Ende Juni ist die Telekom Austria-Tochter Mobilkom mit einem neuen Mobilfunkdienst in Serbien gestartet, vor zwei Wochen hat sie in Mazedonien ihren Betrieb aufgenommen - jetzt ist auch ihr Einstieg im weiter entfernten Weißrussland fix. Nach einer nächtlichen Marathonverhandlung hat die Telekom Austria am Mittwoch um 5:30 Uhr in Genf den Kaufvertrag für den zweitgrößten weißrussischen Mobilfunkanbieter MDC unterzeichnet. Schon 2008 will das Unternehmen aus der MDC-Übernahme zusätzliche Gewinne lukrieren.

Rund eine Milliarde Euro

Der Kaufpreis beträgt voraussichtlich rund eine Milliarde Euro - relativ günstig, wie Analysten anmerken, nicht zuletzt weil in der Übernahme auch ein gewisses politisches Risiko steckt, wie Telekom-Chef Boris Nemsic einräumt. Kritiker bezeichnen Weißrussland unter der Führung des umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko als die letzte Diktatur Europas. Die Strabag etwa hat einen Markt-Einstieg unter Lukaschenko ausgeschlossen. Andere heimische Firmen, die Raiffeisen International und die Wiener Städtische, sind aber schon dort. Der Kurs der Telekom Austria-Aktie ist am Mittwoch um über 3 Prozent gestiegen. In Finanzkreisen war in den vergangenen Wochen über einen deutlich höheren Kaufpreis spekuliert worden.

Dollar

Gezahlt wird in Dollar. Der starke Euro hat deshalb den Kaufpreis für die Telekom zuletzt reduziert. Von den umgerechnet 1,05 Mrd. Euro zahlt die Telekom an den bisherigen Eigentümer, die zypriotische SB Telecom des syrischen Geschäftsmanns Ead Samawi und seiner Partner, 70 Prozent, also 730 Mio. Euro, sofort mit Abschluss des Deals, der noch im laufenden Quartal stattfinden soll. Samawi hält danach vorerst noch 15 Prozent an MDC. Die restlichen 15 Prozent gehören dem österreichischen Geschäftsmann Martin Schlaff, der wie schon in Bulgarien als Türöffner für die Telekom fungiert haben soll und in der ersten Tranche keine Anteile abgegeben hat.

Die Telekom Austria hat für die beiden verbliebenen Anteilspakete eine Kaufoption erhalten, wonach sie die Anteile im 4. Quartal 2010 um einen Betrag von ungefähr 320 Mio. Euro erwerben kann. Etwas kann der Preis noch steigen, denn für diesen zweiten Betrag gibt es eine erfolgsabhängige Komponente. Die Gesamtzahlungen könnten damit theoretisch über das 6,5-Fache des operativen Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) der MDC 2010 ansteigen. Davon geht die Telekom Austria derzeit aber nicht aus.

Umsatz von 263 Mio. Euro

2006 hat MDC laut Telekom einen Umsatz von rund 263 Mio. Euro erzielt und dabei einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von rund 159 Mio. bzw. einen Netto-Jahresüberschuss von umgerechnet etwa 83 Mio. Euro erzielt - wobei die Zahlen noch mit Vorsicht zu genießen sein dürften. Die Telekom Austria dürfte mit der MDC einen guten Kauf gemacht haben, wobei er jedoch nicht ganz sicher sei, ob die Due Diligence "eingehend genug" gewesen sei, sagte der österreichische Handelsdelegierte Hans Kausl, der von Moskau aus das Nachbarland mit betreut, am Mittwoch zur APA.

Die gute Nachricht für die Telekom-Aktionäre: Auf die versprochenen Dividenden-Zahlungen der Telekom soll die Übernahme der weißrussischen MDC keine Auswirkungen haben. Der Aktienrückkauf bei der Telekom Austria wird nach der Übernahme dagegen nicht vor Ende 2008 weitergehen. Bis dahin sollte die Nettoverschuldung aber wieder auf das 2-Fache des EBITDA zurückgehen, wenn nicht noch zusätzliche Akquisitionen dazu kämen, erklärte Finanzvorstand Hans Tschuden am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Eine Kapitalerhöhung ist aber umgekehrt auch kein Thema, versicherte Tschuden. Geprüft würden stattdessen verschiedene Szenarien - von einer mögliche Anleihe bis hin zu neuen langfristigen Kreditlinien. Man werde nach den Turbulenzen an den Kreditmärkten aber abwarten und ein günstiges Fenster nützen.

14-Millionen-Kunden-Grenze

Mit der gesamten Mobilkom-Gruppe will Nemsic demnächst die 14-Millionen-Kunden-Grenze durchbrechen. Bis zum Halbjahr kam der Konzern mit Österreich und seinen bisherigen Auslandstöchtern in Bulgarien, Kroatien, Slowenien und Liechtenstein schon auf 10,8 Millionen Kunden. In Serbien, wo die Mobilkom mit der Tochter VIP mobil im Juli gestartet ist, hat das Unternehmen bereits über 100.000 Kunden. Auch in Mazedonien sind es laut Nemsic schon über 10.000. Jetzt kommen mit Weißrussland noch einmal über 2,7 Millionen dazu. Expansionspläne in Bosnien hält die Telekom Austria aufrecht. Fortschritte hatte sie zuletzt im vierten Quartal erhofft. Neues gibt es aber noch nicht, so Nemsic. Weitere Ziele würden geprüft. Konkrete Pläne gebe es aber nicht.

Die MDC ist nach A1 in Österreich und der bulgarischen MobilTel jetzt das drittgrößte Mobilfunkunternehmen im Konzern und mit einer operativen Gewinnmarge von fast 60 Prozent jetzt "das profitabelste Unternehmen in der Telekom-Austria-Gruppe". "Wir erhöhen damit außerdem die Größe des von uns adressierbaren Marktes um rund 30 Prozent auf 44 Millionen Einwohner", erklärte Nemsic: Er sieht in Weißrussland noch "starkes Wachstumspotenzial". Per Ende Juni dieses Jahres hatten demnach erst 66 Prozent der Weißrussen ein Handy. In Österreich, Bulgarien oder Kroatien kommt auf jeden Einwohner schon mehr als ein Mobiltelefon.

"Ferner"

Marktführer in Weißrussland ist MTS, der zu 49 Prozent dem gleichnamigen größten russischen Mobilfunker und zu 51 Prozent dem weißrussischen Staat gehört. Zwei weitere, kleinere vollstaatliche Mobilfunker spielen nur unter "ferner liefen" mit.

Für Nemsic ist MDC jetzt "der erste vollprivatisierte und damit westliche Mobilfunker des Landes". Zum politischen Umfeld in Weißrussland wollte er sich nicht äußern. "Es ist nicht meine Aufgabe, die politische Lage in einem Land der Welt zu beurteilen", so der Telekom-Chef. Grundsätzlich fühlt er sich aber an Kroatien erinnert, wo, als die Telekom dort einstieg, noch Franjo Tudjman regierte, der ebenfalls nicht als lupenreiner Demokrat galt. Auch Bedenken, dass die Regulierungsbehörden - das Kommunikationsministerium in Minsk und das "staatliche Inspektorat für elektrische Information" - die Mitbewerber bevorzugen könnte, hat Nemsic nicht.

Beispiel

Weißrussland könnte den Deal jetzt nach Einschätzung politischer Beobachter als Vorzeigebeispiel bei der Welthandelsorganisation WTO helfen, die zuletzt stark darauf gedrängt hatte, dass das Land seine Telekommunikationsmärkte weiter liberalisiere. Das könnte der weißrussischen Führung helfen, künftig auch leichter an internationale Kredite heranzukommen. In den vergangenen Monaten war Weißrussland schon zweimal mit Russland zusammengestoßen, weil das Land offene Gasrechnungen bei der Gazprom nicht zeitgerecht begleichen konnten.(APA)