Selma Hansal
Foto: privat
"Selbstbestimmung ist meine wichtigste Triebfeder. Als Frau möchte ich mich nicht in eine Richtung drängen lassen."

Die Galvanotechnikerin Selma Hansal hat die Galvanik vom alchemistischen Gebräu zum High Tech Verfahren erhoben, beliefert mit ihrer neuen Technik auch die Weltraumforschung und darf nun sogar als Frau Expertin sein. Ein Porträt von Gastautorin Teresa Arrieta.

Mitbegründerin von "Happy Plating", 2004.
Ausbildung: Studium der Physikalischen Chemie, Universität Wien.
Branche: Chemische Industrie

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Ein Labor voller Computer, Elektrokästen und kleinen Wannen aus Kunststoff, gefüllt mit bunten Flüssigkeiten: Grau, rot, grün, blau. Die chemischen Dünste sind unüberriechbar, es plätschert, blubbert und brummt. Menschen im weißen Mantel hantieren mit Metall- und Kunststoffteilen, die maschinell in die farbigen Bäder getaucht werden. Wir befinden uns in einem Labor für Galvanotechnik, dem Herzstück der Firma Happy Plating im niederösterreichischen Berndorf. Selma Hansal, Firmengründerin im weißen Mantel, ist ganz in ihrem Element und führt zwischen surrenden High-Tech Geräten herum. Gemütlich, ruhig und Vertrauen erweckend, eine von ihrem Fach Durchdrungene, die sich redlich bemüht, ihr Spezialwissen in einfache Worte zu fassen.

Ihre Mission ist es, die Menschheit von den Vorzügen der Galvanik zu überzeugen, und das tut sie mit sanfter Stimme und viel Geduld: Galvanisieren bedeutet Veredeln von Metall- und Kunststoffgegenständen. Die Metallbeschichtung erfolgt durch das Eintauchen in metallhaltige elektrolytische Bäder. Solcherart beschichtet werden die Objekte widerstandsfähiger und korrosionsresistenter. Schmuck kann ebenso galvanisiert werden wie Badezimmerarmaturen oder Maschinenteile, auch in der Elektronik gibt es vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Galvanik existiert seit dem 18.Jahrhundert. Das Verfahren steht im Ruf, die Umwelt zu belasten und wenig berechenbar zu sein, nach dem Motto: GalvaniseurInnen sind AlchemistInnen, die solange probieren, bis es geht, wie Selma Hansal bedauert, und genau hier setzt ihr missionarischer Eifer ein.

Geheimverfahren zur Metallhärtung

Mit ihrer Firma "Happy Plating" - der unkonventionelle Name kommt gerade im Ausland gut an - die sie vor drei Jahren gemeinsam mit ihrem Mann und einer Kollegin gegründet hat, konnte sie ein besonders effizientes und umweltschonendes Galvanisierungsverfahren entwickeln: "Pulse Plating" lautet das Zauberwort. Beim Versuch, die neue geniale Technik zu erklären, wird Selma Hansal reflexartig zur Vortragenden für Expertenpublikum: "Unser Prozess der modulierten Pulsstromabscheidung ermöglicht einen homogeneren Metallaufbau, der die Haftung der Metallschichten optimiert, denn die modernen Gleichrichter können die Stromsignale sogar im Millisekundenbereich in erforderlicher Genauigkeit liefern." Fazit ist jedenfalls, dass das von Happy Plating entwickelte Verfahren den Galvanisierungsprozess schneller macht, Materialkosten einsparen hilft und zu noch härteren sowie besser haftenden Metallüberzügen führt. Durch Pulse Plating unterliegt die Galvanik nicht mehr dem alchemistischen Zufallsprinzip, sondern hat sich zum High Tech Verfahren gemausert.

Das kommt Zulieferern für die Automobilindustrie gelegen, die zu Hansals besten Kunden zählen. Sie wollen zum Beispiel einen Werkzeugteil herstellen, der 80.000 Stunden schleift oder bohrt, ohne zu verschleißen. Mit dem Happy Plating Verfahren, das in Lizenz vergeben wird, können die Unternehmen den Zeitaufwand für das Herstellungsverfahren um bis zu zwei Drittel verkürzen. Kein Wunder, dass die Nachfrage enorm ist.

Raketenteile für den absoluten Nullpunkt

Das niederösterreichische Unternehmen beliefert mittlerweile ganz Mittel- und Osteuropa und unterhält ein Partnerlabor in den USA. Siebzig Prozent der Produktion ist für den Export bestimmt. Zu Selma Hansals Klientel zählt auch die europäische Weltraumforschung. Für diese besonderen KundInnen stellt sie beispielsweise Metallteile her, die auch nahe dem absoluten Nullpunkt nicht verschmelzen, "denn Metall kann nicht nur bei starker Hitze, sondern auch bei großer Kälte verschweißen", weiht Selma Hansal in die Geheimnisse der Raumfahrttechnik ein.

Für ihre Erfolge hat die Elektrochemikerin lange kämpfen müssen, denn vor der Firmengründung lief es für sie weniger glatt. Die aus einer Arztfamilie Stammende hat in Wien Biochemie studiert. Als sie im dritten Semester ihren technikorientierten Mann kennen lernte, erfolgte rasch der Schwenk zur Physikalischen Chemie, denn fortan gingen beide gemeinsam durchs Studium. In manchen Seminaren war sie die einzige Frau, "vor allem ältere Professoren hatten spürbare Hemmungen, mit mir einen wissenschaftlichen Dialog zu führen", schildert sie die Hürden der Anfänge. Bei mündlichen Prüfungen musste sie beweisen, dass auch weibliche Gehirne wissenschaftstauglich sind: "Ich hab oft noch eine Zusatzfrage bekommen, um sicher zu gehen, dass ich wirklich alles verstanden hab." Nach der Dissertation ging die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit ihrem Mann weiter: Beide heuerten in einem Forschungszentrum an, doch auch dort war die Gender basierende Ungleichbehandlung deutlich: Während ihr Ehemann sofort mit einer Projektleitung betraut wurde, zweifelten die Vorgesetzten an ihren Qualifikationen.

Darf es auch Fachfrauen geben?

Immer wieder musste sie um die Beibehaltung ihrer Projektleitung kämpfen: "Man war sich unsicher, ob ich mich durchsetzen kann." Das lag vor allem an ihrer von Teamgeist getragenen Gemeinschaftsstrategie. "Ich wollte, dass keiner meiner MitarbeiterInnen sich zurückgesetzt fühlt und gab jedem die Möglichkeit, sich einzubringen." So waren zwar alle motiviert und auch in Krisenzeiten leichter bei Laune zu halten. Für die Unternehmensführung habe das jedoch so gewirkt, als ob Selma Hansal zuwenig Führungsqualität hätte. Trotz des sich letztendlich einstellenden Erfolges eine schwierige Zeit. Ihr Fazit heute: "Nie die Kommunikation einschlafen lassen. Mein Tipp an Frauen ist: Sprechen, sprechen, sprechen - das reißt alle Mauern nieder." Gerade als Frau müsse man sich oft dazu überwinden, gegenüber Vorgesetzen die eigenen Leistungen hervorzuheben, "aber es ist ein Wunder, was dann alles zu bewegen ist."

Auch bei Happy Plating macht sie mitunter die Erfahrung, dass die Kunden ihrem Ehemann mehr Fachwissen zutrauen. "Wenn ich am Telefon etwas erkläre, sagen mir manche: Kann ich nicht doch lieber den Fachmann sprechen." Anfangs kränkten sie solche Erfahrungen, doch in der Zwischenzeit nimmt sie es mit Humor und sieht solche Gespräche als missionarische Herausforderung: "Heute macht es mir Spaß, gerade an solche Leute zu geraten, manche kann ich sogar davon überzeugen, dass auch eine Frau Expertin sein darf."