Es genügt nicht, Gehörlose dazu aufzufordern, die Begleittexte in einer Ausstellung zu lesen. Vielmehr brauchen sie spezielle Übersetzungen in Gebärdensprache, die sich wesentlich von der Laut- und Schriftsprache unterscheidet.

Foto: NOUS-Guide
Foto: NOUS-Guide

"Der Text, der Eingang Maschine Übersetzer und die Zeit vier wird, in dieser Art des Situation Deutschen auf französisches, französisch auf englisches, englisch auf Chinesen und wieder hinter dem Deutschen das Resultat die Wortmischung übersetzt, die nicht innen verstehen kann."

Das kommt heraus, wenn man einen Text vom Computer übersetzen lässt. Die Worte stimmen, aber der Zusammenhang ist unverständlich. Ähnlich kann man sich das Textverständnis eines Gehörlosen vorstellen, der etwa eine komplizierte Erklärung liest. Gehörlose verstehen die einzelnen Wörter, den Textzusammenhang können Sie aber schwer nachvollziehen. Grund dafür ist die spezielle Ausdrucksform der Gebärdensprache. Sie funktioniert anders als gesprochene Sprache. Für Menschen, die mit der Gebärdensprache aufwachsen, ist die Laut- und Schriftsprache eine Fremdsprache. Nun wird in Wien ein Gerät entwickelt, das in seiner Form europaweit völlig neu ist und Gehörlosen individuelle Führungen durch Museen ermöglichen soll.

Sehen statt hören

Alexander Stickelberger von NOUS, Hersteller von Multimedia- und Audio-Guides für Museen, und Georg Tschare von equalizent, das sich auf Beratungs- und Schulungstätigkeit für Gehörlose und schwer Hörende sowie auf Gebärdensprache spezialisiert hat, setzen sich mit diesem Thema intensiv auseinander und suchen nach Möglichkeiten, die Barriere zwischen hörend und gehörlos zu überwinden. "Alle unsere Mitarbeiter beherrschen zumindest teilweise die Gebärdensprache, viele Mitarbeiter sind selber gehörlos. In Österreich gibt es etwa 8.000 Gehörlose", erklärt Georg Tschare die Situation.

Die Suche von NOUS nach einer Möglichkeit, Videos in Gebärdensprache für die bereits vorhandenen Multimedia-Guides zu erstellen, führte zu equalizent und damit zu einem Projekt, das dem Zentrum für Innovation und Technologie (ZIT) eine Förderung Wert war. Beim ZIT, der Technologieagentur der Stadt Wien, gehen regelmäßig Bewerbungen für Förderwettbewerbe ein. "Im Rahmen des Calls 'Vienna enabled' haben wir 21 Einreichungen erhalten. Ein Expertenteam aus den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft hat nach einem standardisierten Bewertungssystem jene Projekte ausgewählt, die die Kriterien für Forschung und Innovation nach allen Anforderungen erfüllen. Das Projekt von equalizent ist dabei als Sieger hervorgegangen", so Christian Bartik von ZIT.

Spezielle Anforderungen gemeinsam meistern

Das BA-CA Kunstforum stellt bereits seit zwei Jahren Multimedia-Guides in Gebärdensprache von NOUS für Ausstellungen zur Verfügung. Von Beginn an gab es dabei eine enge Zusammenarbeit mit dem ÖGLB (Österreichischer Gehörlosenbund), der sowohl inhaltlich als auch die Produktion betreffend für eine adäquate Übersetzung von Ausstellungsinhalten in Gebärdensprache zur Verfügung stand. Lena Schramek, gehörlose Kunstvermittlerin des BA-CA Kunstforum, entwickelt dabei, basierend auf den Informationsmaterialien zu den Ausstellungen, die Umsetzung in Gebärdensprache.

"Die bisherigen Erfahrungen mit dem Gerät haben uns gezeigt, dass es nicht reicht, nur die Lautsprache in Gebärdensprache zu übersetzen, um einen Multimediaführer für Gehörlose zu entwickeln. Außerdem hat sich gezeigt, dass auf technischem Gebiet noch sehr viel Weiterentwicklung möglich und auch notwendig ist", erklärt Alexander Stickelberger den Entschluss von NOUS, mit dem Multimedia-Guide in eine nächste Entwicklungsstrufe zu gehen.

"Das Problem mit der Gebärdensprache ist, dass sie eine völlig andere Logik hat, als die Lautsprache. Von Gehörlosen zu erwarten, dass sie einfach die Ausstellungstexte lesen sollen ist unangebracht. Will man einen Multimedia- Guide für Gehörlose entwickeln, so muss ein Video in Gebärdensprache produziert werden, in dem Gebärdensprachdolmetscher Ausstellungsinhalte in einer Form vermitteln, die von Gehörlosen verstanden wird", erläutert Georg Tschare die Aufgabenstellung.

"Bei der Verwendung von Multimedia-Geräten entstehen eine Reihe technischer Probleme, wie etwa die Ausführungsgeschwindigkeit des Gerätes, das Gebärden möglicherweise verzögert darstellt und so ihre Bedeutung verändert. Es muss also in einem Tempo gebärdet werden, das technisch umsetzbar ist. Weiters müssen die Farben von Hintergrund und Kleidung der DolmetscherInnen normiert werden, um Kontraste und damit die Lesbarkeit der Gebärden zu optimieren."

"Für die Guides muss die gesamte Technik erneuert werden. Was für die herkömmlichen Audio-Guides ausreichend ist, bietet für die Gehörlosen-Guides nicht die nötige Qualität, um Videos gut lesbar abzuspielen", schildert Alexander Stickelberger die technischen Anforderungen.

In der ersten Phase wird der Guide mit Videos in österreichischer Gebärdensprache bespielt. In Zukunft sollen diese Videos in andere Sprachen übersetzt werden. Gebärdensprachen aus verschiedenen Ländern unterscheiden sich untereinander nicht so stark wie Lautsprachen. "Möglicherweise werden wir die Videos auch in der "International Sign" erstellen, um einem internationalen Publikum Rechnung zu tragen", so Tschare.

Lösung für schwer Hörende

500.000 schwer Hörende gibt es in Österreich. Viele davon können einer Altersgruppe zugeordnet werden, die vermehrt Ausstellungen und Museen besucht. Der Gehörlosen-Guide soll daher eine Zusatzfunktion erhalten, die es schwer Hörenden ermöglichen wird, an Führungen teilzunehmen. Bisher war das Trägern von Hörgeräten durch die schlechte Akustik in Ausstellungsräumen nur schwer zugänglich. Nebengeräusche werden verstärkt, der Vortragende wird kaum wahrgenommen und von vielen wurde das Hörgerät einfach abgeschalten. Audioguides mit Kopfhörern funktionieren nicht, da es bei der Übertragung der Töne zu Störungen kommt. Die Lösung wären sogenannte "Induktionsgeräte". Sie funken Töne in einer speziellen Frequenz von einem Mikrophon ins Hörgerät, wodurch störende Nebengeräusche ausgefiltert werden. Diese Induktionsgeräte sollen in den neuen NOUS-Guide integriert werden.

Wien Museum und MUMOK sind an der Entwicklung des Guides beteiligt und testen das Gerät auf seine Alltagstauglichkeit. Das Wien Museum hat 2007 eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Barrierefreiheit ins Leben gerufen, die das Wien Museum Karlsplatz sowie sämtliche Außenstellen auf ihre Zugänglichkeit für behinderte Menschen überprüft. Damit soll festgestellt werden wie und ob das 2006 erlassene Gleichstellungsgesetzt für behinderte Menschen auf das Wien Museum anwendbar ist.

In Zusammenarbeit mit Behindertenorganisationen wie Bizeps, dem Verein MAIN – Plattform für integrative und barrierefreie Medien- und Kulturarbeit und dem Blindenverband sowie bei Begehungen der Dauerausstellungen mit sehbeeinträchtigten und blinden Menschen und Rollstuhlfahrern wurden Barrieren im Museum ausfindig gemacht.

Der Erfahrungsaustausch mit anderen Organisationen und Büros, die sich mit Barrierefreiheit in Kunst und Kultur auseinandersetzen, wie etwa PlanSinn aus Wien oder Eva Orfner vom Kunsthaus Graz, die dort zuständig ist für Menschen mit Behinderung, lieferte wertvolle Informationen und so konnten einige kleinere Maßnahmen getroffen werden, etwa neue Standards für Dauerausstellungen, die Durchgangsbreiten oder die Höhe von Hängungen festlegen.

"Wir stehen erst am Anfang eines Prozesses, der aus vielen kleinen Schritten besteht," ist Peter Stuiber vom Wien Museum überzeugt. "Erleichterungen für Menschen mit Behinderung sind oft sehr kostspielig, vor allem wenn es sich um bauliche Maßnahmen handelt. Wir können nur im Rahmen unserer budgetären Möglichkeiten handeln. Das NOUS-Projekt eines barrierefreien Multimedia- Guides, das wir für die Römischen Ruinen Hoher Markt ab Sommer 2008 einsetzen wollen, erfüllt in diesem Sinne zwei Voraussetzungen: Er ist eine Weiterentwicklung in Richtung Barrierefreiheit und er stellt eine relativ leicht finanzierbare Möglichkeit dar, gehörlosen und schwer hörenden Besuchern individuelle Führungen zu ermöglichen".

Internationale Interessen

Die nächste Testphase mit dem neu entwickelten Guide wird im Technischen Museum Ende Oktober 2007 statt finden. Die Testpersonen kommen vorerst von equalizent, später sollen sich vor allem Gehörlose aus Wien an dem Test beteiligen. Zum ersten Mal soll das Gerät im Mai 2008 als fertiges Produkt zum Einsatz kommen, wobei es bereits jetzt Pläne für die Weiterentwicklung gibt. Auch von internationalen Museen wurde bereits Interesse an den Geräten bekundet. In Europa gibt es zwar ähnliche Guides für Gehörlose, allerdings befinden sie sich in einer Entwicklungsstufe, die hinter dem neuen Guide von NOUS steht. (red)