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Im bolivianischen La Higuera, wo Che Guevara vor 40 Jahren getötet wurde, ist sein Bild überall zu sehen.

Foto: Reuters/David Mercado
Santa Cruz/Bolivien - Nach Überzeugung des kubanischen Staatschefs Fidel Castro hätte sich Ernesto "Che" Guevara vor 40 Jahren niemals festnehmen lassen, wenn er eine funktionierende Waffe gehabt hätte. Doch der bolivianische General im Ruhestand, der die Festnahmemission damals leitete, sieht das anders. Der argentinische Revolutionär sei in seinen letzten Stunden keine heroische Figur gewesen, sagt General Gary Prado im AP-Gespräch.

Niedergeschlagen, krank, hungrig, in Lumpen gekleidet und allein im Dschungel habe Guevara seine Waffe fallenlassen und sich mit den Worten ergeben: "Nicht schießen. Ich bin Che."

Weit entfernt vom Rebellen mit Kultsymbolcharakter, zu dem seine Anhänger ihn später machten, sei Che niemand gewesen, der in der Lage war, Terror zu verbreiten, sagt Prado - "sondern einfach jemand, mit dem man Mitleid haben konnte." Der General ist verbittert, dass Guevara noch vier Jahrzehnte später so viel Aufmerksamkeit erfährt.

Umstrittene Feiern zum Todestag

Ihn ärgert, dass der linksgerichtete Präsident Evo Morales eine Feier für den Guerillaführer plant und nicht für die 55 Soldaten, die bei der Niederschlagung der von Guevara angestrebten Revolution in Bolivien ums Leben kamen. Den letztlich fehlgeschlagenen Versuch, dort eine Revolution aufzubauen, bezeichnet Prado als ausländische Invasion.

Castro sieht den Tod seines Revolutionärskollegen und engen Freundes in edlerem Licht. "Verletzt und ohne Waffe konnten sie ihn in einen nahegelegenen kleinen Ort bringen, La Higuera", sagte Castro dem spanischen Schriftsteller Ignacio Ramonet für dessen Buch "100 Stunden mit Fidel". "Am folgenden Tag, dem 9. Oktober 1967 mittags, richteten sie ihn kaltblütig hin."

Prado zufolge kam der Tötungsbefehl nicht von den Agenten des US-Geheimdienstes CIA, die den Trupp seiner Soldaten damals begleiteten, sondern vom seinerzeitigen bolivianischen Präsidenten Rene Barrientos. Dieser habe ein Gerichtsverfahren vermeiden wollen, das Guevara eine globale Plattform für die Verbreitung seiner Thesen gegeben hätte.

Unstrittig ist, dass Guevara seither Menschen weltweit polarisiert - viele fühlen sich von ihm inspiriert, andere sind nicht gut auf ihn zu sprechen. "Haben sie gedacht, dass er als Kämpfer aufhören würde zu existieren, wenn sie ihn töten?" fragte Castro 1997, als die sterblichen Überreste Guevaras unter Kanonendonner zur letzten Ruhe gebettet wurden. "Heute ist er überall, wo es eine gerechte Sache zu verteidigen gibt."

Tatsächlich ist Ches Abbild mit Baskenmütze und Bart noch heute allgegenwärtig auf Postern und T-Shirts, die seine revolutionären Ideale entweder hochleben lassen oder sich darüber mokieren.

Komplexe Persönlichkeit

Wer ihn persönlich kannte, erinnert sich an eine komplexe Persönlichkeit, die von sich selbst und anderen viel forderte. "Er hat immer gemacht, was er angekündigt hat", sagt Alberto Granados, der 1952 mit Che eine Tour auf einem klapprigen Motorrad durch Lateinamerika machte. "Deshalb ist er heute noch zeitgemäß", erklärt Granados, der inzwischen über 80 ist und in Havanna lebt. Als "Die Reise des jungen Che" wurde die Tour 2004 erfolgreich verfilmt.

Kubanische Schulkinder beginnen den Unterricht täglich mit der Parole "Pioniere für den Kommunismus. Wir werden wie Che sein!" Das dürfte nicht leicht sein, sagen die, die Guevara kannten, denn in der Erinnerung von Zeitgenossen war er ein strenger Lehrmeister, der ein karges Leben predigte.

Industrieminister in Kuba

"Er forderte viel von allen und übte, ein persönliches Beispiel abzugeben", schrieb Tirso Saenz, ein Berater Ches zu dessen Zeit als Industrieminister. Während einer Nahrungsmittelknappheit seien ihm und anderen Ministerialbeamten einmal saftige Steaks serviert worden, erinnerte sich Saenz. Daraufhin sei Che wütend geworden und habe alles abräumen lassen. "Niemand rührt dieses Fleisch an. Nehmt es fort", habe er gesagt.

Guevaras kubanische Gegner, die jetzt im Exil leben, erinnern sich an einen Mann, der nicht mit der Wimper zuckte, nachdem er und die Castro-Brüder an die Macht gekommen waren. Es war Guevara, der die Militärtribunale und die anschließenden Hinrichtungen Hunderter Menschen durch Erschießungskommandos beaufsichtigte. Betroffen waren Militärangehörige, Polizisten und andere Vertreter der gestürzten Diktatur von Fulgencio Batista.

Kuba plant für Montag eine Zeremonie an Ches Grab in Santa Clara, wo er die kubanischen Rebellen zu einem entscheidenden Sieg führte. Auch in Bolivien - am Festnahmeort im Dschungel und in La Higuera - sind Feiern geplant. In seinem Geburtsland Argentinien wird eine neue Che-Statue gebaut, Venezuela gibt zu seinen Ehren ein Kunst- und Musikfest, und in der U-Bahn von Mexiko-Stadt malen Studenten riesige Che-Porträts.

Als Guevara sich im Dschungel dem Trupp von 70 bolivianischen Soldaten ergab, habe er gefragt, was sie mit ihm vorhätten, erinnert sich Exgeneral Prado. Zunächst sei ihm gesagt worden, er werde vor Gericht gestellt. "Ich bin für euch lebend mehr wert als tot", habe Che erwidert. Am folgenden Tag wurde Guevara erschossen. Heute wäre er 79 Jahre alt. (Alvaro Zuazo/AP)