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Der US-Konzern Xerox lud vergangene Woche Journalisten in sein europäisches Forschungszentrum XRCE in Grenoble ein, um einen Einblick in neueste Entwicklungen im Bereich der Dokumenten-Verwaltung und Bearbeitung zu geben.

Zsolt Wilhelm

Rückblick

Xerox, ein Unternehmen, das vorwiegend als Hersteller von Druckern und Kopierern bekannt ist, blickt auf eine lange Tradition der Forschung und Entwicklung zurück und ist verantwortlich für zahlreiche wegweisende Technologien, die wir heute im Alltag wiederfinden. Neben dem Laser-Drucker erfanden Wissenschaftler des Konzerns in den 1970er-Jahren im Palo Alto Research Center PARC etwa die grafische Benutzeroberfläche, die Maus, das Ethernet und schließlich auch den ersten Personal Computer (PC).

Konzepte, die später zur Basis des Erfolgs von Unternehmen wie Apple und Microsoft wurden. Xerox selbst hatte das Potenzial des "Computers für Jedermann" unterschätzt und sich anstelle dessen weiter auf die Kernkompetenz des 1906 gegründeten Unternehmens konzentriert.

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Büro

Heute wird der Großteil der Einnahmen durch den Verkauf von Druckern und Kopierern im Unternehmensbereich lukriert. Mit 10 Prozent weltweitem Marktanteil ist man hinter Hewlett Packard (40 Prozent) die Nummer zwei am Markt vor Canon mit etwa 7 Prozent Anteilen.

Im Rahmen der Papierbearbeitung arbeiten in den Labors der insgesamt vier Forschungszentren (drei in Nordamerika, eines in Europa) Forscher und Ingenieure an neuen Verfahren der Dokumenten -Erstellung, -Bearbeitung und –Verwaltung. Allein in Grenoble werken rund 90 Fachkräfte an Technologien von morgen. Einige davon haben wir uns genauer angesehen...

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Sichere Kinokarte

Auf der Suche nach fälschungssicheren Dokumenten stellt sich, neben der Frage nach neuen Verfahren zur Erstellung von Sicherheitsmerkmalen, auch die Frage nach der Kosteneffizienz. Geldscheine wie beispielsweise Euro-Noten sind zwar gespickt mit Siegeln, um deren Fälschung zu erschweren, gleichzeitig aber sehr kostspielig in der Fertigung. Ein Grund, weshalb entsprechende Verfahren nicht genützt werden, um Briefe, Dokumente oder Eintrittskarten zu schützen.

Moderne Produktionsmaschinen schaffen es jedoch auch ohne den Einsatz von speziellen Chemikalien und Farben Sicherheitsmerkmale auf gewöhnliches Papier zu drucken. So macht man sich etwa die Eigenschaften von gebleichtem Papier zu Nutzen, um fluoreszierende Merkmale zu erstellen, die nur unter UV-Licht identifizierbar sind.

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Forscher des Xerox Research Center Webster (N.Y.) fanden nun einen Weg die Farben von Drucker-Tonern im CMYK-System (Cyan, Magenta, Yellow, Black) zu nutzen, um kostengünstig Codierungen zu erstellen, die nur unter Infrarot-Licht ausgelesen werden können. "Es gibt viele Wege, die Toner zu kombinieren, um eine Farbe zu kreieren. Nachdem aber jede Toner-Farbe anders auf Infrarot-Licht reagiert, sind manche (Farb)-Kombinationen unter Infrarot-Licht auszumachen und andere wiederum nicht", erklärt Miterfinder Raja Bala das Verfahren. So könne man Texte erstellen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, aber unter Infrarot-Licht in Erscheinung treten.

Xerox bietet diese Technologie zusammen mit anderen Methoden zur Sicherung von Papier wie etwa MicroText oder Correlation Mark, in seiner Software FreeFlow VI an, die nur zusammen mit hauseigenen Drucker-Lösungen ausgeliefert wird.

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Werde Dunkel-Blau

Ein Program, dessen kommerzielle Nutzung noch in weiterer Ferne liegt, könnte künftig ungeschulten Anwendern die Bearbeitung von Bildern und Fotos erleichtern. Unter "Natural Language Colour" versteht Forscher Geoff Woolfe den Prozess mit Alltagssprache Bilder den eigenen Wünschen nach anzupassen.

Anstatt manuell Farbbereiche auswählen und Regler für Kontrast und Helligkeit justieren zu müssen, wird der Software schriftlich oder per Spracheingebe mitgeteilt, was an einem Foto wie verändert werden soll. Etwa: "make blues deeper" und "make the bright orange slightly less yellow". Später sollen auch andere Sprachen unterstützt werden.

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"Der innovative Part ist die (mathematische) Abbildung von Sprache", sagt Woolfe. Ein Spektrum von Befehlen wird so durch Wörter abgedeckt. Die Grade reichen dabei etwa von "sehr viel" bis "ganz wenig". Zwar ist die Definition von Begriffen wie "dunkel" und "hell" für jeden Menschen unterschiedlich, eine automatisierte Einführung soll allerdings helfen das System schnell und einfach zu kalibrieren. Im schlimmsten Fall gibt es immer noch die Zurück-Taste.

"Gerade im Büro-Umfeld sind viele Nicht-Experten", die von der Technologie profitieren könnten. Dabei wäre nicht nur der Druck-Bereich dafür geschaffen. Auch Anwendungen wie "Photoshop oder Picasa" gäben gute Einsatzfelder ab, so der Entwickler gegenüber dem WebStandard.

Zsolt Wilhelm

Top Secret

Dokumente fälschungssicher zu machen ist eine Sache. Ein anderes Problem ist der Schutz von persönlichen Daten. Zum Beispiel müssen Ärzte die Krankengeschichte ihrer Patienten kennen, gleichzeitig gibt es aber keinen Grund, weshalb nicht behandelndes Personal in einer Ordination, einem Krankenhaus oder einem Labor ebenfalls Einsicht in diese Informationen haben soll, wenn es nur um die Verwaltung von Versicherungsdaten geht.

"Intelligent Redaction" (intelligente Herausgabe) ist ein System aus Werkzeugen zur Sprachanalyse und Rechteverwaltung, das durch halbautomatisierte Prozesse dafür sorgt, dass jeder nur die Informationen erlangt, die auch für ihn vorgesehen sind.

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Angenommen ein Gerichtsfall wird zu Lehrzwecken für Studenten herausgegeben. Da die Identitäten der handelnden Personen geschützt werden sollen, müssen sensitive Informationen weitgehend manuell aus den Übungstexten entfernt werden. Eine Schlagwortsuche unterstützt den Vorgang, ist aber in vielen Fällen ineffizient. Zwar werden so direkte Personenangaben wie Namen herausgefiltert, kontextsensitive Inhalte aber oft übersehen. Beispielsweise hilft es nichts, wenn aus einem FBI-Brief Begriffe wie "Bin Laden" oder "Al Qaida" herausgestrichen werden, wenn die Hinweise "Saudi-Arabien", "Erbe", "Bauunternehmen" bestehen bleiben, erklärt PARC-Forscher Philippe Golle. Eine einfache "Google-Suche" würde die Identität sofort verraten.

Intelligent Redaction, welches künftig auch direkt in Textverarbeitungsprogrammen implementiert werden könnte, soll dem Verfasser von Dokumenten helfen automatisch individualisierte Versionen zu erstellen. Personen mit unterschiedlichen Nutzungsrechten sollen so nicht mehr sehen als erlaubt und gerade benötigt. Eingebunden in Dokumenten-Verwaltungsserver von Unternehmen werden dann je nach Nutzungsrechten automatisch entsprechende Text-Versionen ausgegeben. "Irrt sich der Computer, kann der Mensch immer noch nachbessern", versichert Golle.

Einsatzgebiete wären etwa das Finanz- oder Gesundheitswesen. Eine Großzahl gängiger Formate wie .doc oder .pdf werden unterstützt. Noch befindet sich die Technologie allerdings im Projekt-Stadium.

Zsolt Wilhelm

"Antworten statt Ergebnisse"

Wenn Sie heute nach einem Thema im Internet suchen, führt die Benutzung aktueller Suchmaschinen oft zu unbefriedigenden Ergebnissen. Das Problem liegt in der Art und Weise, wie Google, Yahoo und Co. Informationen auf die Spur geht. Inhalte werden nach Stichwörtern durchforstet, relevante Zusammenhänge außer Acht gelassen. Neben Unternehmenslösungen wie System One oder Autonomy stellte vor einiger Zeit auch Xerox seine intelligente Suchmaschine FactSpotter vor.

Entwicklerin Frédérique Segond erläutert das System folgendermaßen: Sucht man einen Text beispielsweise nach "Steve Jobs" ab, streicht FactSpotter auch Passagen mit dessen Pronomen "Er" oder auch "CEO von Apple" heraus, liefert also kontextbasierte Ergebnisse. Noch dazu unterscheidet das Programm zwischen Zusammenhängen und differenziert etwa "Steve Jobs sagte" und "ein Kollege von Steve Jobs sagte". Anders als konkurrierende Systeme soll Xeroxs Lösung unabhängig von Sprache, Lokalisation und Format der Dokumente Ergebnisse liefern.

Obwohl die Suchmaschine tausende, gar Millionen Inhalte in kürzester Zeit durchleuchten kann, wird FactSpotter in nächster Zeit nur für Unternehmenskunden in Form der Xerox Litigation Service Plattform angeboten werden. Über den Zugang für die breite Masse wird noch diskutiert.

Off-Topic: Die Kollegen von TechCrunch wetten bereits, dass ein Steve Jobs-Charakter die Technologie stehlen und sie zum nächsten Google ausbauen wird – Geschichte wiederholt sich…

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"Wo habe ich dieses Foto schnell nochmal geschossen?"

Abgesehen von der Aufarbeitung geschriebener Inhalte wird im Web auch die multimediale Kategorisierung immer wichtiger. "Ein typisches Szenario ist der Blog", beschreibt Marco Bressan, verantwortlicher Manager, das Anwendungsfeld. Man schreibt einen Eintrag aus dem Urlaub und möchte noch ein paar Fotos hinzufügen. Mit Hybrid-Categorization soll dank einer Datenbank nicht nur gleich erkannt werden, was die Bilder zeigen, sondern auch automatisch ein Zusammenhang zum vorliegenden Text erstellt werden.

Bei der Software-Demonstration präsentierte Bressan einen fertigen Blogeintrag. Dann fügte er noch die Fotos hinzu. Das System erkannte die Bilder, schrieb ihnen Eigenschaften wie Berg, Brasilien, Sao Paolo und Sonne zu und reihte sie passend zu den jeweiligen Textpassagen an, per Knopfdruck. Künftig sollen auch Videos, Podcasts, Lieder und Geo-Datendienste von der Hybrid-Categorization profitieren. Einsatzgebiete wären Content Management Systeme, Blogs oder Redaktionssysteme.

Zsolt Wilhelm

Zauber-Tinte

So sehr die Erfindung des selbstlöschenden Papiers auch Kindheitserinnerungen weckt, mit Zauber-Tinte hat das "green product" nichts zu tun. "Im Alltag werden zahlreiche Ausdrucke von Emails oder Webseiten nur wenige Stunden gebraucht. Materialien, die nur einmal angesehen und dann weggeworfen werden", betont Labor-Manager Paul Smith vom Xerox Research Center of Canada und zeigt während dessen auf eine mögliche Lösung zur Müllreduzierung. Spezielles Papier, das preislich auf dem Niveau konventioneller Materialien liegen soll, lässt sich mit Licht, anstatt Tinte beschreiben und praktisch beliebig oft wieder bedrucken. "Jedes Mal vor dem Drucken löscht der Drucker das Blatt", erklärt Smith den Vorgang.

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Mehr noch, nach 16 bis 24 Stunden löscht sich das Papier selbst. Dass man damit den Papiermüll abschaffen für immer wird, glaubt zwar auch Smith nicht, "es wäre aber auch schon ein Fortschritt, wenn nur jedes zweite Blatt im Papierkorb landet". Der Drucker selbst ist kleiner als ein einfacher SW-Laser-Drucker für den Heimbereich und soll laut Xerox ähnlich kostengünstig sein. Das Papier weist äußerlich keine besonderen Merkmale auf, die Druckfarbe ist dunkelblau. Der Druckvorgang geht flott dahin. Für Leser, die hie und da auch gerne Passagen unterstreichen, wären künftig entsprechende Licht-Marker denkbar.

Klingt einbisschen nach StarWars, der WebStandard durfte sich dann aber selbst von der Renaissance des Papiers überzeugen. Bis zur Marktreife dauert es allerdings noch. (Zsolt Wilhelm)

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