STANDARD: Herr Minister, bitte um eine Grußbotschaft an jene Medizin-Studierenden, die brav gebüffelt und ihre Prüfung sogar bestanden haben und jetzt mitunter bis zu einem Jahr auf der Wartelisten hängen.

Hahn: Ich habe vor einem halben Jahr mit der Medizin-Uni Wien, damit sie ihre Warteliste abbauen kann, eine Vereinbarung, auch finanziell dotiert mit 50,8 Millionen Euro extra, getroffen: Die Zahl der Studienplätze beziehungsweise Übungsplätze wurde auf drei Jahre begrenzt von 600 auf 720 aufgestockt – angesichts der uns bekannten Warteliste ausreichend, um sie in dieser Zeit abzubauen. In Innsbruck und Graz wird das gelingen, deswegen bin ich etwas verhärmt und verärgert, dass ich ein halbes Jahr später hören muss, es wird nicht klappen.

STANDARD: Wenn die Medizin-Uni mehr Seminarplätze anbietet, kommt der Flaschenhals halt später im klinischen Bereich, das „Patientenmaterial“ wird ja nicht mehr.

Hahn: Der Engpass ist zwangsläufig, weil du halt nicht unendlich viele Labor- und Praxisplätze haben kannst. An sich sind die ausgelegt auf 600, was mit dem neuen Curriculum und mit der Limitierung auf 1500 Studienplätze für Zahn- und Humanmedizin österreichweit ausreicht.

STANDARD: Schonungslos gesagt: Ein hoffnungsloser Fall, es gibt keine Lösung für die Studierenden, die das historische Pech haben, in dieser Warteschleife gefangen zu sein.

Hahn: Die Warteschleife gibt es ja schon viel länger. Die wird jetzt das erste Mal abgebaut. Wir hatten ja bis vor wenigen Jahren keine Zugangsbeschränkungen, das ist ein jahrzehntelanges Problem, das jetzt endlich gelöst wird. In Wien dauerts leider länger als in Graz und Innsbruck.

STANDARD: Aber die einzige Lösung ist offenbar die, dass die Glücklosen auf der Warteliste ihr Pech mit einer Lebenszeitvernichtung zahlen müssen.

Hahn: Ich kann nur hoffen, dass universitätsintern mit der ÖH Möglichkeiten gefunden werden – mit Famulaturen oder anderen Tätigkeiten, die auch sinnvoll sind, weil sie inhaltlich etwas bringen, vielleicht auch die Vorwegnahme von Anerkennungen.

STANDARD: Sie sagen, die Medizin-Uni Wien hat Sie „verhärmt und verärgert“. Sie klingen fast wie Ihre Vorgängerin, Elisabeth Gehrer, die in solchen Fällen auch gern gesagt hat, die Unis können halt nicht managen. De facto haben die autonomen Unis da aber null Spielraum.

Hahn: Der Punkt ist, wir haben vor einem halben Jahr eine Vereinbarung geschlossen, und kaum, dass sie zum ersten Mal in Kraft treten soll, sagt man mir schon, sie bringen es nicht zusammen und wollen daher weniger Studenten aufnehmen etc. Entschuldige, was ist das für eine Planungsqualität? So geht’s nicht.

STANDARD: Was soll die Medizin-Uni jetzt tun?

Hahn: Die Vereinbarung umsetzen. Uns war klar, dass manche hier wirklich zum Handkuss kommen, aber ich kann nicht Versäumnisse von Jahrzehnten in einem Jahr wettmachen. Ich musste das akzeptieren. Aber ich kann sagen, in dieser meiner Amtszeit soll und muss das gelöst werden. An den beiden anderen Standorten ist es ja möglich.

STANDARD: Sie sprachen von „Planungsqualität“. Die Unis sagen, sie täten sich wesentlich leichter mit einer Studienplatzfinanzierung wie bei den Fachhochschulen. Warum haben Sie nicht den Mut zu sagen, wir gehen die Studienplatzfinanzierung an, die Unis haben Planungssicherheit, die Studierenden eine einigermaßen berechenbare Studienumgebung – und Sie politisch eine Ruh’.

Hahn: Weil ich eigentlich dort, wo es nicht notwendig ist, niemandem vorschreiben möchte, wie viele Leute in einem bestimmten Fach auszubilden sind, denn das wäre die Konsequenz. Warum soll ich sagen, ich will so und so viele Archäologen oder Betriebswirte?

STANDARD: 6000 Psychologie-Studierende der Uni Wien werden nie einen Job in ihrem Beruf finden. Wir planen ja auch, wie viele Ärzte wir brauchen.

Hahn: Die Ärzte sind, sage ich, bewusst noch die Ausnahme von der Regelung. In Deutschland haben wir mittlerweile eine Situation, dass 50 Prozent der Promovenden nicht mehr am Krankenbett landen, sondern etwas anderes machen. Bisher konnte man davon ausgehen – abgesehen von Ausnahmen wie Vera Russwurm –, dass jeder, der Medizin studiert, auch als Arzt tätig wird. Daher war hier eine gewisse Planungssicherheit. Ich weiß, was der Markt braucht. Aber wenn mir jemand sagt, wie viele WU-Absolventen dieses Land braucht oder wie viele Juristen, kann man ja über verschiedene Dinge diskutieren, aber diese Frage konnte mir noch niemand beantworten.

STANDARD: Der Hochschulforscher Hans Pechar schrieb im Standard, mit der erneuten Verlängerung der Zugangsbeschränkungen in acht Fächern um weitere zwei Jahre haben Sie das Ihre dazu beigetragen, „dass sich die Endlosschleife der Hochschulpolitik weiterdrehen kann“. Warum noch mal dasselbe von vorn?

Hahn: Ich habe kein Hehl daraus gemacht, und stehe auch dazu, dass ich noch im Sommer gesagt habe, ich kann mir weniger Fächer vorstellen. Die Zugangsbeschränkungen sind keine originär österreichische Maßnahme, sondern die Reaktion auf eine Maßnahme, die von Deutschland durch den dortigen Numerus clausus hereingetragen wird. Nun hat sich am beginnenden Wintersemester 2007 gezeigt, dass in Fächern wie Publizistik und Psychologie, die deutsche Numerus-clausus-Fächer waren und sind, mit einer gewissen Verzögerung das jetzt stattfindet, was wir in der Medizin schon vorher gesehen haben. Daher habe ich gesagt, aus Gründen der Vorsicht plädiere ich für eine Eins-zu-eins-Verlängerung, was die Zahl der Fächer anlangt. Ich gebe zu, wir haben momentan das Problem weder in der Pharmazie noch in der Biologie, ich weiß aber auch aus der Vergangenheit, dass die Unis diese Regelung nicht nutzen, wenn sie sie nicht brauchen. Aber ich habe eine Art Vorratsbeschluss für zwei Jahre.

STANDARD: Wenn in zwei Jahren wieder evaluiert wird, wird die ÖVP, die dann, wenn alles rund läuft, noch immer mitregiert, für die ersatzlose Abschaffung kämpfen? Immerhin steht im Perspektivenpapier der hehre Satz: „Wir von der Perspektivengruppe sind für den freien Zugang zu den Universitäten.“ Das ist das Gegenteil von Zugangsbeschränkungen.

Hahn: So ist es. Weil ich auf der Bachelor-Ebene überzeugter Gegner von Zugangsbeschränkungen bin, möchte ich auch immer wieder befristen, damit sich da nicht irgendwelche Gewohnheiten einschleichen.

STANDARD: Vor dem jetzt Gesagten klingt der „Freier Zugang“-Satz sehr vollmundig und bedeutet in Wirklichkeit: „Wir von der Perspektivengruppe sind für den freien Zugang zu den Unis“ – mit ein paar Ausnahmen, die Sie auf Vorrat legen.

Hahn: Ein Prinzip ist das eine. Dazu bekenne ich mich auch und stehe sogar an der Spitze dieses Prinzips, aber man kann ja trotzdem nicht die Augen verschließen, wenn dieses Prinzip im wahrsten Sinne des Wortes ausgehöhlt wird.

STANDARD: Im Perspektivenpapier ist auch die Kunde zu vernehmen, dass die ÖVP neuerdings etwas will, das EU-Kommission, Rektoren, aber auch SPÖ und Grüne, schon lange fordern: zwei Prozent vom BIP für die Unis. SP-Wissenschaftssprecher Josef Broukal meinte sofort: „Willkommen, wir können schon morgen mit Parteiengespräche anfangen.“ Was hindert Sie daran, die Aufstockung sofort zu beschließen?

Hahn: Jetzt könnte ich sagen: Das ist eine klassische Perspektive.

STANDARD: Mit welcher Frist?

Hahn: Mit einer möglichst schnellen Umsetzung. Ich bin ja dankbar für diese Perspektive und werde das sicher auch in den Verhandlungen mit dem Finanzminister einbringen. Aber ich sage auch dazu, da sind der Finanzminister und ich durchaus im Konsens, dass im Zuge der nächsten Steuerreform Attraktivierungen geschaffen werden müssen, etwa für Stiftungen, verstärkt in die Universitätsfinanzierung einzusteigen. Das zeigt ja auch der internationale Vergleich. Zwei Prozent erreichst du nur, wenn es eine wesentlich größere Drittmittelfinanzierung gibt, als das gegenwärtig der Fall ist. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 3.10.2007)