Kasimir Malewitsch, "Mann in suprematistischer Landschaft, um 1930/31, Öl auf Leinwand, Dauerleihgabe der Sammlung Batliner.

Foto: Albertina

Der Zoom-Effekt, der Degas' Arbeiten seit den 1890ern anhaftet, hängt auch mit dessen drastisch nachlassender Sehkraft zusammen: "Zwei Tänzerinnen" (1895)

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Es sind nur flirrende goldfarbene und weiße Farbakzente mit denen Edgar Degas das fedrig Leichte der sich aufbauschenden Tutus vom Hellblau des Hintergrundes abgesetzt hat. Auf Umrisslinien für die Röckchen seiner Zwei Tänzerinnen hat der Zeitgenosse von Manet, Monet und Renoir, der eigentlich Hilaire Germain de Gas hieß, ganz verzichtet.

Wie sparsam Degas auch in seinem grafischen, mit Kreide ausgeführten Studien der Pariser Tanzmäuschen, die Linien einzusetzen wusste, wie er tänzerische Posen und das Motiv von Spiel- und Standbein variiert, zeigen gleichzeitig zwei zehn Jahre ältere Blätter von 1895. Degas wiederholte bestimmte Haltungen und Gesten der Tänzerinnen in wechselnden Kompositionen: "Man muss das selbe Motiv zehnmal, hundertmal neu machen. Nichts in der Kunst darf wie ein Zufall aussehen, nicht einmal die Bewegung." - Die Gegenüberstellung dieser Arbeiten von Degas, das Pastell aus der Sammlung Batliner, die Kreidezeichnungen aus den Beständen der Albertina, beweist, wie fruchtbar, und kunstgeschichtlich aufschlussreich die Begegnung von Sammlungen sein kann.

Die Ausstellung Monet bis Picasso. Die Sammlung Batliner, die bereits im Titel die zeitliche Dimension der Ausstellung abbildet, zeigt in der Verzahnung dreier Sammlungen - Albertina, Batliner und Forberg - einen kunstgeschichtlichen Abriss zwischen 1881 (Claude Monets Blick auf Vétheuil) und 1967 (ein Spätwerk Pablo Picassos Nackte Frau mit Vogel und Flötenspieler). In der 259 Werke umfassenden und über zwei Stockwerke führenden Schau lässt sich die Wende von der figurativen zur abstrakten Kunst bilderreich nachvollziehen: Die Reise geht vom Impressionismus bis zum abstrakten Expressionismus - Zwischenstationen legt man bei Fauvismus, Kubismus und Expressionismus ein, zeigt die Künstler der Berliner Brücke und des Münchner Blauen Reiters ebenso wie Meisterwerke des Surrealismus. "Wir zeigen einen Weg der Moderne", erklärt Direktor Klaus-Albrecht Schröder mit dem Hinweis darauf, dass man performative Kunst bewusst komplett ausgeklammert habe.

Albertina neu

Dieser historische, die ehemals "Grafische Sammlung Albertina" in ein Museum anderen Charakters überführende Überblick, wäre nicht ohne dem bedeutenden, vorerst auf zehn Jahre fixierten Zuwachs aus der Sammlung Batliner möglich gewesen: 500 Werke, davon ein Viertel Gemälde, umfasst die in eine Stiftung eingebrachte Sammlung des in Liechtenstein beheimateten Ehepaares Rita und Herbert Batliner, die bis zum vergangenen Jahr immer wieder im Museum der Moderne am Salzburger Mönchsberg zu sehen war.

Die Veränderungen, die diese Neuzugänge für sein Haus bedeuten, fasst Direktor Schröder in bildreiche Worte: "Wie kostbarer Regen, der die Steppe fruchtbar macht", wirken sich die Dauerleihgaben auf die Albertina aus. - Ein Profit, der auch Wien zugute komme, denn nun vermöge man "die schmerzhaft zutage getretenen Lücken der klassischen Moderne in den Wiener Museen zu schließen". Und wenn das Ganze auch nicht so dramatisch ist, wie diese Aussage formuliert, so steht doch fest, dass es nicht schaden kann, von einem Künstler der Klassischen Moderne mehrere Meisterwerke - vielleicht sogar häufiger als nur ein Mal - im Original betrachten zu können, sei es im Mumok, im Belvedere oder in der Albertina. Ab kommendem Jahr ermöglicht der Zuwachs Schröder die Etablierung einer permanenten Schausammlung, die auch Herbert Batliners Überzeugung, Kunst möge so vielen Menschen wie möglich und nicht nur wenigen Auserwählten zugänglich sein, dauerhaft Rechnung trägt.

"Seit der Geburtsstunde des Museums lebt dieses von der Allianz mit großen Sammlern", bestätigt auch Werner Spies, ehemaliger Direktor des Centre Pompidous, die Notwendigkeit solcher Partnerschaften. "Nicht nur die bedeutenden imperialen Museen verdanken ihre Bestände fürstlicher Sammlungstätigkeit, auch viele bürgerliche Museen tragen nicht zufällig den Namen großer Sammler", so Spies, der unter anderem Wallraf-Richartz, Ludwig , Beyeler oder Berggruen nennt.

Alberto Giacometti mit dessen Werken die Batliners sammlerisch einen ihrer Anfangspunkte setzte, ist sowohl mit seinen malerischen, zeichnerischen und plastischen Arbeiten in der Ausstellung vertreten. Und auch hier ermöglichen zwei Blätter aus der Albertina interessante Studien zum Werk des 1966 gestorbenen Künstlers, dem als skulpturales Gegenüber Arbeiten von Hans Arp oder Constantin Brancusi dienen.

Mit einem Überblick geht es im Haus am Albertinaplatz 1 auch weiter: Am 12. Oktober widmet man sich der Kunst nach 1970. Die aus Sammlungsbeständen gespeiste Ausstellung stellt die Kunst der Gegenwart anhand großer Künstlerpersönlichkeiten vor, die miteinander in Dialog treten. In den "Künstlerräumen" trifft Georg Baselitz auf Gerhard Richter, Sigmar Polke auf Markus Lüpertz, Alex Katz auf Roy Lichtenstein oder etwa die Leipziger Künstlerin Christine Baumgartner auf den Schweizer Franz Gertsch. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 21.07.2007)