Franz Fuchs war Österreichs erster hausgemachter Terrorist. Von Islam war da keine Rede. Der "Patriot" Franz Fuchs konzentrierte sich noch auf das, was er als "Überfremdung" durch Slawen, Juden und Roma empfand. Die exzellente Spiel-Doku und im Anschluss daran die reine Sach-Doku von Elisabeth Scharang, die der ORF am 1. Oktober ausstrahlt, erneuert und verstärkt das Bild von Fuchs als klassischem Bastler und Tüftler, der mit seinem Leben und seiner Isolation nicht fertig wird und sich immer mehr in einen völkischen und mörderischen Wahn verrennt. Hier steht ein "echter Österreicher" vor uns, "fleißig und anständig", partiell hochbegabt, aber beziehungsunfähig, mit einem ganz engen Weltbild. Er trieb die fremdenhasserische Grundstruktur so vieler seiner Landsleute eben nur äußersten Konsequenz.

Das wollte man zur Briefbombenzeit nicht so genau wissen. Starke Kräfte in Polizei, Justiz und Politik versuchten den Briefbomber von Anfang an als Alleintäter darzustellen, sogar als in Wahrheit unpolitischen Alleintäter, als "Spinner".

Ein beträchtlicher Teil der Eliten wollte keinen rechtsradikalen, rassistischen, antisemitischen Terroristen. Vor und nach der Verhaftung von Fuchs wurde nach Kräften versucht, die Motive dieses Täters auszublenden oder wenigstens nicht genau zu untersuchen. Obwohl die Opfer alle irgendwie mit Minderheiten zu tun hatten und die Bekennerbriefe vor rassistischen und antisemitischen Tiraden gegen die "Tschuschenregierung", gegen die "Umvolker und Völkermörder" an der "deutschen Volksgemeinschaft" nur so strotzten.

Franz Fuchs kann sehr gut ein Einzeltäter gewesen sein. Dass in seiner Wohnung kaum Spuren von Sprengstoff und kein Computer zu finden waren, lässt sich aus seiner fanatischen Genauigkeit und Umsicht erklären. Das obskure Detailwissen über mittelalterliche Herzöge und Wanderungen von allerlei Völkerschaften, das in den Bekennerbriefen vorgeführt wird, kann er sich aus der reichlich vorhandenen völkischen und pseudohistorischen Literatur angelesen haben, die heute noch in entsprechenden Haushalten herumsteht. Allerdings wohl nicht in der Keusche seiner Eltern, sondern vielleicht in der Bibliothek deutschnationaler Honoratioren im Steirerland. Was wieder die Frage aufwirft, wie kontaktlos er wirklich war. Total ungelöst ist, wie er in der Einöde von Gralla seine detaillierte Medienbeobachtung bewerkstelligte.

Der ehemalige Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Sika, bebt heute noch vor Ressentiment darüber, dass man die Polizei sozusagen gezwungen hätte, "in der rechten Ecke zu ermitteln". Fuchs war kein jugendlicher Neo-Nazi, aber seine Bekennerschreiben waren glasklar rechtsradikal und seine Ziele die klassischen Feindbilder von Rechtsradikalen. Als er vier Roma in Oberwart ermordete, dauert es ein Jahr (!) , bis die ausgetüftelte Sprengfalle ihm zugeordnet wurde (auch auf Grund eines Bekennerbriefes). Vorher war inoffiziell auch von "Zigeunerfehden" die Rede.

Was hier passierte, war eine bewusste Verdrängung. Zu Beginn der 90er Jahre begann das "Ausländerthema" zu greifen. Haider erzielte seine Erfolge damit. Der rechte Flügel der Sozialdemokratie wollte das herunterspielen. Das Briefbombenopfer Zilk empfing Haider im Spital und gab ihm damit die Absolution. Es gab zwar einen Täter mit mörderischem Hass auf Ausländer, aber das sollte kein Thema sein. (Hans Rauscher/DER STANDARD – Printausgabe, 29./30.9.2007)