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Wien – "Ewig" ist relativ. Denn im Wiener Stadtschulrat reichen die (elektronischen) Archive nicht weit genug zurück, um zu erklären, wann das erste Mal Wiener Schüler mit dem Kampfschrei "Eine Spende für den Stephansdom!" Passanten das unbeklebte Durchschreiten der Stadt unmöglich machten. Da rutscht Beamten der Schulverwaltung schon ein "seit ewig" heraus. Und ewig hat auch Gegenwart und Zukunft: Am Wochenende schepperten tausende Sammelteams durch Wien.

Zwei Mal pro Jahr

Zweimal im Jahr werden Wiens Schüler traditionell schulfrei gestellt, um Geld zu sammeln: Für das Rote Kreuz und zur Rettung des Domes. Aber dass die Kinder tatsächlich aus Überzeugung auf die Straße gehen, glauben nicht einmal die, die ihnen die Büchsen in die Hand drücken. Früher, als Samstag noch nicht schulfrei war, wurden Freitagnachmittag, Samstag und Sonntag als Sammeltage ausgelobt. Nun ist aber auch der Montag Sammeltag: "Das ist ein bisserl der Benefit für die Schüler", erklärt dazu der Sprecher der Erzdiözese Wien, Erich Leitenberger. Und Dompfarrer Toni Faber unterstreicht den pädagogischen Ansatz des ewigen Auftrages: "Es ist die junge Generation, die später einmal den Dom erhalten muss. Umso besser ist es, wenn sich die jungen Leute jetzt schon damit befassen."

Freilich kann die Erzdiözese "seit ewig" präziser umreißen als die Schulbehörde: Heuer sammeln die Schulkinder zum 31. Mal für den "Steffl". Im Vorjahr, bei der 30. Sammlung, lieferten die 5000 Sammler nach drei Tagen Schnorren exakt 49.390 Euro und 86 Cent ab: Nicht ganz zehn Euro pro Sammler – drei Euro pro Kopf und Tag.

"Unzeitgemäß"

Nicht zuletzt deshalb sähen Spenden- und Sammelprofis die Schepperdosensammelei gerne prinzipiell hinterfragt. "Das ist eine sehr traditionelle, althergebrachte und eigentlich absolut unzeitgemäße Sammelform, die an der Realität vorbeigeht", kritisiert Gerhard Bittner, der Direktor des österreichischen Institutes für Spendenwesen. "Das hat man früher so gemacht – und deshalb bleibt es so."

Was Bittner noch mehr als die Ineffizienz ("das ist auf Groschenbeträge ausgelegt") irritiert, ist die "Entkoppelung" von Anlass und Sammler: "Die Kinder halten die Dose hin und haben schulfrei, aber es gibt keine Informationen, worum es geht. Das erinnert an Bettelei, nicht an Spenden." Spenden, erinnert der Charity-Experte, setze darüberhinaus auch echte Freiwilligkeit des Gebens voraus – und die Identifikation mit dem Thema. "Bei diesen Straßensammlungen gilt oft: ‚Spenden als Abwehr.‘ Das kann nach hinten losgehen." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe, 4.10.2007)