Gabriele Lang-Cedik
Evangelische Pfarrerin in Wien-Liesing

Am allerliebsten lasse ich mich von Menschen ablenken. Das ist manchmal positiv, manchmal aber auch negativ, durchaus gleichzeitig. Weil ich mit der Arbeit, die ich mir vorgenommen habe, nie so schnell vorankomme, wie ich es eigentlich will. Aber ich habe mir ja nicht ohne Grund einen Beruf ausgesucht, bei dem es um den Kontakt mit Menschen geht. Natürlich könnte ich auch sagen: Von dann bis dann habe ich Sprechstunde.

Foto: Aleksandra Pawloff

Und mein Handy hebe ich einfach nicht ab, wenn es klingelt - aber es macht mir wirklich Freude, mich um Menschen zu kümmern. Das ist ja wohl auch Teil der Job-Description einer Pfarrerin. Wenn ich auf dem Weg in die Kirche bin, um Büroarbeit zu machen, und jemand spricht mich auf der Straße an, dann bleibe ich gerne stehen: Das ist 1000-mal wichtiger als die Büroarbeit! Nur: Die muss ich dann eben später machen. Wenn ich dann erst um 22 Uhr nach Hause komme, freut das meinen Mann natürlich nicht - aber er akzeptiert das. Aber wenn ich Zeit für die Familie haben will, drehe ich das Handy schon ab.

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Elisabeth Schwendenwein
Unfallchirurgin am AKH

Am liebsten lasse ich mich von den Zeichnungen auf und um meinen Schreibtisch ablenken. Am wenigsten gern vom Telefon - obwohl es da eine Hierarchie gibt: Das Handy ist angenehmer als das Telefon auf dem Tisch. Denn das läutet vor allem dann, wenn im Spital etwas akut ist. Die Bilder brauche ich danach - um wieder Kraft zu sammeln. Das sind drei Mandalas, die ich gekauft habe, und eine Zeichnung eines Bekannten. Wenn ich erschöpft bin, konzentriere ich mich auf diese Bilder - und meditiere kurz.

Foto: Aleksandra Pawloff

Das dauert manchmal ein paar Sekunden, manchmal aber auch einige Minuten: Kommt ganz darauf an, wie anstrengend es davor war. Dass Ärzte so wie in TV-Serien während einer Operation manchmal über Alltag, Privates oder Restaurants plaudern, ist aber was anderes und hat mit Ablenkung oder Unaufmerksamkeit nichts zu tun. Wenn man alles in voller Konzentration durchzieht, würde man vieles nicht ertragen. Da ist so eine kurze Bemerkung, eine Form des Durchatmens, eine Art Ausweichhandlung: So etwas ist wichtig, das braucht man - um danach wieder voll bei der Sache zu sein.

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Kabru
Architekt bei Propeller Z

Als typischer Bildschirmarbeiter ist es bei mir der Bildschirm, der mich am meisten von der Arbeit ablenkt. Oder besser: das Medium dahinter - Onlineradios, das Web. Alles, was man da aufmachen kann, lenkt mich ab, aber genau das hilft mir oft auch bei der Konzentration. Es hängt einfach von der Tätigkeit oder dem Projekt ab, das mich gerade beschäftigt. Was mich tatsächlich aus der konzentrierten Arbeit herausreißt, ist da viel eher das Telefon.

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Das ist eine Unterbrechung, die wirklich den Arbeitsfluss stört. Ich habe mir darum angewöhnt, oft gar nicht mehr abzuheben. Um mich vom Web nicht vom Arbeiten abhalten zu lassen, brauche ich aber keine eigenen Disziplinierungsmaßnahmen. Das Gute am Internet ist ja, dass einem da nix davonrennt. Es wird zwar ein anderer Eindruck vermittelt, aber das lernt man als Benutzer irgend-wann: Es ist alles immer da - vielleicht abgesehen von ein paar Online-Auktionsangeboten. Aber sonst ist alles immer verfügbar - es ist alles genau dann da, wann ich es will.

Foto: Aleksandra Pawloff

Lois Renner
Künstler

Ich wollte mich eigentlich auf mein Schlagzeug konzentrieren, aber die Fotografin fragt, wer denn die wunderschöne Frau sei, die da in meinem Atelier ist. Also kommt meine Mitarbeiterin Fiona Eltz auch mit ins Bild. Beim Malen kommt es ja immer wieder vor, dass man Luft braucht - und da setze ich mich dann an mein Schlagzeug und spiele. Statt für die Augen arbeite ich dann fürs Ohr. Ich habe vor drei Jahren begonnen, Schlagzeug zu spielen, und ich bin nicht ganz schlecht.

Foto: Aleksandra Pawloff

Auf YouTube gibt es ein Karaoke-Video von mir. Ja, beim Schlagzeugspielen. Ich spiele immer nach Noten, nie einfach so bummbumm. Meistens lade ich mir aus dem Netz Noten herunter. Tokyo Hotel etwa, "Durch den Monsun" - ja, wirklich! Das spielen nämlich wirklich gute Musiker. Meine Mitarbeiterin Fiona ist erst seit Kurzem bei mir. Seit September, als Assistentin. Und sie lenkt mich wirklich von der Arbeit ab. Weil schöne Menschen im Atelier aber immer eine angenehme Ablenkung sind, kann ich voll und ganz dazu stehen.

Foto: Aleksandra Pawloff

Ingela Bruner
Rektorin der Boku Wien

Darf ich statt eines Dings eine Person wählen? Dann möchte ich über meine Tochter reden. Sie ist 20 Jahre alt und studiert an der TU in Wien. Sie wohnt nicht mehr zu Hause, aber wir sehen einander sehr oft. Das ist keine Störung, sondern eine positive Ablenkung und geht von "Hallo" bis zu Feedback. Mimi hat als Ratgeberin eine wichtige Rolle: Sie kann mir über die Rahmenbedingungen der Studierenden berichten und fordert mich ganz schön heraus. Eigentlich ist das dann wieder Teil meiner Arbeit.

Foto: Aleksandra Pawloff

Aber ich denke nicht in den Kategorien "Arbeit" und "nicht Arbeit": Oft ist es produktiv, einen Spaziergang zu machen - und bei dieser "Unterbrechung" Gedanken zu sortieren. Es gibt aber auch einen Gegenstand: ein Bild, das meine Ururgroßmutter Emma Sparre 1886 gemalt hat. Es zeigt eine Frau, die nachdenklich über eine skandinavische Küstenlandschaft, über das Meer blickt. Das hat für mich Symbolkraft: Die junge Frau nimmt sich Zeit für sich selbst. So wie die Künstlerin, die sich damals emanzipiert und die Freiheit genommen hat, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dieses Bild ist für mich Stimmung und Inspiration zugleich.

Foto: Aleksandra Pawloff

Rudolf Svoboda
Svoboda Büromöbel

Ich habe mich für eine zehn Zentimeter große Kugel aus Ebenholz entschieden, die mein Vater angefertigt hat. Die Kugel hat er vor ungefähr 25 Jahren gemacht - und ich habe sie seit 20 Jahren auf meinem Schreibtisch: Als ich die Firma übernahm, habe ich die Kugel überreicht bekommen. Sozusagen als Staffelholz. Ebenholz ist ein sehr schweres, hartes Holz, schwer zu bearbeiten und in eine so perfekte Form zu bringen. Und es greift sich sehr angenehm an: hart, glatt, unzerstörbar - und zwar ohne Lack oder sonstige Behandlung.

Foto: Aleksandra Pawloff

Ursprünglich wollte mein Vater diese Kugeln als Weihnachtsgeschenk für besonders wichtige Kunden anfertigen lassen, aber weil es eben so unheimlich schwer ist, eine perfekte Kugel aus Ebenholz zu fertigen, blieb es bei ein paar Stück. Gefahr, dass sie mir davonrollt, besteht aber nicht: Sie ist unten abgeflacht und immer auf meinem Schreibtisch. Dass ich sie heute mitgenommen habe, ist eine absolute Premiere. Ich brauche sie ja auch nur im Büro: Wenn ich sie angreife, beruhigt mich das. Da wird vieles relativiert. Es ist ein wunderschönes Stück Holz, das einen zurück auf die Erde holt. (Thomas Rottenberg/Der Standard/rondo/14/09/2007)
Fotos: Aleksandra Pawloff

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