Innsbruck - Kommt die "Mindestsicherung" in der von Sozialminister Buchinger geplanten Form, "dann wird es dabei auch Verlierer geben". Das war der Tenor eines Vortrags des Politologen Emmerich Talos anlässlich der Neueröffnung der Beratungsstelle Dowas in Innsbruck - und deckte sich auch mit der Einschätzung von Dowas-Leiter Stefan Schnegg.

Wie berichtet, peilt Buchinger ab 2009 die Einführung einer Mindestsicherung von 850 Euro brutto monatlich an. Das entspricht, bei 14-maliger Auszahlung, 726 Euro (abzüglich Krankenversicherungsbeiträge) pro Einzelperson.

"Viele Notstandshilfebezieher würden profitieren, aber unter unseren Klienten gäbe es viele, die dann weniger Geld zur Verfügung hätten", kritisiert Dowas-Chef Schnegg. Zentraler Knackpunkt seien die Wohnungskosten, auf die im Modell der Mindestsicherung 25 Prozent entfallen, also rund 200 Euro. "In Innsbruck sind aber Garconnieren inklusive Betriebskosten nicht unter 400 Euro zu haben." Nach dem Tiroler Grundsicherungsgesetz (das vor zwei Jahren das Sozialhilfegesetz abgelöst hat) erhalten Einzelpersonen monatlich 431,20 Euro plus die tatsächlichen Wohnungskosten. Darüber hinaus werden aber auch Mietkosten bezahlt.

Schnegg verlangt nun, dass bei der Mindestsicherung unterschiedliche Wohnungs-, beziehungsweise Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden.

Talos teilt diese Sichtweise und nennt darüber hinausgehende Schwachstellen im Mindestsicherungsmodell. Am gravierendsten sei, sagte der Professor, dass mit den geplanten Sätzen die EU-Kriterien für die Armutsgefährdung deutlich unterlaufen würden. Rund 900 Euro monatlich brauche es in Österreich, um die Armutsschwelle zu überspringen. "Absurd" ist für Talos, dass im jüngst abgeschlossenen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern deren Mehrbelastung für die Mindestsicherung mit 50 Mio. Euro beziffert wurden und in der Vereinbarung daneben die Worte "Details sind noch ungeklärt" stehen. "Das geht so nicht", ärgert sich Talos, "wer wird dafür aufkommen, wenn es mehr kostet?"

Regressregelung

Talos sprach sich in Innsbruck auch gegen die vorgesehene Regressregelung aus - die offenbar auch der Sozialminister selbst nicht mehr will. Zumindest kündigte Buchinger in der Vorwoche bereits an, dass es mittlerweile "einen breiten Konsens gibt, dass der Regress fallen soll", wenn ein Betroffener, der Mindestsicherung bezieht, eine neue Arbeitsstelle bekommt.

Insgesamt sei das vorliegende Modell zur Mindestsicherung "ein Schritt in die richtige Richtung", betonte Talos. Existenzsicherung sei für viele nicht mehr über Erwerbstätigkeit möglich, die Mindestsicherung daher eine notwendige Ergänzung zur Sozialversicherung. Nach "sechs Jahren Stillstand" unter der schwarz-blau-orangen Regierung stehe die aktive Armutspolitik nun immerhin wieder im Regierungsprogramm. (hs/DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2007)