Auch heute wieder: derStandard.at live aus dem Großen Schwurgerichtssaal.

Foto: derStandard.at/rasch
Nach einer Woche Pause ging der Bawag-Prozess heute weiter. Als Zeugen geladen waren Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky und Gertrude Tumpel-Gugerell, frühere OeNB-Vizegouverneurin und jetzige EZB-Direktorin. derStandard.at-Redakteur Rainer Schüller war vor Ort.

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14:58 Uhr

Das war's dann auch schon wieder für heute. Die Präsentation der Unterlagen von Wolfgang Flöttl (er hat laut Richterin Bandion-Ortner "ein Konvolut von zehn bis zwölf Ordnern" mit Belegen von Brokern aus den USA mitgebracht) wird verschoben, Bandion-Ortner beendet den Prozesstag. Schalten Sie morgen wieder ein, wenn mein Kollege Martin Putschögl live die Zeugenaussage von Ex-Finanzminister Grasser in die Tasten klopft. Über KHGs Gerichts-Outfit darf heute schon spekuliert werden.

Rainer Schüller verabschiedet sich aus dem Wiener Landesgericht.

14:50 Uhr

Das Gericht ist wieder da und hat sich entschieden: Fritz Kleiner wird zum neuen Sachverständigen und Nachfolger von Christian Imo bestellt. Begründung: Kleiner sei seit langer Zeit als Sachverständiger im betreffenden Bereich tätig und habe über die Hypo bis zur Bank Burgenland und Herberstein auch große Erfahrung.

Die Umbesetzung bringt mit sich, dass der Prozess nun mindestens bis Jänner 2008 dauern wird.

14:20 Uhr

Alle haben wieder die Plätze eingenommen. "Wollma fortsetzen?" fragt die Richterin. Ja, wir wollen. Es geht um den Sachverständigen Dr. Imo, der wie berichtet befangen sein soll, weil er u.a. ein Naheverhältnis zum Ex-Bawag-Treasury-Chef Thomas Hackl haben soll.

Richterin Bandion-Ortner liest eine Stellungnahme von Imo vor, der sich selbst nicht für befangen hält, der jedoch seine Funktion zur Disposition stellen möchte. Staatsanwalt Krakow: "Es gibt Einwendungen zu Imo, die nicht zu beachten sind, die geschäftlichen Verbindungen zu Hackl, die auch in den persönlichen Bereich hinein reichen, jedoch schon."

Durch ein E-Mail an Phillip R. Bennett von Refco, das unter dem Betreff "streng vertraulich" von der Richterin vorgelesen wurde, und in welchem ein "Thomas" genannt wird, sei weiters hervorgegangen, dass Hackl - entgegen seiner Aussage - bereits 1998 von den Verlusten wusste. Durch dieses Wissen ergibt sich laut Krakow "der Verdacht einer allfälligen Beitragstäterschaft des Herrn Hackl. Er rückt somit in die Nähe von hier angeklagten Personen." Damit könne sich zumindest der Anschein der Befangenheit nicht weiter ausschließen lassen. Dieser Verdacht sei neu und dementsprechend zu prüfen.

Das Gericht zieht sich zu Beratungen zurück. Elsner wollte sich kurz mit Zwettler und Nakowitz unterhalten, die Justizwache untersagt ihm das jedoch. Grund: Verabredungsgefahr. Der Ex-Generaldirektor nimmt das zum Anlass, um sich bei Staatsanwalt Krakow zu beschweren.


Zwei APA-Bilder von heute: Links die "Alte Bawag", rechts die "Neue Bawag".

Kurz darauf ist das Gericht wieder da, und verkündet, dass das Schöffensenat die Befangenheit von Dr. Imo beschlossen hat. Die Verbindung von Hackl und Imo sei dem Gericht von Anfang an bekannt gewesen, dass die Verbindung so eng war, sei jedoch nicht klar gewesen. "Dadurch ist der Anschein der Befangenheit auf alle Fälle gegeben" und Dr. Imo wird abbestellt.

Sein Nachfolger soll Dr. Fritz Kleiner aus Graz (Homepage) werden. Diesen mögen aber die Anwälte mehrerer angeklagter Ex-Vorstände nicht, weil der Grazer Wirtschaftsprüfer sei und schon ein Wirtschaftsprüfer als Sachverständiger im Prozess beschäftigt sei. Der Grazer habe zudem keine Erfahrung mit der New York Stock Exchange.

Die Richterin liest dazu eine Stellungnahme von Kleiner vor, dessen Erfahrung laut eigener Aussage "keine Landesgrenzen" kennt.

Auch Elsner-Anwalt Schubert spricht sich gegen Kleiner aus und fordert einen Sachverständigen aus dem Bereich des derivativen Wertpapierhandels. Dazu gibt es jedoch auch schon eine Stellungnahme von Kleiner, der sich den Anforderungen in dieser Strafsache gewachsen fühlt.

Der Staatsanwalt verteidigt die Entscheidung zu Gunsten von Kleiner und gibt an, dass dieser "bestens geeignet" sei, um ein Gutachten zu erstellen, wobei es nicht schade, dass auch er Wirtschaftsprüfer sei.

Das Gericht zieht sich dann erneut zu Beratungen zurück.

13:32 Uhr

Vieles ist im Bawag-Prozess unklar, aber eines steht mit Sicherheit fest: Im Cafe Buffet gibt es die beste Topfentorte der Welt. Das haben mir auch die zwei Tischnachbarn, die mit mir im dicht gedrängten Lokal saßen, bestätigt. Hier wird nicht mit Topfen gespart, was andernorts oft das Problem ist. Hier wird mit einer Großzügigkeit gebacken, die an jene der damaligen Bawag gegenüber Flöttl (oder auch Flöttls gegenüber Vranitzky) erinnert. Der Unterschied: Das zusätzliche Topfen-Investment zahlt sich aus.

"Der Vranitzky ist heute aber mit einem roten Kopf rausgegangen", meint in der Mittagspause ein Pensionist, der eigenen Angaben zufolge bereits den fünften Bypass hat. Für ihn und für ÖGB-Pensionistin Helga Seeliger, die heute natürlich auch wieder auf ihrem Stammplatz sitzt, ist es "unglaublich", wie leicht der Altkanzler damals eine Million Schilling verdient hat. Seeliger versteht auch nicht, wie sich das Ehepaar Tumpel nach Salzburg zu den Festspielen von der Bawag einladen lassen konnte. Sie schlägt vor, dass sich jeder Staatsbürger einmal in den Bawag-Prozess setzen sollte, um mehr über "Verantwortungslosigkeit" zu lernen.

12:30 Uhr

Bis 13:30 ist nun Mittagspause.


Die Topfentorte in Frau Nadlers Cafeteria hält Rainer Schüller nach wie vor für so exzellent, dass er zunächst ganz vergessen hat, uns einen Bildtext mitzuschicken. Dann stimmte er aber doch noch ein Loblied an (siehe oben, Eintrag um 13:32 Uhr).

Danach folgt die Klärung der Gutachter-Causa, die die Richterin am letzten Verhandlungstag (20. September) auf heute vertagte. Zur Erinnerung: Es geht um eine etwaige Befangenheit des Sachverständigen Christian Imo. Wird er von der Richterin heute offiziell abgesetzt und ein anderer Gutachter beauftragt, zieht sich der Prozess zumindest bis Jänner hin (siehe dazu das Live-Protokoll vom 30. Verhandlungstag).

Zweiter Tagesordnungspunkt des heutigen Nachmittags werden die von Wolfgang Flöttl ebenfalls für heute versprochenen Unterlagen über seine Geschäfte sein. Vor der einwöchigen Verhandlungspause gab er bekannt, dass er sich in New York in der vergangenen Woche darum kümmern wollte, sie von ehemaligen Geschäftspartner zu bekommen. "Man hat mir telefonisch versprochen, dass ich diese Unterlagen bekommen werde. Ich organisiere sie, und ich bringe sie", versprach Flöttl am 28. Verhandlungstag.

12:21 Uhr

Sie habe mit ihren Prüfern nie Gespräche über die laufenden Bawag-Prüfungen geführt, weil diese immer selbstständig arbeiten, präzisiert Tumpel-Gugerell.


Gertrude Tumpel-Gugerell: "Es sind Mängel aufgezeigt worden, die abgestellt hätten werden müssen, und die Bankenaufsicht müsste entscheiden, ob diese behoben werden."

Elsner wird sein Terminkalender vorgehalten, in welchem im Jahr der Bankprüfung auch Termine mit Tumpel-Gugerell und Nationalbank-Chef Liebscher eingetragen waren, er kann sich aber an die Treffen nicht erinnern. Die Richterin: "Die Termine wurden also nur zum Spaß eingetragen?" Elsner: "Ich lasse mich hier nicht verhöhnen, auch von Ihnen nicht, Frau Rat." Der Terminkalender sei von seinem Sekretariat geführt worden und es könne schließlich sein, dass Termine, die eingetragen waren, nicht zustande kamen.

Zwettler gibt an, dass er Tumpel-Gugerell zwischen 1995 und 2000 "fallweise bei irgendwelchen Treffen" getroffen habe. Über die Verlustgeschäfte sei nicht gesprochen worden.

Keine weiteren Fragen an Tumpel-Gugerell. Sie wird entlassen.

12:15 Uhr

Richterin Bandion-Ortner zu Tumpel-Gugerell: "Ist es auch bei anderen Banken üblich, dass Geschäfte wie von Flöttl in diesem Ausmaß getätigt wurden? Ist es üblich, dass man einem außenstehenden Investor - sagen wir: 500 Millionen Dollar - gibt, und er kann damit machen, was er will?"

Tumpel-Gugerell erneuert ihre Beteuerungen, dass sie von den Geschäften erst über die Medien erfahren habe. "Man muss sich die Verträge genau anschauen, erst dann kann man das beurteilen. Es gibt parallel zum Bankwesen total unregulierte Investitionsgeschäfte, und Banken geben diesen Kredite."

Die Richterin befragt Tumpel-Gugerell noch einmal, ob sie mit ihrem Mann 2000 nicht über die Offshore-Geschäfte gesprochen habe, die zu dessen Bawag-Amtszeit sehr wohl bestanden. Tumpel-Gugerell verneint. Das Publikum muss von Bandion-Ortner mit "bitte kein Gelächter" beruhigt werden.


Gertrude Tumpel-Gugerell beim Eintreffen im Gericht am Montag.

Auf Frage von Staatsanwalt Krakow gibt Tumpel-Gugerell an, dass die Stiftungen bei der Prüfung nicht der Bawag zugeordnet wurden. Krakow: "Wie ist die Nationalbank vorgegangen, bei Banken, die Unterlagen nicht hergeben wollten?" Vor ihrer Zeit, sagt Tumpel-Gugerell, wurde einmal auch die Polizei eingeschaltet. Bei der Bawag habe es immer ein Zusammenwirken mit der Bankenaufsicht gegeben. Sie glaube schon, dass diese versucht habe, die Unterlagen zu erwirken. Sie könne sich nicht erinnern, dass der Prüfungsleiter ihr gegenüber einmal erwähnt hätte, dass von Seiten der Bawag die Unterlagen nicht herausgegeben wurden. Sie habe mit dem Prüfungsleiter nicht darüber gesprochen, weil der Bericht "für sich spricht". Wichtig sei, dass die geprüfte Bank zum Prüfbericht Stellung nehme. Und in dem Fall sei das passiert und die Bank hatte auch versprochen, auf den Bericht entsprechend zu reagieren.

Tumpel-Gugerell: "Es sind Mängel aufgezeigt worden, die abgestellt hätten werden müssen, und die Bankenaufsicht müsste entscheiden, ob diese behoben werden." Krakow: "Warum geht man diesen Mängeln nicht weiter nach?" Tumpel-Gugerell: "Da müssen Sie die Bankenaufsicht fragen", für diese Behörde sei sie nicht zuständig gewesen.

Kam es damals vor, dass die Nationalbank Unterlagen schriftlich urgiert hat? Tumpel-Gugerell: Das komme jedes Monat vor. Es seien die Unterlagen ja auch bei der Bawag-Prüfung urgiert worden. Wie genau das gehandhabt wurde, müsste man aber die Prüfer von damals fragen, sagt sie.

Tumpel-Gugerell gib zu, dass sie auf Einladung der Bawag "einige Male" bei den Salzburger Festspielen gewesen sei. Auch Elsner bestätigt das. Sie sei jedoch in Begleitung ihres Mannes in Salzburg gewesen und nicht in der Funktion als Bank-Prüferin. Die Richterin liest eine Liste von anderen Personen vor, die neben dem Ehepaar Tumpel auf Einladung der Bawag in Salzburg waren: Ex-Bawag-Aufsichtsrats-Chef Günter Weninger, der Industrielle Josef Taus, Ex-ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch. Alle in dem Jahr, in dem die Bawag geprüft wurde. Ein lautes "Pfffffffffffff" hallt von den Zuschauerrängen in den Schwurgerichtssaal.

11:30 Uhr

Zunächst wird Helmut Elsner noch über seine Beziehung zur früheren Nationalbank-Vizegouverneurin Gertrude Tumpel-Gugerell befragt. Er habe sie privat und beruflich gekannt, gibt er zu Protokoll.

Die Zeugin wird aufgerufen. Sie tritt mit einem "Grüß Gott" in den Raum, trägt ein schwarzes Kostüm und eine schwarze Aktenledertasche. Als Beruf gibt sie "Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank" an. Sie war im Jahr 2000 von Seiten der Nationalbank für die Prüfung der Bawag verantwortlich.


Umringt von zahlreichen Fotografen, ließ Tumpel-Gugerell beim Eintreffen im Landesgericht die Sicherheits-Checks über sich ergehen.

Die Frage, ob sie eine Kollission gesehen habe, weil ihr Gatte (Anm.: Herbert Tumpel, AK-Präsident und bis 1997 Aufsichtsratpräsident der Bawag) für die Bawag tätig gewesen sei und sie 2000 die Bank geprüft hatte, verneint Tumpel-Gugerell, weil er zu der Zeit nicht mehr in der Bawag gewesen sei.

"Ich kenne ihn seit vielen Jahren", sagt sie über das Verhältnis zu Elsner. Über die Bank sei bei privaten Treffen aber nicht gesprochen worden.

Sie habe auch mit ihrem Mann nie über Sondergeschäfte gesprochen. Auch dass mit Flöttl die Geschäfte wieder aufgenommen werden sollten, habe ihr Mann nie mit ihr besprochen. "Wir haben beide einen sehr intensiven Beruf." Erst im ersten Quartal 2006 habe sie über die Medien von den Bawag-Verlusten erfahren.

Richterin: Warum kam es 2000 zur Bawag-Prüfung? "Wir haben damals gemeinsam mit dem Finanzminister Banken ausgewählt, die geprüft werden sollten." Auf dieser Liste sei auch die Bawag gewesen, weil man auch versucht habe, mehr Ressourcen auf die Großbanken zu legen. Mit der Prüfung 1994 habe sie sich nicht beschäftigt, obwohl sie angibt, dass die 2000er-Prüfung als Folgeprüfung galt.

Richterin: "Ist Ihnen aufgefallen, dass Unterlagen (Auflistung der Offshore-Geschäfte) bis zum Ende der Prüfung vorenthalten wurden?" Tumpel-Gugerell: "Das war schon ein heikles Thema, aber die Mitarbeiter konnten die Geschäfte auch aus den monatlichen Meldungen rekonstruieren." Auf die Verluste sei man nicht draufgekommen, weil das Problem gewesen sei, dass man in die Stiftungen keinen Einblick hatte.

Sich das näher anzuschauen, wäre eine Sache des Finanzministeriums gewesen. "Der Prüfbericht ist sehr klar und spricht für sich." Von Seiten des Finanzministeriums hätte man diesen lesen und umsetzen sollen. Es habe auch Folgeprüfungen gegeben. Warum sie die Experten des Finanzministeriums nicht darauf aufmerksam gemacht habe, dass hier etwas nicht stimmen könnte, erklärt Tumpel-Gugerell damit, dass das nicht Aufgabe des Gutachters gewesen sei. Sie sei davon ausgegangen, dass es auf Grund des Prüfberichts zu Maßnahmen hätte kommen sollen.

2001 habe man in der Nationalbank überlegt, dass man 2002 wieder prüfe, dann sei jedoch eine E-Mail von Seiten des Finanzministeriums gekommen, dass man erst später wieder prüfen solle. Es sei dann statt einer neuerlichen Prüfung zu Management-Gesprächen gekommen. Veranlasst habe diese Gespräche ein Mitarbeiter der Nationalbank, aber nicht sie, gibt Tumpel-Gugerell zu Protokoll.

10:53 Uhr

Richterin Bandion-Ortner ersucht um Ruhe und bittet Elsner in den Zeugenstand. "Was sagen Sie dazu, dass Flöttl gesagt hat, dass Sie die Vranitzky-Beratung in die Wege geleitet haben?" - "Das ist Humbug. Doktor Flöttl versucht offenbar, meine Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen." Elsner gibt an, erst 2006 von der Beratertätigkeit erfahren zu haben, es gebe überhaupt keinen Zusammenhang mit der Bawag.

Richterin: Warum "spendete" Flöttl dann eine Million Schilling an Vranitzky? Elsner: "Das wundert mich und ich kann mir nicht vorstellen, dass Flöttl Vranitzky genommen hätte, wenn er ihn nicht wirklich gebraucht hätte." Die Honorarhöhe kann Elsner nicht beurteilen, dass Flöttl dieses Geld damals zur Verfügung hatte, wundert ihn. "Die Bank und ich persönlich haben mit der ganzen Sache nichts zu tun." Flöttl: "Ich habe auch das Flugzeug der Bank nicht in Rechnung gestellt."

10:43 Uhr

Wir nutzen die Pause für eine kurze Stellungnahme von Felix Hutt vom deutschen Magazin "Park Avenue": "Diese Wiener Melange ist absolut amüsant und wenn man aus Deutschland kommt, ist man als Journalist auf so einen Musterprozess und auf diese Ausgelassenheit, mit der er geführt wird, fast neidisch. Wir dachten, es wäre fragwürdig, wenn Altbundeskanzler Gerhard Schröder einen Beratervertrag bei Gazprom unterschreibt, aber nach Vranitzkys Aussage halte ich dies für hochseriös, denn bei Vranitzky bedarf es nichtmal irgendwelcher Verträge, um Geld zu kassieren."


Franz Vranitzky heute im Wiener Landesgericht: Auch APA-Fotograf Robert Jäger ist eines der wenigen Fotos des Altkanzlers gelungen.

10:36 Uhr

Staatsanwalt Krakow fragt Vranitzky noch einmal, ob er nun mit Elsner über die Beratungstätigkeit gesprochen habe oder nicht. "Es ist mir nicht erinnerlich. Ich bitte auch meine nicht vorhandene Gerichtssaal-Erfahrung zu berücksichtigen. Es ist mir nicht erinnerlich."

Elsner-Anwalt Schubert befragt Elsner über die Beziehung von Vranitzky zur Bawag. Elsner: "Die Bedeutung von Bundeskanzler Vranitzky für die Bawag war die gleiche wie von jedem anderen Bundeskanzler oder jedem anderen Bundesbürger auch. Wir hatten keinerlei Beziehungen zur Sozialdemokratischen Partei Österreichs." Im Publikum wird das mit kurzem Raunen quittiert.

"Nein, ich brauche keine Bestätigung, dass ich hier war." Der heutige Hauptzeuge Franz Vranitzky ist somit schon wieder entlassen. Er nimmt seine dünne schwarze Aktentasche unter den Arm, verneigt sich kurz vor der Richterin und ist schon wieder weg. Zum Bedauern der Fotografen, die kaum Gelegenheit hatten, ihn bildlich festzuhalten.

Zehn Minuten Pause im Großen Schwurgerichtssaal.

10:23 Uhr

Die Argumentation von Flöttl, die er aus den Zeitungen entnommen hat, dass er keine Beratung gebraucht hätte, weil der "Euro gegessen gewesen sei" und Flöttl nicht in Österreich investieren wollte, weist Vranitzky zurück. Das sei "nicht besonders professionell". "Wenn Herr Flöttl der Meinung war, dass er keine Beratung brauchte, dann erstaunt es mich, dass er sieben Jahre für diese Erkenntnis gebraucht hat." Flöttl hat sich damals aber nach jedem Telefonat höflich bedankt. Wenn es damals ein Problem gegeben hätte, dann wäre Vranitzky bereit gewesen, darüber zu reden.

Flöttl übernimmt das Wort: "Ich habe mich niemals von Bundeskanzler Vranitzky distanziert, ich habe mich niemals beschwert." Er habe sich auch bemüht zu beraten, die Anrufe seien von Vranitzky ausgegangen. Flöttl: "Der Herr Bundeskanzler war auch - wenn ich das so sagen darf - sehr preiswert und im Marktrahmen." Gelächter im Publikum.

Flöttl: "Wenn es keine relevante Gegenleistung gegeben hat, dann war das kein Problem von Vranitzky. Das hatte nichts mit Vranitzky zu tun, das hatte wenn, dann nur mit mir und Elsner zu tun." Flöttl gibt erneut an, dass er die Beratung nicht gebraucht habe, weil er auf Asien fokussiert gewesen sei. Die Beratung von Vranitzky, die ihm Elsner aufgedrängt habe, hätte er damals ebenso wenig wie das Flugzeug gebraucht.

Flöttl gibt auch an, dass er im Zusammenhang mit der Beratung niemals von "Parteifinanzierung" gesprochen habe. Flöttl: "Es war nicht Vranitzkys Schuld, er hat uns zwar beraten, wir wollten aber nichts von ihm wissen. Er hat für uns nichts getan, nicht weil er für uns nichts tun wollte, sondern, weil er für uns nichts tun konnte."

10:11 Uhr

Der Zeuge Doktor Diplomkaufmann Franz Vranitzky tritt in den Raum. Der Mann, der als "Nadelstreif-Kanzler" in die Geschichte einging, trägt einen dunklen Anzug mit hellblauem Hemd. Sein Gesicht ist gebräunt, trotz seiner grauen - fast schon durchgehend weißen Haare - wirkt er sehr fit. Er gibt als Beruf "Pensionist" an.

Er habe sich mit Flöttl senior immer gut verstanden und habe ein gutes Verhältnis mit ihm gehabt. Was seinen Sohn betrifft: Walter Flöttl sei sehr stolz auf seinen Sohn gewesen, vor allem, weil dieser ein Harvard-Studium absolviert hatte. Später habe ihm Flöttl sen. mitgeteilt, dass sein Sohn erfolgreich im internationalen Bankgeschäft tätig sei.

Der Erstkontakt zum Junior sei von der Seite Flöttl über die Westdeutsche Landesbank (WestLB), für die der Ex-Kanzler damals beratend tätig war, ausgegangen. Vranitzky hatte die WestLB in Sachen Ostöffnung beraten. Im Dezember 1998 habe Vranitzky in Nordamerika zu tun gehabt. "Da hat es sich gefügt, dass ein Termin mit Doktor Flöttl vereinbart wurde. Meine damalige Mitarbeiterin hat heute noch den Namen seiner Mitarbeiterin."


Franz Vranitzky auf einem Foto von AP-Fotograf Ronald Zak: "Wenn Herr Flöttl der Meinung war, dass er keine Beratung brauchte, dann erstaunt es mich, dass er sieben Jahre für diese Erkenntnis gebraucht hat."

Es ging um eine Beratung zur Einführung des Euro. Der Beratungsgegenstand erschien Vranitzky "plausibel", weil es vor allem von amerikanischer Seite damals bezüglich Euro-Einführung große Bedenken gegeben habe. "Ich habe mir gedacht, eigentlich ist das ein kluger Schachzug Flöttls. Ich dachte, es ist so unvernünftig nicht, wenn er da einen Experten in Europa sitzen hat." Richterin: Wussten Sie, dass Flöttl vor allem mit Yen spekulierte? Vranitzky erklärt die weltweite Wirtschaftslage von damals: "Es ging um das Dreiecks-Verhältnis Euro-Dollar-Yen".

Unterbrechung: Die Richterin wurde nun schon zum zweiten Mal durch einen Anruf gestört. Beim ersten Mal nahm Sie es mit einem Lächeln zur Kenntnis, jetzt legte sie mit den Worten "wir san mitten in der Verhandlung!" auf.

Richterin: War das in New York eine verbindliche Vereinbarung? Vranitzky: "Ja". Schriftliche Vereinbarung habe es aber keine gegeben. Es sei ein sehr angenehmes Gespräch gewesen und er habe keinerlei Bedenken gehabt. Doktor Flöttl habe eine Million Schilling angeboten. "Mir war das recht, ich habe keine Honorarforderung gestellt..." Vranitzky gibt im Gegensatz zu Flöttl an, dass die Zahlungen nicht fortgesetzt hätten werden sollen.

Die Beratung sei über Telefon erfolgt. Wie oft telefoniert worden sei, weiß Vranitzky nicht mehr: "Vielleicht acht oder zehn Mal." Aufzeichnungen habe er nicht gemacht.


Helmut Elsner mit seinen Decken im Landesgericht. Früher hat er viel besser Golf gespielt als Franz Vranitzky.

Richterin: Haben Sie jemals mit Elsner über die Beratung gesprochen? Vranitzky: "Ich kann mich nicht erinnern, daher kann ich es weder ausschließen noch bestätigen." Wie Flöttl ausgerechnet auf ihn gekommen sei, begründet Vranitzky mit "ich war keine Unbekannter". Über die Verluste der Bawag habe er nichts gewusst. Erst viele Jahre später habe er aus den Medien davon erfahren.

Elsner habe er "selbstverständlich" als Generaldirektor einer angesehenen Bank gekannt. Er habe ihn nur ein- oder zweimal auf dem Golfplatz gesehen, Elsner sei "ein viel besserer" Golfspieler als er gewesen.

9:45 Uhr

Richterin Bandion-Ortner hat den heutigen Prozesstag eröffnet. Und es gibt eine Neuigkeit: Die Mikrophone haben sich "auf wundersame Art und Weise vermehrt." Die Türen werden geschlossen, jetzt wird Elsner kurz befragt, dann folgt noch Flöttl, danach erst ist Vranitzky an der Reihe.

Elsner sitzt bereits am Zeugensessel. Er wird zum Jahr 1998 befragt, ob er je mit Vranitzky damals über die Verluste gesprochen hat. "Nie", sagt Elsner kurz. Elsner gibt Auskunft über sein Verhältnis zum Ex-Kanzler. Als Politiker habe er ihn natürlich gekannt, darüber hinaus habe es aber kein Verhältnis gegeben. Die Richterin: "Hat es private Kontakte auf dem Golfplatz gegeben?" Elsner verneint und gibt an, dass er Vranitzky nur einmal am Golfplatz als Generaldirektor der Länderbank getroffen hat, als ihm dieser damals einen Golf-Preis überreicht hat.

Haben Sie gewusst, dass Flöttl Vranitzky berät? Elsner: "Flöttl hat seine prominenten Berater immer sehr gerne genannt. Zum Beispiel Kissinger, aber der Name Vranitzky ist mir nicht in Erinnerung."

Richterin: Na gut, dann fragen wir den Doktor Flöttl.

Flöttl tauscht mit Elsner Platz. Richterin: Wie kam es zum Kontakt mit Vranitzky? Flöttl: Im Herbst 1998 nach dem Verlust (es gibt Probleme mit den neuen Mikros) sei er von Generaldirektor Elsner gebeten worden, Vranitzky als Berater zu engagieren, weil sich dieser als ausgebildeter Volkswirtschafter gut auskenne. Es sei damals um die Euro-Einführung gegangen. "Im Herbst 1998 war unser Augenmerk auf Asien und nicht auf den Euro gerichtet. Der Euro hat uns damals nicht wirklich interessiert."


Johann Zwettler (li.) und Wolfgang Flöttl vor Beginn der heutigen Verhandlung.

"Ich habe dann Vranitzky im Dezember 1998 zum Frühstück in New York eine halbe Stunde getroffen und wir haben abgetastet, wie er uns helfen kann", fährt der Investmentbanker fort. "Er hat gesagt, er habe viel Erfahrung als Volkswirtschafter, die Art der Beratung wurde aber ziemlich vage gelassen. Mein Vorschlag war damals eine Million Schilling Honorar, das ist nicht von ihm gekommen. Elsner hat mich im Jänner dann noch einmal telefonisch kontaktiert, dann habe ich das Geld überwiesen." Flöttl gibt jedoch an, dass er selbst die Beratung nicht wollte. Es sei zu einem oder zwei Telefonaten gekommen. "Meine Beschwerde ist, dass ich damals eigentlich keinen Beratungsbedarf hatte."

Richterin: "Hat es eine Beratung, eine Gegenleistung, gegeben - ja oder nein?" Flöttl: "Ich werfe Vranitzky überhaupt nichts vor, ich habe ihn damals nichts gefragt. Ich kann mich nur an einen Anruf erinnern, worum es dabei genau ging, weiß ich aber nicht mehr, weil es für uns nicht relevant war." - "Hatten Sie damals eigentlich Geld für solche Späßchen?" Flöttl: "Ich hatte weniger als vorher", die Million, die von seinem persönlichen Konto genommen worden sei, habe er jedoch schon noch gehabt. "Die Million ist ganz sicher nicht der Bawag zuzurechnen." Das Geld sei von einem Anwalt überwiesen worden, weil es Vranitzky so lieber gewesen sei.

Richterin: Hat es vertragliche Verpflichtungen mit Vranitzky gegeben? Flöttl kann das nicht bestätigen. Hat Elsner gesagt, dass Vranitzky "wahrscheinlich nicht viel tun könne?" - Flöttl kommt ins Stocken und wiederholt, dass er die Beratung wie auch den Privatjet eigentlich nicht gebraucht hätte. "Mir wurde mitgeteilt, dass Vranitzky ein wichtiger Mann für die Bawag sei und ich ihn heuern soll. Ich wollte ihn nicht heuern."

Mit Elsner sei ausgemacht worden, dass alle 6 Monate eine Million an Vranitzky bezahlt werden sollte. Flöttl habe Vranitzky dann mitgeteilt, dass er keinen Sinn für eine weitere Zusammenarbeit sehe. Vranitzky sei enttäuscht, aber höflich gewesen. Elsner habe darauf mit dem Vorwurf reagiert, dass Flöttl "undankbar" sei. Elsner meinte laut Flöttl, Vranitzky sei wichtig für die Bawag gewesen.


Der Bawag-Prozess ist auch am 31. Verhandlungstag recht gut besucht.
9:09 Uhr

Kurz vor Beginn der Zeugeneinvernahme ist der Große Schwurgerichtssaal weniger voll als bei Fritz Verzetnitsch. Auf Grund der Prominenz des Zeugen sind jedoch wieder viele Kameras vor Ort. Vom schönen Wetter draußen gelangt durch die dicken Fenster nur ein Hauch von Sonnenschein. (red)