Die Laienrichterin trug ihr Urteil auf der Zunge

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Die Hitze war groß, im Großen Schwurgerichtssaal, an jenem Tag im Juli, an dem Schöffin Petra Zadrazil zum esten Mal so richtig auffiel. Die braungebrannte 37-Jährige, die ihr Haar gern in kurzen Gretl-Zöpfchen trägt, fiel damals auf, indem sie beinah umfiel: Kreislaufprobleme, der Gluthitze im Saal zuzuschreiben.

Groß auch die Hitze beim zweiten kleinen Auftritt der Schöffin, deren Schwester Michaela bis gestern, Montag, bekannter war als sie. Die Presse hatte Ende August aus dem Nähkästchen geplaudert, und erzählt, dass Schwester Michaela die vorübergehende und vorübergehend berühmte Geliebte von "Bulle-von-Tölz"-Darsteller Ottfried Fischer gewesen ist.

Damals hatten sich die beiden Schwestern aber nichts zu sagen, "ich will keinen Kontakt zu Michaela", hatte Schöffin Petra Zadrazil wissen lassen.

Inzwischen dürften sich die beiden Frauen wieder angenähert haben, zumindest räumlich: Ausgerechnet am Montag saß Michaela Treichl (die Schwester) im Zuschauerraum und musste mit ansehen, wie Schwester Petra als Schöffin ausgeschlossen wurde. Der Frau, die laut eigenen Angaben in der Presse "im Rotlicht selbstständig ist und Mädchen Zimmer vermietet", wo selbige ihre Kunden empfangen, ist sozusagen das zum Verhängnis geworden, was zum Fast-Untergang der Bawag beigetragen hat: die Kleinheit Österreichs - übertragen aufs Landesgericht.

Stießen hie Notenbanker und Aufsichtsratsmitglieder der Bank als Freunde und Gäste auf die Bank-Vorstände, so stieß Schöffin Zadrazil da als Stammgast der Kantine des Landesgerichts auf Anwälte - und vor allem Journalisten. In der Früh und in der Mittagspause traf man zusammen und plauderte - Zadrazil zu viel, wie die Vorsitzende des Richtersenats nun entschieden hat.

Dabei war die nunmehrige Ex-Bawag-Schöffin - purer Zufall ist übrigens, dass sie so heißt wie der verstorbene Maler Franz Zadrazil, der Freund der Familie Flöttl, dessen großflächige Werke aus der Gemäldesammlung Wolfgang Flöttls an die Bawag übergegangen und bis heute noch nicht verkauft sind - im Gerichtssaal gern gesehen.

Ab und an stellte sie Fragen an Zeugen oder Angeklagte, ganz besonders interessiert zeigte sie sich für die Ausführungen des Zeugen Karl-Heinz Grasser in der Vorwoche. Er hatte ja erzählt, dass er auf seinen Mitarbeiter, der den kritischen Bawag-Prüfbericht in der Schublade verstauben hatte lassen, "nicht den ersten Stein werfen wollte" - eine Aussage, die die Schöffin mit belegter Stimme hinterfragte: "Was wäre passiert, Herr Doktor, wenn Sie den ersten Stein geworfen hätten?", wollte Sie wissen.

Um einen Magister und Ex-Finanzminister Folgendes antworten zu hören: "Nicht wirklich viel." (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 09.10.2007)