Sucht das Gespräch mit Djihadistinnen: Feridun Zaimoglu, wohnhaft in Kiel, Initiator der "Kanak Sprak".

Foto: Fischer
Deren Radikalismus sei "kulturell hausgemacht", erklärt Zaimoglu im Interview.
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Wien - Als der türkisch-deutsche Autor Feridun Zaimoglu (43) eine seiner nicht enden wollenden Lesereisen durch die Bundesrepublik absolvierte ("780 Lesungen in zehn Jahren!", wie er sagt), wurde er wiederholt von Muslimas aggressiv angesprochen: "schwarzen Jungfrauen", die im Dickicht der Großstädte den Hass auf die "Christgläubigen" pflegen und im Geheimen kultivieren. Die als lupenreine "Djihadistinnen" das Ende der "Schweinefresser" herbeisehnen, während sie die Annehmlichkeiten der freiheitlich verfassten Gesellschaften im Herzen Europas mit größter Selbstverständlichkeit in Anspruch nehmen.

Die Monologsammlung Schwarze Jungfrauen, die vorgestern, Samstag, im Kasino des Burgtheater in der Regie von Lars-Ole Walburg erstaufgeführt wurde, ist in zahllosen Interviewsitzungen entstanden. Zaimoglu, dessen Rotwelsch-Begriff "Kanak Sprak" sprichwörtlich geworden ist, sah sich, wie er im Interview erklärt, mit ungebärdigen, ihrer erotischen Wirkung jedoch hoch bewussten Frauen konfrontiert: "Jede dieser Frauen - die sich gesamthaft nicht als ,Bewegung' verstehen - sagt: Wir hassen Deutschland! Von mir, als erstem Gegenstand ihres Abscheus, waren sie auch überzeugt, dass ich sie hasse. Es gibt keine denkbare Verständigung mit diesem Bomben-Djihadismus."

Verderbt, verworfen

"Nun habe ich", führt Zaimoglu aus, "so meine Probleme mit jeglicher Art von Bekennertum. In meiner eigenen Dekadenz finde ich erst einmal die Details sehr wichtig. Der ,große politische Rahmen' geht mir am Allerwertesten vorbei. Aus ästhetischen Gründen sind diese Frauen für mich Verworfene - und ich bin in ihren Augen der Höllen-Verderbte!"

Zaimoglu sagt: Diese Frauen seien Teil einer "popkulturellen Hardcore-Bewegung". Es gibt Pop-Beats, mit denen Predigten unterlegt werden. "Die ,schwarzen Jungfrauen' sind nicht bloß Geschöpfe ihrer Fantasie, sie bedienen sich auch eines reichen Bildervorrats: Denken Sie an die ,schwarzen Witwen', vergast im Moskauer Theater." Auch die Namensgebung orientiere sich an solchen vorgegebenen Mustern. Die am meisten auf religiöse Reinheit bedachten Fanatikerinnen seien eben Teil und Produkt der vorgeblich "schmutzigen" Westkultur. Die Proklamation des Glaubens werde in Bildsequenzen dargestellt.

Zaimoglu: "Das darf man ihnen übrigens nicht sagen! Einige von ihnen sind darüber auch verbittert, dass sie sich ihre Bilder ,aus dem Herzen der Bestie' ziehen müssen. Sie schneiden sich aus deutschen Zeitungen die Bilder von Osama Bin Laden aus und kleben sie mit Tesafilm an die Wand."

Junge orthodoxe Musliminnen kann man über keinen Kamm scheren. In Zaimoglus, zusammen mit Günter Senkel verfasster Textsammlung findet man angepasste junge Frauen - aber auch solche, die das Leben zu genießen verstehen, die ihre Virginität nicht wortwörtlich bewahren, deren Gedankengebäude aus gnostischen, aber auch christologischen Elementen zusammengezimmert ist. Die meisten von ihnen würden, so Zaimoglu, aus den ortsansässigen Moscheen "mit einem Fußtritt" vertrieben werden.

Für Zaimoglu, den spielerischen Autor - sein neuer Roman Liebesbrand erscheint im Februar -, gibt es kein Patentrezept des Umgangs mit Fanatikerinnen: "Wir dürfen uns die Debatten doch nicht von Idioten diktieren lassen! Von selbst ernannten ,Aufklärern' und Spießern, die den Islam in Bausch und Bogen verdammen. Von einem Idioten wie Bush, der vom ,Kreuzzug' spricht, von einem Ralph Giordano, der nicht differenzieren kann. Und schon gar nicht von Straches, die gegen Moscheen mobilisieren."

Zaimoglus Vorschlag zur Schlichtung klingt unspektakulär: Die Verständigung sei mit den muslimischen Gemeinden der "Volksgläubigen" kommunal zu suchen. Gemeint ist der Ochsenweg des Diskurses, mit Blick auf die Masse der Friedfertigen. "Und da könnte ich meinen Freunden anlässlich der Kölner Moschee-Baupläne auch sagen: Wenn ich etwas zu bauen beabsichtige, gehe ich doch erst einmal zu den Nachbarn hin und setze sie von meinen Plänen in Kenntnis!" (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 23.09.2007)