Stift Melk - Seine Heiligkeit hatte die meisten Lacher. Wenn es einen religiösen Führer auf der Welt gibt, der auch als Stand-up-Comedian geeignet wäre, dann ist es der Dalai Lama. Diese - leicht gewöhnungsbedürftige - Eigenschaft zeigte sich auch wieder beim "Waldzell Dialog" in Stift Melk, wo der tibetische Buddhist mit Vertretern des Islam, des Judentums, der katholischen und der ukrainisch-orthodoxen Kirche diskutierte.

Das Publikum von "Waldzell" - Manager und Unternehmer mit Hang zur Esoterik - ist, wie so viele im Westen, überaus bereit, sich vom Dalai Lama beeindrucken zu lassen. Wenn er auf die Frage, wie man den Glauben zur Bewältigung der Alltagssorgen einsetzen könne, mit einem extra-trockenen "I don't know" antwortet, bebt der Kolomann-Saal des Barockstifts. Manchmal scheint es, als habe der Dalai Lama den Mystizismus satt, den diese sinnsuchenden Westler von ihm erwarten. Er hat andere Probleme. Die rasante Zurückdrängung der tibetischen Kultur durch die massenhaft einwandernden Chinesen zum Beispiel. Aber auch hier setzt er auf listige Pragmatik: In China selbst sei der Buddhismus wieder auf dem Vormarsch. Also: "Ich habe nichts dagegen, wenn gebildete chinesische Buddhisten nach Tibet kommen. Sie bringen uns gute Küche, wir ihnen geistige Nahrung".

In Melk präsentierte sich der "lebende Buddha" erneut als toleranter, multikultureller Nicht-Fundamentalist. Die verschiedenen Religionen gebe es, jeder halte - wenn er glaubt - die seine für die einzig wahre, aber das mache nichts, solange jeder nur die grundlegenden menschlichen Werte lebe. Alle Religionen hätten dieselbe Botschaft von Liebe, Toleranz und Mitgefühl. "Die gesamte Welt verschmilzt zu einem Körper, ist aber multi-religiös". Der Benediktinermönch David Steindl-Rast konnte der ganzheitlichen Sicht nur zustimmen.

Dennoch wurden spannende Strukturen sichtbar, als der Moderator die Frage stellte, ob die am Podium versammelten geistlichen Führer jemals - wie Mutter Teresa - an ihrem Glauben gezweifelt hätten. Dass der Islam doch subtil anders ist, merkte man an der Antwort von Ahmed Mohammad El-Tayyib, dem Rektor der Al-Azhar-Universität in Kairo, der bedeutendsten islamischen Bildungseinrichtung: Er habe keine Zweifel, weil der Islam unterschiedlich sei. Wenn die Angehörigen westlicher Religionen der Zweifel befalle, so suchten sie nach empirischen Beweisen, aber das wäre schon Wissen, nicht Glaube. Im Islam werde der Zweifel "stets vom Geist begleitet, der überprüft, ob das noch korrekt ist". Wenn einen Muslim Zweifel befallen, so habe er seine Verhaltensregeln: "Wenn du Zweifel an Allah hast, musst du ihn anrufen, bis du wieder glaubst".

Auf diese Aussage reagierte Rabbi David Rosen, Präsident des israelischen Instituts für die Kommunikation mit den anderen Religionen mit einem fulminanten Plädoyer für kritisches Hinterfragen: "Wer keine Zweifel hat, ist eine gefährliche Person." Der Dalai Lama erklärte: "Buddha hat mir die Freiheit gegeben, die Dinge zu überprüfen." Und der vom Patriarchat Moskau für die ukrainische Orthodoxie beauftragte Erzbischof Filip von Poltawa konstatierte: "Jeder zweifelt einmal an seinem Glauben. Wer nicht zweifelt, ist geistig tot." Es war nicht "alle gegen den Islam", aber der Bruch war spürbar: Elizabeth Lesser, Gründerin des "Omegainstituts": "Ich habe eine Affinität zum Islam wegen meines Sufi-Lehrers, aber wie die Frauen behandelt werden, ist einfach lächerlich". (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2007)