Foto: Martin Fuchs
STANDARD: Sie haben einmal erzählt, dass sie gerne ins All fliegen würden. Wann geht es endlich los?

Tajmar: Meine Frau erlaubt mir das sicher nicht. Sie hat viel zu viel Angst um mich. Aber wer weiß. EADS Astrium, Europas größter Luft- und Raumfahrtkonzern, will in den Weltraumtourismus investieren. 2012 soll der erste Flug möglich sein – und da werden garantiert die höchsten Sicherheitsmaßstäbe gesetzt. Vielleicht ergibt sich da dann doch einmal eine Möglichkeit ...

STANDARD: Und das würde sie erlauben?

Tajmar: Sie hätte natürlich Angst. Viele erinnern sich an die Challenger und Columbia Space Shuttle Unglücke. Bei der bemannten Raumfahrt fliegt immer ein gewisses Risiko mit – genauso wie in einem Flugzeug oder Auto, wenn auch ein höheres. Ich spekulierte ja nur im Scherz mit dem Astrium-Projekt.

STANDARD: Schade. Franz Viehböck war 1991 der bisher einzige österreichische Astronaut. Da klafft sicher schon ein Loch im nationalen Weltraumfahrtselbstbewusstsein.

Tajmar: Natürlich wünsche ich mir auch mehr österreichische Astronauten. Mein Job ist es aber jetzt einmal, hier auf der Erde Technologien zu entwickeln, um die Raumfahrt weiter zu bringen. Wir bauen Antriebssysteme. Ich selbst beschäftige mich auch noch seit Jahren mit Fragen der Gravitation. Die bemannte Raumfahrt ist ein Politikum. Das war sie schon immer. Staaten wetteifern. Wer ist der erste am Mond, der erste am Mars. Ich bleib vorerst am Boden.

STANDARD: Ein Politikum? Gilt sie nicht vor allem als zu teuer?

Tajmar: Es stimmt das es leider sehr teuer ist – weil sich die Raketen-Technologie seit dem 2. Weltkrieg bis heute nicht sehr viel weiterentwickelt hat. Zwar gibt es neue nukleare Antriebe in der Schublade, aber die werden wohl erst wieder bei einem Wettrennen, z.B. USA-China, eingesetzt werden. Hinzu kommt noch ein unglaublicher Bürokratie-Aufwand der vor allem in den USA nach dem 11. September nochmals kräftig angestiegen ist. Ein NASA Ingenieur hat mir unlängst scherzhaft erzählt das er nicht daran glaubt das die NASA wieder Astronauten zum Mond schicken kann. Er ist sich aber sicher das in so einem Projekt genug Papier erzeugt wird das man damit einen Stapel aufbauen kann der von der Erde aus den Mond erreichen wird.

STANDARD: Ist diese Bürokratie mit ein Grund, warum sie nicht in den Vereinigten Staaten bei der NASA arbeiten? Ist der europäische Weg der richtige?

Tajmar: Ich war ja einige Monate dort, aber ich kann mir derzeit nicht vorstellen dauerhaft in den USA zu arbeiten. Hier in Seibersdorf kann man durchaus Forschung auf Spitzenniveau betreiben – und Österreich bietet eine ausgezeichnete Lebensqualität.

STANDARD: Reden wir zunächst von ihren Industrieprojekten. Woran konkret arbeiten sie?

Tajmar: Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit der Kärntner Firma Mechatronic und Kooperationspartnern aus Spanien, Frankreich und Italien für die Europäische Weltraumagentur ESA das kleinste Zweistoffkomponenten Raketentriebwerk der Welt entwickelt. Das ist eine logische Entwicklung gewesen, weil immer kleinere Satelliten entstehen. Die Betreiber wollen die Kosten reduzieren. Aber Größe und Sparsamkeit sind nicht die einzigen Besonderheiten, die der Satellitenantrieb aufweist. Wir verwenden hier ausschließlich "Green Propellants", also neuartige Treibstoffe, die weder giftig noch krebserregend sind.

STANDARD: Was treibt Sie an bei derlei Entwicklungsarbeiten?

Tajmar: Vor Jahren noch dachte kein Mensch, dass ein so winziger Antrieb von der Größe meines Daumens mit derartigem Treibstoff überhaupt möglich ist. Es gibt aber aus meiner Sicht nichts, was nicht möglich ist. Wer glaubte schon in den 1960iger Jahren, dass der Communicator des Raumschiff Enterprise einmal Realität wird – heute trägt ihn jeder, er heißt jetzt Handy, bei sich.

STANDARD: Nehmen wir an, sie finden also eine scheinbar unmögliche Lösung: Was ist es dann, was sie bei der weiteren Entwicklungsarbeit fasziniert?

Tajmar: Präzisionsarbeit. Wir haben zum Beispiel ein Steuer-Triebwerk entwickelt, FEEP heißt es, das es erstmals ermöglicht, Satelliten so genau zu positionieren, dass sie Gravitationswellen, Schwingungen in Raum und Zeit, vermessen können. Um ihnen eine Ahnung von der geforderten Genauigkeit zu geben: Befinden sich zwei Teleskope zur Beobachtung der Wellen in einem Abstand wie jenem zwischen Erde und Mond, darf sich dieser Abstand nicht mal um die Größe eines Atoms verändern.

STANDARD: Die Gravitation scheint ihr Steckenpferd zu sein. Man hört immer wieder von Versuchen, ein Gravitationsfeld zu entwickeln.

Tajmar: Ich arbeite seit Jahren daran, Gravitation im Labor zu beeinflussen. In unserem Experiment nehme ich einen speziellen Metallring und kühle ihn auf Minus 270 Grad Celsius ab. Wenn sich der Ring jetzt dreht zeigt ein Laser-Kreisel darüber eine Drehung an – obwohl der Kreisel fest im Labor befestigt ist. Es scheint also das die Eigenschaft der Drehbewegung auf einen anderen Körper ohne mechanische Berührung übertragen wird. Das kommt einer Art Gravitationsfeld schon sehr nahe.

STANDARD: Was würde ein solcherart entstandenes Gravitationsfeld bedeuten?

Tajmar: Wenn es tatsächlich stimmt wäre es sicher eine revolutionäre Technologie. Man könnte Schwerelosigkeit auf der Erde simulieren, was bisher nur mit Raumstationen möglich war. Es gäbe unzählige Anwendungen, die da entstehen könnten.

STANDARD: Wie ist es Ihnen gegangen, als Sie diese Entdeckung machten?

Tajmar: Am nächste Tag sind wir in den Urlaub geflogen. Den habe ich dann am Laptop bei der Datenanalyse verbracht.

STANDARD: Haben Sie Angst gehabt, sich zu blamieren?

Tajmar: Natürlich. Ich hatte am Anfang viele schlaflose Nächte. Was, wenn ich einen Messfehler gemacht habe? Die Interpretation ist natürlich immer das entscheidende – handelt es sich hier wirklich um ein neues Kraftfeld oder um ein Geräte-Artefakt? Wenn man seine Arbeit ordentlich gemacht hat muss man sich natürlich der wissenschaftlichen Community stellen. Ich diskutiere meine Ergebnisse mit vielen Kollegen, schreibe Publikationen und halte Vorträge. Es gibt mittlerweile auch schon Tests von anderen Gruppen die auf ähnliche Ergebnisse schließen lassen. Ich hoffe, dass der Beweis gelingt, so lange ich lebe. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23.9.2007)