem Titel "Wortspenden". Laut Mitarbeitern dieses Projekts sei die Anzahl der Befragten, die sich für die Todesstrafe äußern, erschreckend hoch gewesen. Ebenfalls mit der Ausarbeitung von Straßenbefragungen beschäftigte sich die HLMW 9, die dazu Präsentationen veranstaltete.

Eine CD mit einem Song zum Thema erarbeitete die 6B des GRG Ettenreichgasse. Die SchülerInnen vertonten in diesem Song die Meinungen der durch die Verurteilung Betroffenen, zum Beispiel der Mutter und anderer Angehöriger, aber auch Standpunkte des Gerichts und von Menschenrechtsorganisationen wurden eingebaut.

Plakate und Powerpointpräsentationen gestalteten SchülerInnen die 6. Klasse des GRG 23 Alterlaa, das auch Amnesty International für einen Vortrag einlud. SchülerInnen dieser Gruppe gestalteten Plakate mit ansprechenden Titeln wie "Menschlichkeit", "Iustitia", "Schwarz Weiß" und "Time Out".

Einen dreiminütigen Film über die Todesstrafe drehte die 3B der Handelsakademie Polgarstraße und noch jüngere SchülerInnen, nämlich der 1. und 3. Klassen Mollardgasse, verfassten eine Zeitschrift "Spannungsfeld Todesstrafe".

In Österreich wurde die Todesstrafe im Jahr 1968 endgültig abgeschafft, doch dieser für uns schon selbstverständliche Schritt wurde von vielen Ländern noch nicht getan. Die 6C des GRG 3 Hagenmüllergasse gestaltete 12 Plakate, auf denen sich die SchülerInnen in künstlerischer Weise mit allem beschäftigen, was Todesstrafe für sie bedeutet: In Bildern, Gedichten und vielem mehr wird unter Anderem gezeigt, in wie vielen Ländern die Todesstrafe noch ein legitimes Mittel der Vergeltung ist.

Desgleichen malend und meditierend möchte die 7. Klasse des RG/ORG Marianum die Absurdität der Todesstrafe darlegen: "Warum töten wir Menschen, die Menschen töten, um den Menschen zu zeigen, dass töten falsch ist?"

Nach einer Einführung durch den Film Dead Man Walking verfassten Schüler im Wahlpflichtfach Geschichte des BRG 2 einen inneren Monolog, in dem vor allem über die Todesstrafe in den USA sinniert wird. Nach Referaten zum Themenkreis setzte sich jeder Schüler mit einer Person des Films auseinander. Fast nur der Oper widmete sich die 8C des Musikgymnasiums Neustiftgasse, die das Libretto mit dem Drehbuch des Films verglich.

Eine Expertenkonferenz wird von Schülern der Ethikgruppe 7D der Sir Karl Popper Schule organisiert und moderiert: Am 10. Oktober, dem Welttag gegen die Todesstrafe, wird am Theater an der Wien mit zwei ehemaligen unschuldig zu Tode Verurteilten Gefängnisinsassen diskutiert.

Eines ist beruhigend zu wissen: Die österreichische Jugend ist gegen die Todesstrafe. (lal/DER STANDARD Printausgabe, 9. Oktober 2007)