Der Ausgangspunkt der teils enormen Kursverluste waren die Entwicklungen rund um das Geschäft mit Hypotheken niedriger Bonität.

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Waren zunächst nur Banken in den USA betroffen, kommt es mittlerweile auch in Europa zu spektakulären Auswirkungen der Subprime-Krise. Diese betrifft nicht nur die Aktienanleger, die derzeit die Finger von Finanzwerten lassen, sondern vor allem auch das Vertrauen der Banken untereinander.

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In den USA stecken Immobilienspekulanten in der Klemme: Viele Hauseigentümer können ihre Kredite nicht mehr bedienen. Grund für die Krise ist das Geschäft mit riskanten Hypothekenkrediten an Hunderttausende Amerikaner mit geringer Kreditwürdigkeit (Subprimes). Die Kredite werden während des fünf Jahre anhaltenden Immobilienbooms häufig ohne Anzahlung und mit zu Anfang extrem niedrigen, aber variablen Zinsen angeboten. Damit wurden einkommensschwache Kreditnehmer zum Hauskauf verleitet. So lange die Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen jährlich prozentual zweistellige Preiserhöhungen verzeichnen, sind alle Beteiligten zufrieden. "Man spekulierte auf Gewinne, um neue Immobilien zu erwerben und um die Kredite abzudecken", so Fritz Mostböck, Chefanalyst der Erste Bank. Von einem Pyramidenspiel will er dennoch nicht sprechen: "Es war schlicht ein Prozess, der nicht in alle Ewigkeit fortgesetzt werden konnte."

Wie auch die Tatsachen zeigen: Seit mehr als einem Jahr fallen die Immobilienpreise. Gleichzeitig erhöhen Banken die Zinsen der vor einigen Jahren zu Sonderkonditionen abgeschlossenen Hypothekenkredite massiv. Viele können die Tilgungen nicht mehr leisten und geraten in Verzug oder stoppen die Zahlungen ganz.

Aktien im Keller

Mehr als zwei Dutzend der auf Risikokredite spezialisierten US-Hypothekenfirmen sind inzwischen insolvent oder auf der Suche nach Käufern. Die Aktien vieler einschlägiger Firmen wie der New Century Financial verlieren in kurzer Zeit 80 bis 90 Prozent an Wert. Ihre eigenen Kreditgeber drehen den Geldhahn ganz oder teilweise zu. In Europa werden die Deutsche Industriebank AG und die SachsenLB durch konzertierte Aktionen vor dem Zusammenbruch bewahrt, die britische Northern Rock kämpft noch ums Überleben.

Zeitgleich beeilen sich viele Bankhäuser mit Erklärungen, dass sie nicht auf dem kollabierenden Markt für US-Kreditderivate vertreten sind. Den wahren Stress im Finanzsystem entdeckt man aber, wenn man auf die Geldmärkte schaut, dorthin also, wo sich Banken untereinander Geld für ein paar Tage bis hin zu ein paar Monaten leihen. Dort findet entweder gar kein Handel mehr statt oder nur zu ungewöhnlich hohen Zinssätzen. Mostböck: "Die Vertrauenskrise in den Treasuries erzeugt erhebliche Unsicherheit. Nicht umsonst haben die Notenbanken weltweit Milliarden in den Markt gepumpt." Und: "Jeder Tag, an dem kein Risiko eingegangen wird, bedeutet auch, kein Geld zu verdienen."

Quartal der Wahrheit

Ein weiteres Problem ist die vorherrschende Unsicherheit der Branche, wer, wann und in welchem Umfang die aus der US-Immobilienkrise resultierenden Verluste schultern werden muss. Keiner der Beteiligten kann derzeit mit Sicherheit sagen, wie die Risiken verteilt und in den Büchern versteckt sind. Die vorhandenen Fragezeichen führen zu enormen Misstrauen unter den Marktteilnehmern. Zur Entspannung der Märkte beitragen sollten letztlich die Ergebniszahlen der internationalen Banken für das dritte Quartal. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es bereits: Die weltgrößte Bank, das US-Finanzhaus Citigroup, veröffentlichte vergangene Woche eine Gewinnwarnung - das Ergebnis im dritten Quartal werde voraussichtlich bei Abschreibungen von mehr als drei Mrd. Dollar (2,12 Mrd. Euro) um 60 Prozent sinken. Auch die Schweizer Großbank UBS hat es kalt erwischt: Hier wird ein Verlust von 600 bis 800 Millionen Franken (360 bis 480 Mio. Euro) erwartet und auch die Deutsche Bank legt die Karten auf den Tisch: Deutschlands Branchenführer muss wegen der weltweiten Krise im dritten Quartal 2,2 Mrd. Euro abschreiben.

Die Liquiditätskrise macht aber auch Prognose-Anpassungen erforderlich. An den europäischen Börsen halten Erste-Bank-Analysten eine Kursrallye zum Jahresende jedenfalls für unwahrscheinlich. Mostböck: "Nach dem Sell off der vergangenen Monate sehen wir eine steigende Entwicklung für Oktober/ November von acht bis zehn Prozent." Aus heutiger Sicht soll der Euro nach einer erwarteten Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank um weitere 25 Basispunkte gegen Ende des Jahres um die 1,40-Marke zum Dollar pendeln und sich erst 2008 wieder leicht abschwächen. (Sigrid Schamall)