"Moon over Cuba", ein Lichtobjekt mit politischem Hintergrund

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"Golden Pensatoio", ein Ort zum Nachdenken

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Deckenleuchten "Schlitz Up"

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Meister des Lichts, Ingo Maurer

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Ingo Maurer ist einer der ganz Großen des Lichtdesigns. Bekannt wurden seine Leuchtobjekte vor allem für ihre Fähigkeit, Dinge des Alltags aus dem Kontext zu reißen. Bis zum 27. Januar 2008 zeigt nun das Cooper-Hewitt National Design Museum in New York die Ausstellung "Provoking Magic: Lighting of Ingo Maurer", ein Querschnitt durch Maurers Arbeit, darunter seltene Prototypen und Einzelanfertigungen des 1932 auf der Insel Reichenau im Bodensee geborenen Autodidakten.

DER STANDARD: Ihre Ausstellung heißt "Provoking Magic". Wie kreiert man Magie?

Ingo Maurer: Licht ist immateriell, man kann es – mit oder ohne Magie – nicht "machen", man kann es höchstens töten. Der Name der Ausstellung ist nicht meine Erfindung. Viele Menschen empfinden meine Arbeit aber – das stammt ebenfalls nicht von mir – als außergewöhnlich. Ich denke, ich bin ein starker "Inspirator".

DER STANDARD: Welche Modelle haben Sie eigens für die New Yorker Retrospektive entworfen?

Ingo Maurer: Da gibt es eine Kleinserie aufeinander gestapelter Messing-Käfige, eines der Modelle heißt "Memories of Shanghai – or was it Cairo?". In den Käfigen sitzen Ratten, die rote Masken tragen. Warum, das ist ein Geheimnis. Ein anderes Modell heißt "Moon over Cuba". Hier befinden sich orangefarbene Figuren im untersten Käfig, darüber ein kugelförmiger Mond – die Figuren stehen für die Gefangenen von Guantánamo.

DER STANDARD: Manche Menschen handeln Ihre Leuchten als Kunst-Objekte, andere sehen sie als Gag, und wieder andere als Gebrauchsgegenstand.

Ingo Maurer: Als Gag? Niemals! Gags sind kurzlebig. Wenn ich mir einen Spaß erlaube, hat er Tiefe und eine Lichtfunktion. Und als Kunst-Objekt? Eher nein. Ich hab nicht den Drang, Kunst zu machen. Ich nenne meine Leuchten "Licht-Objekte" oder "Light-Sculptures". Es gibt eine Beziehung, eine Wahrnehmung zwischen dem Betrachter und seinem Objekt, ich nenne das "sense impression". Václav Havel zum Beispiel – ich kenne ihn, toller Mann, von der Sorte sollte es mehr geben – lebt mit meinen Tischleuchten "Don Quixote" und "One from the heart", Letztere steht auf seinem Schreibtisch. Da entsteht einfach ein Bezug, eine eigene persönliche Beziehung.

DER STANDARD: Was inspiriert Sie – Filme, Comics, Literatur, der Alltag oder auch der Supermarkt?

Ingo Maurer: Ganz unterschiedlich, das passiert mit Dingen, die mir diese "sense impression" verschaffen, die mich stark beeindrucken, was natürlich nicht planbar ist. Einmal waren es gute Penne all'arrabiata, die mich zur Lampe "Scooper" inspiriert haben. Inspiration geschieht im Halbbewussten, ich will nichts analysieren oder bewusst machen. Der Weg ist das Ziel, ist Freude und Qual zugleich ... bis man schließlich irgendwann angekommen ist.

DER STANDARD: Welchen Hintergrund haben Objekte wie "PDG/One can't be tall without the small", eine Aufreihung japanischer Plastikpuppen mit Sprechblase, oder das "Golden Pensatoio", ein mannshoher Würfel mit Hohlraum, gedacht als Ort zum Nachdenken? Haben Sie einen solchen Pensatoio bei sich zu Hause stehen?

Ingo Maurer (lacht laut): Nein! Der gesamte Würfel ist mit echtem Blattgold verkleidet, das wäre viel zu teuer. Gold kann leicht vulgär wirken, aber ich arbeite trotzdem gerne damit, weil das Material so gut reflektiert. Die Leuchte "PDG" ist für einen Generaldirektorentisch erdacht, PDG steht für President Directeur General. Den Satz in der Sprechblase "One can't be tall without the small" – man kann nicht groß sein ohne die Kleinen – haben meine Frau und ich erfunden. Meine Frau Jenny ist meine Säule, ohne sie wäre ich nicht, was ich bin. Ohne ihre Organisation, Toleranz und Wärme ginge es nicht ...

DER STANDARD: Wann haben Sie begonnen, von der Idee des klassischen Leuchtkörpers wegzugehen – schon zu Beginn Ihrer Arbeit?

Ingo Maurer: Meine erste Lampe namens "Bulb" ist eine überdimensionierte Glühbirne, sie entstand nach einer Flasche Wein und einer "sense impression". Die Inspiration kam also vom Ursprung des industriellen Lichts, von Thomas Alva Edison ... Ich bin nicht total gegen den klassischen Lampenkörper, aber ich brauche eine neue Dimension, neue Wege, will über die Grenzen. Ich gehe weiter und weiter, solange ich kann.

DER STANDARD: Welche Rolle spielen Ironie, Humor und das Spiel an sich bei Ihren Entwürfen?

Ingo Maurer: Mit Ironie und Humor ist es wie mit der Poesie, man kann sie nicht konstruieren, sie passiert einfach. Für mich ist es ein Anliegen, mit den Dingen zu spielen. Ironie liegt oft nah am Sarkasmus und wird zu einem Gift, das sich gegen einen selbst wendet. Nun ja, ein Hauch Ironie ist vielleicht bei meinem LED-Luster dabei, eine Persiflage auf die allgemeine Luster-Manie!

DER STANDARD: Wie stehen Sie zum Thema Provokation?

Ingo Maurer: Ich brauche Provokation, deswegen komme ich oft nach NY, wo ich eine Bleibe habe und bis zu drei Monate im Jahr verbringe. Provokation ist nichts Negatives, sie bringt Gedankenanstöße und diese wiederum ermöglichen, die Dinge anders, neu zu sehen. NY ist am Ende nicht inspirierender als Wien, setzt aber mehr Energie frei, die Stadt akzeptiert Ausgefallenes und die Mischung der Rassen – so muss unsere Zukunft aussehen. Die Menschen hier sind weniger ichlastig, man ist "one of many", und das entspannt.

DER STANDARD: Wie kann man sich den Ideenfindungsprozess vorstellen?

Ingo Maurer: Manchmal kaue ich Jahre an einer Idee, bevor ich sie mittels einer Skizze, durch Worte oder als Modell meinem Kreativ-Team präsentiere, das an die zwölf Leute zählt. Danach suche ich mir jene zwei oder drei Mitarbeiter aus, die das übersetzen ... ich habe ein großartiges Team, sehr unterschiedliche Leute.

DER STANDARD: Die Schau zeigt eine Retrospektive Ihres Schaffens. Welche Arbeit ist Ihre wichtigste?

Ingo Maurer: Die Zukunft!
(Franziska Horn/Der Standard/rondo/21/09/2007)