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US-Präsident George W. Bush übte in seiner Rede Kritik an der UNO: Sie setze in Sachen Menschenrechte falsche Prioritäten.

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Klimawandel, Kosovo, Nahost-Konflikt, Sicherheitsrat-Reform: Der UNO-Generalversammlung fehlt es nicht an Konfliktstoff. Aber bei der Eröffnung am Dienstag beherrschte der iranische Präsident die Szene.

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Medieninsel. Wie merkwürdig das UN-Vokabular doch manchmal klingt. In Wahrheit ist die Medieninsel ein schmaler Streifen des Bürgersteigs, der gerade noch übrig bleibt zwischen den grauen Absperrgittern und den Spalier stehenden Polizisten des New York Police Department, die das Hauptquartier der Vereinten Nationen abriegeln wie eine Festung. Gerade hat Nicolas Sarkozy, der Franzose, die Insel geräumt. Nun steht Angela Merkel dort, klein, in heller Jacke, um zwischen den Sitzungen im UN-Labyrinth ein paar O-Töne in die Heimat zu schicken.

"Es gibt nahezu niemanden mehr, der an den Gefahren des Klimawandels zweifelt", sagt die Kanzlerin. Entschlüsselt soll das heißen: Auch George W. Bush, lange ein Klima-Ignorant, springt auf den fahrenden Zug. Nun komme es darauf an, die verschiedenen Initiativen der USA, der G-8-Gruppe, der UNO "eng zu verzahnen", fügt Merkel hinzu.

"Die USA sind zurück"

Leise Kritik an Bush schwingt darin mit, die Sorge, dass das Weiße Haus verbal zwar einlenkt, aber praktisch doch eigene Wege geht. Noch diese Woche laden die Amerikaner die 16 wirtschaftlich stärksten Länder, die zusammen 90 Prozent aller Treibhausgase produzieren, zu einem Kongress nach Washington. Auch Indien und China mit ihrem rasanten Wachstum. Skeptiker fürchten, dass Bush die erwachten asiatischen Riesen nur deshalb ins Boot holt, weil er den allerkleinsten gemeinsamen Nenner sucht, keine verbindlichen Obergrenzen, schon gar nicht die Halbierung der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen, wie sie Deutschland bis 2050 durchsetzen will. Merkel sieht das halb volle Glas, nicht das halb leere. "Die USA sind zurück", seien wieder dabei bei der Klimadebatte.

Kritik an der UNO

Schmelzende Gletscher, Hitzerekorde, steigende Ozeanpegel - sie spielen nur eine Nebenrolle, als Bush am Dienstag zu den Vertretern der UN-Staaten spricht. Er hat seine alte Melodie wiedergefunden, die "Befreiung aller Menschen von Tyrannei und Gewalt". Zum Irak verliert er kaum ein Wort, auch das Thema Iran streift er nur am Rande. Bush kritisiert die UNO dafür, dass sie bei Menschenrechten falsche Prioritäten setze, "exzessive" Kritik an Israel übe, statt sich auf Missstände in Teheran, Pjöngjang oder Caracas zu konzentrieren.

Ein paar Stunden später sollte Mahmud Ahmadi-Nejad reden, der Präsident Irans. Und der ist es, der in Manhattan die Schlagzeilen bestimmt. Oder genauer gesagt: der Professor, der den Holocaust-Leugner aus Teheran in die Schranken verwies - Lee Bollinger, der Rektor der Columbia University.

Die New Yorker sind stolz auf ihn, so stolz, dass ihre Zeitungen ihn zum "Helden von Columbia" erklären. Zuvor hatte Bollinger viel Kritik dafür einstecken müssen, dass er den Iraner einlud, in einem der Columbia-Hörsäle eine Rede zu halten. Hillary Clinton, um nur ein Beispiel zu nennen, hatte die Geste für falsch gehalten. Jetzt aber gilt der Akademiker als der Mann, der Ahmadi-Nejad bravourös in die Schranken wies. "Mister President, Sie sind ein kleinlicher und brutaler Diktator", sagte Bollinger, was seine Studenten mit stehenden Ovationen belohnten.

46th Street, ein kleiner Platz schräg gegenüber dem Glaskubus der Vereinten Nationen. "Stop Iran Now! Stop Iran Now!", dröhnt es aus den Lautsprechern. Jüdische Organisationen halten spontan eine Kundgebung ab, um vor Teherans atomaren Plänen zu warnen. Dutzende Redner, fast alle beugen sich dicht übers Mikrofon, um maximale Lautstärke zu erzeugen. "Herr Ahmadi-Nejad, hören Sie uns?", ruft einer. Martin Berger stimmt nicht in die Sprechchöre ein, Stumm hält er ein handbemaltes Plakat in die Höhe.

"You Liar! Denier! I am a Holocaust Survivor!" ("Du Lügner! Leugner! Ich bin ein Holocaust-Überlebender!"). Im Mai 1944 wurde Berger, damals 19, aus dem rumänischen Cluj, das seinerzeit zu Ungarn gehörte, nach Auschwitz deportiert. Über ein Alliierten-Camp in Eschwege kam er 1948 nach Amerika, seine neue Heimat. "Ich wünschte, Ahmadi-Nejad hätte nur einen Tag in Auschwitz verbracht", sagt Berger. "Nur einen Tag, das hätte gereicht. Er würde nicht solchen Unsinn faseln." (Frank Herrmann aus New York/DER STANDARD, Printausgabe, 26.9.2007)