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Steuerte dem "musikprotokoll" zwei Werke bei: der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas.

Foto: APA/Universal Edition/ Marc Marinitsch
Graz - Schwer zu sagen, wie man richtig feiert. In jedem Fall, danke Gemüseorchester! Es war schon stimmungshebend, als das vegetarische Kammerensemble schließlich beim "musikprotokoll" im Stefaniensaal daranging, im Programm "Saftwerk" die Musik des Elektronikklassikers Kraftwerk aus pflanzlicher Sicht zu deuten - mit Melanzani, Karottenflöten, dem aus verschiedenen Gewächsen gebastelten Gurkophon und vielem mehr, was die Natur halt so im Angebot hat.

Es kann die Musik hier im gewissen Sinne gar nicht anders als frisch bleiben, denn vor jeden Konzert muss das Instrumentarium neu erarbeitet werden. Natürlich: Man muss das alles nicht nur gehört, vielmehr auch gesehen haben. Was das Ensemble präsentiert, ist ein optisch-akustisches Gesamtkunstwerk, ein seriös erarbeiteter musikalischer Dauerwitz, der den Instrumenten- und Musikbegriff weitet und somit gut zum musikprotokoll passt, das seinen 40. Geburtstag feierte - an diesem Abend auch in retrospektiver Form.

Das Radio Symphonieorchester Wien umgarnte da Solist Ernst Kovacic beim Violinkonzert von Georg Friedrich Haas im Werksinn, was bedeutet: Die aufgeladen präsentierten Violinäußerungen vollzogen ein Spiel um Nähe und Ferne zum auratischen Orchestersatz, der zwischendurch (für eine wuchtige Beschleunigungs- und Verlangsamungsrunde) zum monumentalen Musikblock mutiert.

Unter der Leitung von Friedrich Cerha kam es dann auch bei ... miramondo multiplo ... von Olga Neuwirth zu einer eleganten Begegnung von Trompetengedanken und Instrumentenkollektiv auf Basis einer Verschmelzung von herbeizitierter Historie und gegenwärtiger Klangraffinesse. Schließlich wurde es ganz ernst bei der Feierstunde: Das Konzert für Bariton und Orchester von Cerha (nach Gedichten von musikprotokoll-Gründer Emil Breisach) wirkt wie ein Requiem der existenziellen Fragen mit den Mitteln der klassischen Moderne. Nahezu übergangslos fügen sich Teile ineinander, als wären sie gebunden durch ein Adagio, in dem das Eruptive nur kurz einen elegischen Tonfall irritiert, bis schließlich alles in eine sich entmaterialisierende Orchesterpracht mündet.

Der Mehrwert

Bei aller Rückschau im Geburtstagsjahr - empfehlenswert auch die akustische Ausstellung im Stadtmuseum -, es gab auch Neuheiten. Manches zeugt von einem tastenden Agieren im Vorzimmer des Gestaltens, manches vom geringen Mehrwert gemeinsamen Komponierens (Die Vorüberlaufenden von Mundry/Pauset), manches vom einlullenden Charme repetitiver Strukturen (triften von Peter Jakober oder Game Boy Rennaissance von Felix Kubin).

Da war aber auch wieder die Bestätigung, wie substanzvoll Beat Furrer mit minimalen Bewegungen umzugehen weiß ( Fragmentos de un libro futuro für das Aleph Gitarrenquartett) und wie viel Strahlkraft ein solches Quartett entwickeln kann, wenn Haas dieses in eine Vierteltonwelt taucht. Auch die Weitung des Musikbegriffs kam zur Sprache. Sei es bei a several number for the laydeez (Jennifer Walshe), wo gleichsam auch vierhändig auf Tischplatten Klavier gespielt wurde; sei es bei Hanna Hartman, die in ihrer Instrumentenküche Eiswürfel und heiße Herdplatten kommunizieren ließ. Im Sinne geräuschhaften Verdampfens. (Ljubisa Tosic /DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2007)